Braunschweig. Am Sonntag trifft Eintracht Braunschweig auf Hannover 96. Ein Blick in die Historie zeigt: Es gab schon viele spektakuläre Duelle.

Für die Fans von Eintracht Braunschweig gibt es nur ein echtes Niedersachsen-Derby – und zwar Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96. Am nächsten Sonntag (5. November) ist es wieder so weit: Hannover unter Trainer Stefan Leitl empfängt die Braunschweiger mit Interimstrainer Marc Pfitzner.

Die Rivalität der beiden Städte ist historisch begründet. Sie reicht zurück bis ins Mittelalter. Aus sportlicher Sicht entwickelt sie sich insbesondere in den Nachkriegsjahren, als es ein ums andere Mal in der Norddeutschen Meisterschaft gegeneinander geht. Die Berücksichtigung der Braunschweiger Eintracht für die neu gegründete Bundesliga 1963 befeuert die Abneigung zusätzlich.

2023 stehen sich zwei Fußball-Zweitligisten gegenüber. Das war schon mal anders. Es gab Erst- und Drittliga-Duelle. Ein Blick in die Vergangenheit beweist: Es war schon oft dramatisch.

2003: Pokalschreck Eintracht Braunschweig macht seinem Namen alle Ehre

In Runde eins hatte das Team von Uwe Reinders souverän den 1. FC Kaiserslautern mit Tim Wiese im Tor und Nationalstürmer Miroslav Klose mit 4:1 ausgeschaltet. Dann folgte das Traumlos. Nach jahrelanger Pause kam es mal wieder zum Derby, das das Braunschweiger Land in Aufruhr versetzte. Mittwochabend, Flutlicht an der Hamburger Straße – alles war angerichtet für einen tollen Pokalabend im Oktober 2003. In Hannover hatte es vorab Stunk gegeben, weil die Mannschaft in der Liga in einem Tief steckte. Eintracht Braunschweig war nach dem Abstieg aus der 2. Liga durchwachsen in die neue Regionalliga-Spielzeit gestartet. Doch an diesem Abend wurden die Uhren ohnehin auf Null gestellt.

Sensation im Oktober 2003 im Eintracht-Stadion: Braunschweigs Torschütze Thomas Jacob (rechts) zielt an Hannovers Markus Schuler und Torwart Marc Ziegler zum 1:0 vorbei. Das Spiel endete mit einem 2:0-Sieg des Regionalligisten über den Bundesligisten.
Sensation im Oktober 2003 im Eintracht-Stadion: Braunschweigs Torschütze Thomas Jacob (rechts) zielt an Hannovers Markus Schuler und Torwart Marc Ziegler zum 1:0 vorbei. Das Spiel endete mit einem 2:0-Sieg des Regionalligisten über den Bundesligisten. © dpa | Holger Hollemann

Trainer Reinders schenkte überraschend dem jungen Torwart Thorsten Stuckmann das Vertrauen, der in den Folgejahren zum Publikumsliebling avancieren sollte. Er hielt gegen die von Ralf Rangnick trainierten Hannoveraner sicher. Und vorne sorgte US-Sprinter Jacob Thomas in der 46. Minute für die Braunschweiger Führung – es war die erste Aktion nach dem Wiederanpfiff. Die Druckphase der 96er, die unter anderem mit Daniel Stendel und Steve Cherundolo angetreten waren, überstanden Torsten Lieberknecht, Michel Dinzey und Co. schadlos. Und in der Schlussphase gab es einen Strafstoß für die Braunschweiger. Stuckmann jubelte schon, als der Pfiff ertönte. Er wusste, dass Oldie Jürgen Rische sicher verwandeln würde. 96-Trainer Rangnick musste umgehend nach dem Spiel die wütende Meute am Mannschaftsbus besänftigen. In der nachfolgenden Pokalrunde flog die Braunschweiger Eintracht gegen den späteren Finalisten Aachen raus.

2017: Füllkrug versetzt Eintracht einen Dämpfer im Aufstiegsrennen

Es geht mal wieder um den Aufstieg. Das Hinspiel in Braunschweig hatte nach einer 2:0-Führung der Braunschweiger Eintracht noch 2:2 geendet. In Hannover könnte die Eintracht einen Big-Point für den Gang in die erste Liga holen. Doch es kommt anders im April 2017. 96-Stürmer Niklas Füllkrug schockt die Löwen nach einer Flanke von Edgar Prib früh. Danach gelingt es den überforderten Braunschweigern zu keiner Zeit, Gefahr auszustrahlen. Den Blau-Gelben geht im Schlussspurt der Saison die Puste aus. Ausgerechnet 96-Kumpel Arminia Bielefeld demütigt Braunschweig mit sechs Toren und sorgt so für Hannovers gute Ausgangslage im Saisonfinale. Die Eintracht verliert die Relegation gegen den VfL Wolfsburg knapp. 96 steigt direkt auf – aber auch schnell wieder ab.

Hannovers Martin Harnik (2. von links) jubelt über den Treffer zum 1:0 von Mannschaftskamerad Niklas Füllkrug. Braunschweigs Torwart Jasmin Fejzic liegt am Boden.
Hannovers Martin Harnik (2. von links) jubelt über den Treffer zum 1:0 von Mannschaftskamerad Niklas Füllkrug. Braunschweigs Torwart Jasmin Fejzic liegt am Boden. © Swen Pförtner/dpa | Unbekannt

2013/2014: Ausrufezeichen in Liga eins – doch danach folgte der Abstieg

Im Hinspiel hatte es ein nervenaufreibendes 0:0 gegeben. Im Rückspiel folgte die größte blau-gelbe Party der Bundesliga-Saison 2013/14. Aufsteiger Eintracht zeigte an diesem milden April-Sonntag vor 23.325 Zuschauern und 3.300 Ordnungshütern, wer Herr im Hause an der Hamburger Straße ist. Domi Kumbela profitierte früh von einem Patzer des 96-Torhüters Ron-Robert Zieler, der wenige Monate später Fußball-Weltmeister werden sollte.

Braunschweigs Havard Nielsen jubelt nach seinem Tor zum 2:0. Das Tor zur Sensation im Frühjahr 2014 war damit weit geöffnet.
Braunschweigs Havard Nielsen jubelt nach seinem Tor zum 2:0. Das Tor zur Sensation im Frühjahr 2014 war damit weit geöffnet. © picture alliance / dpa | Nigel Treblin

Havard Nielsen sorgte nur sieben Minuten später mit einer genialen Aktion für das 2:0. Der heutige Düsseldorfer André Hoffmann sah nach einem Brutalo-Frustfoul an Mirko Boland die rote Karte. Jan Hochscheidt setzte den wunderbaren Schlusspunkt mit seinem 3:0. 96 um Trainer Tayfun Korkut und Kapitän Lars Stindl war zu keiner Zeit ebenbürtig, wirkte dermaßen geschockt von der Wucht, die von den Rängen auf sie einwirkte und von den hochmotivierten Eintracht-Spielern auch auf dem Rasen umgesetzt wurde. Noch lange nach Spielschluss schallten Derbysieger-Rufe durch das Rund. Die bittere Pointe: Im Anschluss gewannen die Löwen kein Spiel mehr in Liga eins und stiegen ab, 96 hielt die Klasse.

Do-or-Die-Spiel um den Aufstieg 1998

Die Partie am 33. Spieltag der Saison 1997/98 war aufgrund ihrer Brisanz extra auf den Donnerstagabend vorverlegt worden. Das Eintracht-Stadion war rappelvoll und Polizei und Sicherheitskräfte in Scharen vertreten. Die Löwen hatten zuvor eine beeindruckende Serie hingelegt, ihren knappen Vorsprung aber aufgrund eines unerklärlichen Remis beim VfL Oldenburg eingebüßt. Hannover führte mit 83 Punkten die Tabelle an, dahinter kam Braunschweig mit 82. Der Dritte, Osnabrück, war mit 62 Punkten weit abgeschlagen.

Otto Addo (rechts, Hannover 96) versucht Eintracht Braunschweigs Matthias Grupe im Derby, welches zugleich Regionalliga-Nord-Spitzenbegegnung war, vom Ball zu trennen.
Otto Addo (rechts, Hannover 96) versucht Eintracht Braunschweigs Matthias Grupe im Derby, welches zugleich Regionalliga-Nord-Spitzenbegegnung war, vom Ball zu trennen. © Picture Alliance / dpa | Fabian Matzerath

Der Meister durfte in die Aufstiegsrelegation zur 2. Liga. Es war ein umkämpftes Spiel an diesem 7. Mai. Die Atmosphäre auf dem Platz und auf den Rängen war hitzig. Eintrachts Team um Sergej Fokin und Daniel Jurgeleit stürmte auf das Tor von Jörg Sievers. Aber auch 96 um Dieter Hecking, Otto Addo oder Fabian Ernst war gefährlich. Und in der 54. Minute netzte der junge Hannover-Angreifer Gerald Asamoah aus dem Gewühl heraus gegen Eintracht-Keeper Matthias Hain und zerstörte so die Aufstiegshoffnungen der Blau-Gelben. Der große Rivale schaffte zwei Wochen später gegen TeBe Berlin den Sprung ins Unterhaus, Eintracht Braunschweig musste darauf noch vier lange Jahre warten.

1966/1967: Eintracht Braunschweig wird Meister – 96 doppelter Derbysieger

In der Meistersaison der Eintracht verliert das Team von Helmut Johannsen beide Spiele gegen die Roten. Im Hinspiel in Hannover putzen Hans Siemensmeyer und seine Mitspieler die Braunschweiger um Lothar Ulsaß mit 4:2 weg. Auch im Rückspiel trifft Siemensmeyer zum 1:0 – am Ende der Spielzeit darf die Eintracht trotzdem jubeln. Der Titel ist bis heute der größte Triumph der Löwen.

Abstiegsderby zwischen Braunschweig und Hannover im Jahr 1973

Was kann einem Niedersachsenderby zu noch mehr Zündstoff verhelfen? Sportliche Brisanz! Die gab es in der Saison 1972/73 – und zwar reichlich. Am 32. Bundesliga-Spieltag empfangen die Blau-Gelben die Roten aus der Landeshauptstadt an der Hamburger Straße. Eintracht steht auf Platz 15 der Tabelle. Hannover ist 17. Durch zwei Treffer von Bernd Gersdorff und einem weiteren Tor von Eberhard Haun gewinnt die Eintracht mit 3:2.

Bundesliga, Mai 1973: Eintracht Braunschweig und Hannover 96 kämpfen gegen den Abstieg und treffen am 32. Spieltag an der Hamburger Straße aufeinander.  Durch zwei Treffer von Bernd Gersdorff (rechts im Bild) und einem weiteren Tor von Eberhard Haun gewinnt die Eintracht mit 3:2. Zu Saisonende steigt der BTSV dennoch ab – und Hannover bleibt erstklassig.
Bundesliga, Mai 1973: Eintracht Braunschweig und Hannover 96 kämpfen gegen den Abstieg und treffen am 32. Spieltag an der Hamburger Straße aufeinander. Durch zwei Treffer von Bernd Gersdorff (rechts im Bild) und einem weiteren Tor von Eberhard Haun gewinnt die Eintracht mit 3:2. Zu Saisonende steigt der BTSV dennoch ab – und Hannover bleibt erstklassig. © Unbekannt | Imago / Rust

In den letzten zwei Saisonspielen geht aber nichts mehr. Die Löwen verlieren gegen Kaiserslautern und Düsseldorf, während Hannover sowohl Hertha BSC als auch den Wuppertaler SV schlägt. Am Ende der Spielzeit stehen die Braunschweiger auf dem 17. Platz – und steigen erstmals aus der Fußball-Bundesliga ab. Hannover liegt einen Rang davor und bleibt erstklassig. Ein Derbysieg mit fadem Nachgeschmack.

1996: Showdown in der Regionalliga

30. August 1996 im Stadion an der Hamburger Straße. Flutlicht. Knapp 23.000 Zuschauer erleben ein Derby-Spektakel bis zur letzten Minute. Eigentlich schien Eintracht an diesem Abend alles unter Kontrolle zu haben. Durch Tore von Leo Maric und Hakan Bicici gehen die Blau-Gelben in der ersten Hälfte der Regionalliga-Partie mit 2:0 in Führung. Doch Vladan Milovanovic bringt mit seinem Anschlusstreffer 30 Minuten vor dem Abpfiff noch einmal Pfeffer in die Partie. In der 88. Minute markiert Milos Kolakovic das 3:1 für die Eintracht. Jubel brandet aus. Das muss reichen.

Das Zittern aber war noch nicht vorbei. In der 90. Minute geling 96 der erneute Anschluss. Eintrachts Jürgen Lange ist der Pechvogel, der den Ball über die eigene Torlinie bugsiert. Schlussendlich reicht es aber dennoch: Eintracht gewinnt mit 3:2. Das Rückspiel geht allerdings mit 4:0 an 96 und die Roten stehen am Saisonende ganz oben in der Tabelle – mit fünf Zählern Vorsprung auf Eintracht Braunschweig. In der Relegation zur 2. Bundesliga unterliegt Hannover aber Energie Cottbus.