Seesen. Im gehobenen Restaurant „Harzfenster“ im Familienhotel Görtler bringt der 27-Jährige die Erfahrungen seiner Wanderjahre ein.

Wer viele Jahre seiner Kindheit und Jugend in einem Familienhotelbetrieb verbracht hat, der lernt mit anzupacken. „Meine Oma hat mir schon früh immer etwas Geld für meine Spardose gegeben, wenn ich zum Beispiel die Gläser vom Frühstück gespült habe“, erzählt Johannes Steingrüber. Auch heute ist er auf dem Grundstück des Hotels Görtler in Seesen fast überall zu finden. „Nachmittags entdecken mich die Gäste schon mal mit einem Pinsel in der Hand oder auf dem Traktor sitzend“, sagt er. Aber im Wesentlichen ist Steingrüber Koch, und da sind filigranere Handgriffe gefragt. Mit dem Restaurant „Harzfenster“ hat sich der 27-Jährige nun einen Traum erfüllt.

Unter der Woche mieten sich immer wieder Handwerker oder Geschäftsleute auf Durchreise in dem Hotel ein. Am Wochenende nächtigen dort viele Ausflügler und Harztouristen. Praktisch, wenn die gleich ein Lokal vor Ort haben – könnte man denken. Aber Steingrübers „Harzfenster“ ist kein beliebiges Hotelrestaurant, in dem die Gäste täglich zu Abend speisen.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass der Besuch ein exklusives Erlebnis ist, das man sich nur gelegentlich gönnt: Bei den Vier- oder Fünf-Gänge-Menüs werden schon mal zarte Häppchen vom japanischen Wagyu Beef in Kombination mit Thunfisch, Mango und Koriander als „Inside Out“ serviert. Und zur Jakobsmuschel gelangt neben Blumenkohl und Räuchermandel etwas auf den Teller, bei dem Nicht-Gourmets erstmal die Internet-Suchmaschine bemühen müssen: Leche de Tigre, eine in Limettensaft gegarte peruanische Fischspezialität.

Zu Hause geht’s bescheiden zu

Schick, aber wohnlich eingerichtet hat Johannes Steingrüber sein Restaurant.
Schick, aber wohnlich eingerichtet hat Johannes Steingrüber sein Restaurant. © Privat | Privat

Abgehobene Luxusküche? Mitnichten. Wer mit Steingrüber schon mal ein paar Worte gewechselt hat, merkt schnell, dass der Koch durchaus bodenständig geblieben ist. Wenn er abends nach einem langen Arbeitstag zu seiner Giulia in die dem Hotel angegliederte Wohnung kommt, landen für ihn meist nur belegte Brote oder ein paar Nudeln auf den Teller. Seine Lebensgefährtin, erklärt er, koche so gut wie nie für ihn. „Sie denkt wahrscheinlich, dass sie zu viel falsch machen und ich es merken würde“, sagt der Seesener lachend. Dabei ist Steingrüber auch in kulinarischer Hinsicht anspruchslos. Sein Lieblingsessen: Kartoffeln mit Spiegelei und Spinat.

Das Gericht findet sogar als Gruß aus der Küche in hochwertiger Ausführung den Weg zu den Gästen. Die werden ohnehin nicht ausschließlich mit Spezialitäten aus aller Welt verwöhnt. Auf Regionalität und Nachhaltigkeit legt auch der Koch Wert. Die Forelle kommt beispielsweise aus dem Nachbarort, das Gemüse von einem Biobauernhof aus dem Nachbardorf. „Wir arbeiten mit vielen regionalen Erzeugern zusammen. Als die Spargelsaison begonnen hat, habe ich ihn gleich am ersten Tag bestellt. Kürbis im Frühling – das muss nicht sein“, sagt Steingrüber.

Wild ist fester Bestandteil der Karte

Ebenfalls ein fester Bestandteil der Karte: Wild. Der Koch ist damit aufgewachsen. Sein Großvater ist gelernter Fleischer, sein Vater Jäger. „Er hat früher die erlegten Tiere zerwirkt und ich stand mit meinem Taschenmesser daneben“, erzählt Steingrüber. Reh und Rotwild werden deshalb im „Harzfenster“ häufiger angeboten als Schwein oder Rind. Wer es lieber vegetarisch mag, wird im Restaurant aber ebenso fündig. Menüs können auch fleischlos zusammengestellt werden.

Einen Sechser- und sechs Vierertische bieten die Räumlichkeiten, bei deren Renovierung Steingrüber in den Monaten vor der Eröffnung im Februar natürlich kräftig selbst Hand anlegte. Derzeit wird gerade der Wintergarten neu hergerichtet. Ein bisschen mehr Platz kann nicht schaden. Von Mittwoch bis Samstag hat das Restaurant immer abends geöffnet. Die Tische waren praktisch durchgehend ausgebucht.

Küchenchef mit 21

Erlesen blasse Spezialität: Gurkensalat Macaron
Erlesen blasse Spezialität: Gurkensalat Macaron © Privat | Privat

Die Rückkehr in seine Heimat hat der Koch auch deshalb nie bereut. Ausreichend Erfahrung hatte er zuvor auf seinen zahlreichen Stationen gesammelt. Nach seiner Ausbildung in Ilsenburg im Landhaus „Zu den Rothen Forellen” unter Sternekoch Thomas Barth begab sich Steingrüber auf seine Wanderjahre. Die führten ihn 2016 nach Wolfsburg, wo er an der Seite von Sternekoch Andre Münch Souschef im Hotel „An der Wasserburg“ wurde. Im Alter von gerade einmal 21 Jahren war der Küchenchef für ein zwölfköpfiges Team, drei Restaurants und eine Kochschule verantwortlich.

Ende 2019 ging es dann noch einmal weiter weg – aber ein zusätzliches Mal in die gehobene Gastronomie. In Regensburg kochte Steingrüber an der Seite von Sternekoch Anton Schmaus als Junior-Souschef in einem Gourmet-Restaurant. Weil Schmaus zwei Jahre zuvor Chefkoch der deutschen Fußballnationalmannschaft geworden war, bekam Steingrüber interessante Einblicke in die kulinarische Welt des Leistungssports.

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Handwerkliches Multitalent

Stars aus einem anderen Bereich hatte der Koch bereits vor rund zehn Jahren an seiner damaligen Ausbildungsstätte erlebt. Als in Goslar der Kinostreifen „The Monuments Men“ gedreht wurde, blockte die Filmcrew exklusiv für sich das gesamte Landhaus „Zu den Rothen Forellen”. George Clooney war ebenso zu Gast wie Matt Damon. Und in besonderer Erinnerung ist Steingrüber Scherzkeks Bill Murray geblieben. „Wie alle anderen war auch er immer sehr locker drauf und lief in Jogginghose herum. Und einmal hat er eine Servicekraft überrascht, warf sie über seine Schulter und lief mit ihr einmal durch das Restaurant“, erinnert sich der Koch.

Läuft es in seinem „Harzfenster“ weiter so gut, könnte es sein, dass Johannes Steingrüber dort bald auch den einen oder anderen Prominenten begrüßen darf. In der Region hat sich das Lokal schon nach kurzer Zeit einen guten Namen gemacht. Den Koch freut das sehr. Doch er weiß: Nur wenn er weiter hart arbeitet, werden ihm die Gäste treu bleiben. Und natürlich packt er auch künftig immer dann an jeder Ecke im Hotel mit an, wenn es nötig ist. Handwerklich ist er eben ein Multitalent – in der Corona-Zeit jobbte er nebenbei sogar als Fensterbauer. Geht es nach dem Gastro-Profi muss sich dieses Kapitel allerdings nicht wiederholen.