Braunschweig. Eintracht kann sich nicht über Qualität definieren, sagt Härtel. Harte, wahre Worte. Umso wichtiger ist, dass die Emotion zurück ist.

Jens Härtel ist kein Lautsprecher, so viel lässt sich nach drei Pflichtspielen, in denen er an der Seitenlinie für Eintracht Braunschweig im Einsatz ist, ohne Zweifel sagen. Aber der Trainer braucht keine Lautstärke, um sich Gehör zu verschaffen. Es lohnt sich, ihm genau zuzuhören. Er argumentiert leise - und schafft es dennoch, Klartext zu sprechen. Am Freitagabend nach der 1:3-Niederlage im DFB-Pokalspiel gegen Schalke 04 traf Härtels Schonungslosigkeit die Klasse seiner Mannschaft. „Wir können uns nicht über Qualität definieren“, sagte er. Eine eindeutige Zustandsanalyse. Hart, aber wahr.

Dennoch ist die Aussage freilich nicht als Kapitulation zu verstehen, obgleich alle drei Pflichtspiele mit Härtel verloren gingen. 0:1 gegen Kiel, 1:2 gegen Magdeburg und nun 1:3 in der ersten Pokalrunde. Der Fehlstart ist perfekt. Aber nach einem unterdurchschnittlichen Auftritt gegen Kiel und einer schwachen Leistung in Magdeburg zeigten die 90 Pokalminuten gegen Schalke einen wichtigen Schritt nach vorne. Denn die Emotionalität ist zurück.

Das E in Eintracht Braunschweig muss für Emotion stehen

Das E in Eintracht muss für Emotion stehen. „Es geht nur über die richtige Einstellung bei uns“, sagte Härtel. „Dann können wir Fußballspielen. Und dann können wir jeder Mannschaft Probleme bereiten, wenn wir so auftreten wie gegen Schalke.“ Dass es noch immer nicht zu einem ersten Erfolgserlebnis unter dem neuen Trainer reicht, verkompliziert die Lage. Beidseitiges Vertrauen in der noch frischen Beziehung zwischen Mannschaft und Coach entsteht nur über Zählbares. Daher wird dieser Erfolg so dringend benötigt und in der Zwischenzeit jede noch so kleine erfolgsähnliche Entwicklung hervorgehoben. Dafür taugte der Auftritt der Blau-Gelben am Freitagabend allemal.

Jannis Nikolaou zeigte gegen Schalke 04 eine Leistungssteigerung.
Jannis Nikolaou zeigte gegen Schalke 04 eine Leistungssteigerung. © regios24 | Sebastian Priebe

Jannis Nikolaou stimmte „die Art und Weise unseres Auftritts optimistisch“. Den Eintracht-Kapitän „würde es negativer stimmen, wenn wir sang- und klanglos ausgeschieden wären. Aber das sind wir nicht. Dennoch tut der Moment weh. Aber wir können einiges mitnehmen.“ Erstens die positiven Ansätze in der taktischen Ausrichtung. Anders als in Magdeburg, wo der Gegner erst in der eigenen Hälfte angegriffen wurde, attackierte Härtels Team die Gelsenkirchener diesmal früher und konsequenter. Besonders in der Anfangsphase. So entstand auch Anthony Ujahs Tor zum zwischenzeitlichen 1:0. Schalkes Treffer fielen durch einen unglücklich von Ujah verlängerten Freistoß, eine blitzsaubere Kombination und einen Konter kurz vor dem Schluss. „Die haben aus wenig viel gemacht“, sagte Brian Behrendt. „Das ist uns nicht gelungen.“

Zweitens die verbesserte Emotionalität. „Unter der Woche wurde schon wieder unsere Mentalität infrage gestellt“, sagte Nikolaou mit Blick auf die Aussagen von Härtel und Geschäftsführer Peter Vollmann, die zu diesem frühen Saisonzeitpunkt ihren Unmut öffentlich geäußert hatten, was dem Kapitän offenbar nicht besonders gut gefallen hat. „Wir sprechen Sachen intern an und wollen sie dann besser machen. Dass wir in Magdeburg nicht gut waren, wissen wir. Wir wollten eine Reaktion zeigen, und das ist uns gelungen.“

Eine Wahrheit des Schalke-Spiels ist die Harmlosigkeit in der Offensive

Dennoch reichte es nicht zum Sieg. Die Leistungssteigerung der Eintracht im Vergleich zur teils blutleeren Vorstellung in Magdeburg ist die eine Wahrheit des Freitags. Die zweite ist, dass noch immer Qualität in der Offensive fehlt. Zwei, drei gefährliche Aktionen hatten die Braunschweiger neben Ujahs Tor vorzuweisen. Glasklare Abschlussgelegenheiten waren jedoch nicht dabei. Weder aus dem Spiel noch nach Standards - und das ist besonders schade.

Denn Härtels Team hatte sich sieben Eckbälle herausgearbeitet. Zum Vergleich: Schalke hatte bloß deren drei. Dennoch erzeugten die Blau-Gelben nicht ein einziges Mal Gefahr nach einem solchen Standard. Eine Aufgabe für Ronny Thielemann, den 49 Jahre alten Co-Trainer Härtels, der insbesondere wegen seiner Qualitäten in der Arbeit rund um Standards geholt worden war.

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Welche konkreten Fortschritte die Braunschweiger in der Trainingswoche schaffen, wird sich am Sonntag zeigen, wenn von 13.30 Uhr an mit Schalke 04 derselbe Gegner im Eintracht-Stadion antritt - nur im anderen Wettbewerb. Liga-Alltag statt Pokal-Besonderheit. „Das ist die Kunst, die Einstellung am Sonntagmittag genau so zu gestalten wie unter Flutlicht“, sagte Behrendt. Ob die Pokalpartie eine emotionale Wende darstellte oder nur ein einmalige Zucken, beweist sich dann.

Thomas Reis, Trainer der Schalker, ordnete den 3:1-Sieg seines Teams am späten Freitagabend fast schon entschuldigend ein. „Man hat gesehen, dass wir noch früh in der Saison sind“, sagte er. Sollte heißen: Seine Mannschaft wird noch viel besser werden. Das darf die Eintracht in der Bewertung der aktuellen Lage auch nicht vergessen. Ja, es war einiges besser als zuvor. Aber gut genug war es noch immer nicht. Und die anderen Teams werden auch noch besser. Das weiß auch Trainer Härtel, der das in gewohnter Art und Weise kommunizierte: als leiser Klartexter, der auch mal Unangenehmes offenbart. Bleibt zu hoffen, dass Härtel damit in einem Verein, der in der Vergangenheit nicht immer für schonungslose Selbstkritik bekannt war, nicht die Falschen verstimmt.