Braunschweig. Die Geschichte des Niedersachsen-Derbys zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover liegt bald 120 Jahre zurück. Alle Fakten zum Spiel.

Wahrscheinlich hat am 9. April 1905 keiner der Spieler damit gerechnet, dass er bei der Geburtsstunde eines Klassikers dabei ist. Bestimmt waren die Akteure auf beiden Seiten aufgeregt. Immerhin war es für sie ein Spiel in einem relativ neuen Wettbewerb, noch dazu gegen ein Team aus der nächstgelegenen Großstadt und nicht gegen einen Lokalrivalen. Und allein die Reise nach Magdeburg dürfte einen besonderen Reiz für die Spieler dargestellt haben.

Aber dass sich diese Partie mal zu einem der brisantesten Begegnungen im deutschen Fußball entwickeln würde, ahnten die Akteure von Eintracht Braunschweig und Hannover 96 damals sicherlich nicht.

Das Niedersachsen-Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 elektrisiert die Massen in beiden Städten wie kein anderes Fußballspiel – bis heute. Kein Sieg wird höher bewertet als jener gegen den Rivalen aus dem Westen, kein Erfolg mehr gefeiert.

Der Grundstein für den speziellen Reiz dieser Paarung wurde vielleicht schon damals am 9. April 1905 in Magdeburg gelegt. Zum ersten Mal trafen Eintracht und 96 in einem Pflichtspiel aufeinander. Es war die Vorrunde um die Deutsche Meisterschaft. Ein Wettbewerb, der erst seit knapp drei Jahren ausgetragen wurde, die Strukturen im deutschen Fußball waren aber noch im Aufbau.

Derby-Geburtsstunde: Braunschweig und Hannover treffen sich auf neutralem Platz – in Magdeburg

„Seit 1904 gab es den Fußball-Bund für das Herzogtum Braunschweig. Dort wurde Eintracht jedes Jahr Meister, meistens mit Siegen von 8:0, 9:0 oder mehr gegen die Stadtrivalen oder Teams aus dem Braunschweiger Land“, sagt Eintrachts Historiker Gerhard Gizler. Er hat sich bei seinen Recherchen in der Geschichte der Blau-Gelben intensiv mit dieser Zeit auseinandergesetzt.

1903 hatte es zwar erstmals einen offiziellen Wettbewerb um die deutsche Meisterschaft gegeben. Doch ansonsten war der Liga-Betrieb weder klar noch durchgängig organisiert. „Das begann erst 1905 so richtig“, sagt Gizler. Mit der Gründung des Norddeutschen Fußball-Verbandes, der das nächste Level nach dem Herzogtum Braunschweig darstellte. Im Herzogtum war die Eintracht schnell konkurrenzlos geworden. Und auf der nächsten Stufe, damals noch als Vorrunde um die Deutsche Meisterschaft bezeichnet, wartete im Jahre 1905 erstmals Hannover 96 – in Magdeburg. „So eine Partie wurde oft auf neutralem Platz ausgetragen“, erklärt Gizler.

Historie: Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 – Fotos

In Magdeburg – auf neutralem Platz – treffen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im April 1905 das erste Mal in einem Meisterschaftsspiel aufeinander. Es ist die Geburtsstunde des Niedersachsenderbys. Blau-Gelb gewinnt nach Verlängerung mit 3:2.
In Magdeburg – auf neutralem Platz – treffen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im April 1905 das erste Mal in einem Meisterschaftsspiel aufeinander. Es ist die Geburtsstunde des Niedersachsenderbys. Blau-Gelb gewinnt nach Verlängerung mit 3:2. © Eintracht Braunschweig
Sowohl in der Braunschweiger Meistersaison 1966/67 als auch in der Folgezeit gelingt dem BTSV kein einziger Sieg gegen den Lokalrivalen aus Hannover. Auf diesem Foto sind Hannovers Spieler Hans Siemensmeyer und die Braunschweiger Hans- Georg Dulz und Joachim Bäse beim Aufeinandertreffen im März 1968 zu sehen.
Sowohl in der Braunschweiger Meistersaison 1966/67 als auch in der Folgezeit gelingt dem BTSV kein einziger Sieg gegen den Lokalrivalen aus Hannover. Auf diesem Foto sind Hannovers Spieler Hans Siemensmeyer und die Braunschweiger Hans- Georg Dulz und Joachim Bäse beim Aufeinandertreffen im März 1968 zu sehen. © Imago / Rust
Braunschweigs Bernd Gersdorff (rechts) im Zweikampf mit Hannovers Reiner Stiller. Eintracht gewann das Spiel am 1. September 1971 mit 3:0.
Braunschweigs Bernd Gersdorff (rechts) im Zweikampf mit Hannovers Reiner Stiller. Eintracht gewann das Spiel am 1. September 1971 mit 3:0. © Imago / Rust
Bundesliga, Mai 1973: Eintracht Braunschweig und Hannover 96 kämpfen gegen den Abstieg und treffen am 32. Spieltag an der Hamburger Straße aufeinander.  Durch zwei Treffer von Bernd Gersdorff (rechts im Bild) und einem weiteren Tor von Eberhard Haun gewinnt die Eintracht mit 3:2. Zu Saisonende steigt der BTSV dennoch ab – und Hannover bleibt erstklassig.
Bundesliga, Mai 1973: Eintracht Braunschweig und Hannover 96 kämpfen gegen den Abstieg und treffen am 32. Spieltag an der Hamburger Straße aufeinander. Durch zwei Treffer von Bernd Gersdorff (rechts im Bild) und einem weiteren Tor von Eberhard Haun gewinnt die Eintracht mit 3:2. Zu Saisonende steigt der BTSV dennoch ab – und Hannover bleibt erstklassig. © Imago / Rust | Imago / Rust
Braunschweigs Wolfgang Frank spielt im April 1976 in Hannover zusammen mit Danilo Popivoda (links) gegen die Hannoveraner Peter Anders und Hans-Herbert Blumenthal. Es bleibt für Jahrzehnte die letzte Partie in der Bundesliga – die Roten gewinnen 2:0.
Braunschweigs Wolfgang Frank spielt im April 1976 in Hannover zusammen mit Danilo Popivoda (links) gegen die Hannoveraner Peter Anders und Hans-Herbert Blumenthal. Es bleibt für Jahrzehnte die letzte Partie in der Bundesliga – die Roten gewinnen 2:0. © Fritz Rust / dpa
Vor über 50.000 Zuschauern treffen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im September 1986 in der 2. Bundesliga aufeinander. Hannovers Heinz Knüwe liegt zwar bei dieser Aufnahme am Boden (rechts Heinz-Günther Scheil) – ist zum Abpfiff aber obenauf. Denn: Die Roten gewinnen 1:0.
Vor über 50.000 Zuschauern treffen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im September 1986 in der 2. Bundesliga aufeinander. Hannovers Heinz Knüwe liegt zwar bei dieser Aufnahme am Boden (rechts Heinz-Günther Scheil) – ist zum Abpfiff aber obenauf. Denn: Die Roten gewinnen 1:0. © Imago / Rust
Das erste Derby in der Regionalliga Nord im August 1996 wird ein Spektakel – bis zur letzten Minute bleibt es spannend. Eintracht Braunschweig gewinnt schlussendlich mit 3:2. Das Rückspiel verlieren die Blau-Gelben jedoch 0:4.
Das erste Derby in der Regionalliga Nord im August 1996 wird ein Spektakel – bis zur letzten Minute bleibt es spannend. Eintracht Braunschweig gewinnt schlussendlich mit 3:2. Das Rückspiel verlieren die Blau-Gelben jedoch 0:4. © Imago / Rust | Rust
Das letzte Derby in der Regionalliga Nord, Erster gegen Zweiter: Gerald Asamoah, hier im Duell mit Braunschweigs Maik Kappel, trifft im Mai 1998 zum 1:0-Derbysieg der Hannoveraner. Hannover steigt auf, Braunschweig muss warten.
Das letzte Derby in der Regionalliga Nord, Erster gegen Zweiter: Gerald Asamoah, hier im Duell mit Braunschweigs Maik Kappel, trifft im Mai 1998 zum 1:0-Derbysieg der Hannoveraner. Hannover steigt auf, Braunschweig muss warten. © Susanne Hübner
Im Oktober 2003 wirft der BTSV den großen Rivalen Hannover 96 aus dem DFB-Pokal. In dieser Zeit ist Hannover Erstligist, Braunschweig Regionalligist. Jacob Thomas (rechts), hier im Zweikampf mit Steven Cherundolo, brachte Eintracht Braunschweig in Führung. Das Spiel im Stadion an der Hamburger Straße endete 2:0.
Im Oktober 2003 wirft der BTSV den großen Rivalen Hannover 96 aus dem DFB-Pokal. In dieser Zeit ist Hannover Erstligist, Braunschweig Regionalligist. Jacob Thomas (rechts), hier im Zweikampf mit Steven Cherundolo, brachte Eintracht Braunschweig in Führung. Das Spiel im Stadion an der Hamburger Straße endete 2:0. © Rudolf Flentje
Im November 2013 empfängt Hannover 96 den Erstliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig zum ersten Pflichtspielderby nach jahrelanger Pause – in der Bundesliga ist es gar seit 1976 das erste Duell. Deniz Dogan, Mirko Boland und Co. bedanken sich nach dem intensiven 0:0 bei den Fans für die Unterstützung.
Im November 2013 empfängt Hannover 96 den Erstliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig zum ersten Pflichtspielderby nach jahrelanger Pause – in der Bundesliga ist es gar seit 1976 das erste Duell. Deniz Dogan, Mirko Boland und Co. bedanken sich nach dem intensiven 0:0 bei den Fans für die Unterstützung. © Florian Kleinschmidt
Das Bundesliga-Rückrundenspiel im Jahr 2014 bleibt den Braunschweigern als letzter großer Triumph in Erinnerung. Der BTSV gewinnt im Eintracht-Stadion mit 3:0. Die Tore schießen Domi Kumbela, Havard Nielsen und Jan Hochscheidt.
Das Bundesliga-Rückrundenspiel im Jahr 2014 bleibt den Braunschweigern als letzter großer Triumph in Erinnerung. Der BTSV gewinnt im Eintracht-Stadion mit 3:0. Die Tore schießen Domi Kumbela, Havard Nielsen und Jan Hochscheidt. © Susanne Hübner
Derby im November 2016: Eintracht Braunschweig – zu diesem Zeitpunkt Zweitliga-Tabellenführer – lässt sich eine 2:0-Führung abknöpfen. Unter anderem trifft Ken Reichel per Seitfallzieher. Am Ende steht es 2:2.
Derby im November 2016: Eintracht Braunschweig – zu diesem Zeitpunkt Zweitliga-Tabellenführer – lässt sich eine 2:0-Führung abknöpfen. Unter anderem trifft Ken Reichel per Seitfallzieher. Am Ende steht es 2:2. © Imago / Foto2Press
Oktober 2020, es ist Corona-Zeit: Eintracht Braunschweig geht vor verknappter Hannoveraner Kulisse zunächst in Führung – fängt im Anschluss jedoch vier Gegentore. Frust bei Iba May und dem Team von Daniel Meyer. Gäste-Fans waren nicht zugelassen.
Oktober 2020, es ist Corona-Zeit: Eintracht Braunschweig geht vor verknappter Hannoveraner Kulisse zunächst in Führung – fängt im Anschluss jedoch vier Gegentore. Frust bei Iba May und dem Team von Daniel Meyer. Gäste-Fans waren nicht zugelassen. © Darius Simka / Regios24
Im Hinspiel der Zweitliga-Runde 2022/23 trägt sich Eintracht Braunschweigs Neuzugang Anthony Ujah in die Derby-Torjägerliste ein. Der Jubel im wieder besetzten Gäste-Block ist riesig. Aber: Ausgerechnet Havard Nielsen egalisiert den Ujah-Treffer. Am Ende nimmt Eintracht ein 1:1 mit nach Braunschweig.
Im Hinspiel der Zweitliga-Runde 2022/23 trägt sich Eintracht Braunschweigs Neuzugang Anthony Ujah in die Derby-Torjägerliste ein. Der Jubel im wieder besetzten Gäste-Block ist riesig. Aber: Ausgerechnet Havard Nielsen egalisiert den Ujah-Treffer. Am Ende nimmt Eintracht ein 1:1 mit nach Braunschweig. © Swen Pförtner / dpa
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Ergebnis des ersten Niedersachsen-Derbys: Eintracht Braunschweig gewinnt nach Verlängerung

Dem Einsatz und Siegeswillen der beiden Teams tat das keinen Abbruch. Sowohl die Löwen als auch die 96er gaben alles. Am Ende behielten die Blau-Gelben mit 3:2 nach Verlängerung die Oberhand und standen in der nächsten Runde. Es war das erste Mal, dass es so lief, aber beileibe nicht das letzte Mal.

Regelmäßig spielte Eintracht Braunschweig nun bei den Norddeutschen Meisterschaften, die den Spielen um die Deutsche Meisterschaft vorgeschaltet waren. Dabei ging es regelmäßig gegen 96, mit ganz wenigen Ausnahmen. „Und regelmäßig schlug Eintracht die Mannschaft von 96, jedes Jahr, mit Verlängerung, ohne Verlängerung, klar oder knapp. Ich denke, dass darin die besondere Rivalität dieser beiden Vereine ihren Ursprung hat“, berichtet Gizler.

Kein Wunder, dass sich in den Archiven der Eintracht auch bald Hinweise finden lassen, die schon einen Vorgeschmack auf die gelebte Ablehnung von heute geben. „Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gibt es Berichte, dass die Spiele überhart geführt wurden und aus dem Ruder gelaufen sind. Das finde ich sehr beachtlich“, sagt Gizler. Er betont aber auch: „Trotzdem sprach man immer auch sehr respektvoll voneinander.“

Der Respekt ist vorhanden – die Rivalität zwischen Braunschweig und Hannover kommt später

Und trotz aller Härte in den Spielen bleibt dieser Respekt über viele Jahrzehnten bestehen. Die teilweise schon offene Feindseligkeit zwischen den Fangruppen beginnt erst viel später nach dem Zweiten Weltkrieg. „In den 1950ern und 1960ern saßen die Mannschaften nach den Spielen noch zusammen, entweder zum Kaffee und Kuchen oder einem Abendessen. Gerade die Generation der Meisterspieler sagt, dass es die heutige Rivalität zwischen ihnen damals nicht gab“, sagt Gizler.

Auch er hat, seit er 1957 das erste Mal im Eintracht-Stadion war, viele Derbys erlebt, sich oft genug über Braunschweiger Siege gefreut und über Niederlagen gegen 96 geärgert. Den ersten Sieg nimmt den Braunschweigern aber keiner mehr.

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