Osterode. Neuer Teil unserer Serie „Umgang mit dem Tod“: Autorin Rita J. Sührig berichtet über die Arbeit von Trauerrednern.

Für viele sind Trauerrituale nach dem Tod eines geliebten Menschen von Bedeutung, um der Trauer einen Ort zu geben und das Abschied nehmen zu erleichtern.

Das sehen wir aktuell auch an Tausenden Menschen in London, die zum Teil bis zu 20 Stunden am Ufer der Themse Schlange standen, bis sie schließlich einen kurzen Augenblick vor dem in der Westminster Hall aufgebahrten Sarg der am 8. September 2022 verstorbenen Königin Elizabeth II. verharren konnten, um ihr ihre Ehrerbietung erweisen. Manche still, andere bekreuzigen sich. Wieder andere deuten einen Knicks an oder wischen sich eine Träne aus dem Gesicht. In Deutschland waren Abschiedsrituale jahrhundertelang Monopol der christlichen Kirchen. Doch hier ist ein Wandel erkennbar und das aus vielerlei Gründen.

Kirchliche Beerdigungen gehen zurück

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts Wiesbaden gab es 2019 in Deutschland 940.000 Todesfälle. Gleichzeitig gehen kirchliche Beerdigungen seit Jahren konstant zurück. 2019 waren es knapp eine halbe Million kirchlicher Bestattungen, also bei rund der Hälfte der Verstorbenen. Darum stellt sich die Frage: Was ist mit der anderen Hälfte?

Manche Menschen haben nichts mehr mit Kirche zu tun. Kirchenaustritte steigen stetig. Andere haben negative Erfahrungen mit Kirche gemacht. Oder der Verstorbene war selbst kein Kirchenmitglied oder hat sich keine Gedanken darüber gemacht, wie seine Trauerfeier einmal aussehen soll.

In jüngster Zeit macht ein noch junger Berufsstand von sich reden: Der „Trauerredner“ oder „Trauerbegleiter“. Bundesweit gibt es inzwischen eine Vielzahl von Anbietern, die im Crash-Kurs zum Ausrichter von Trauerfeiern ausbilden.

Gesunder Weg der Trauer

Trauerfeiern und Bestattungen können je nach Wunsch weltlich, also nichtreligiös, gestaltet werden. Sie können auf Wunsch aber auch religiöse Element enthalten. So gibt es in Rödermark bei Frankfurt die „Trauerredner-Akademie“ für angehende Trauerredner. Dort kann man Fertigkeiten erlernen, die man als Trauerbegleiter und Ausrichter von Trauerfeiern benötigt. Ziel der Ausbildung ist es nach eigenen Angaben der Akademie „Trauernde auf einen heilsamen und gesunden Weg der Trauer zu führen“. Im Rahmen eines würdevollen Abschieds soll den Hinterbliebenen geholfen werden, den Tod eines geliebten Menschen als Realität wahrzunehmen.

Die Akademie bietet eine ganzheitlich Ausbildung. Denn ein Trauerredner hält nicht nur eine Rede. Er begleitet die Angehörigen und entlastet sie bei der Trauerfeier ähnlich wie der Bestatter. Die Ausbildung dauert zwei Wochen. Neben Exkursen in Trauerpsychologie lernen die angehenden Trauerredner auch etwas darüber, wie sie ihren Berufsalltag organisieren und ihre Homepage gestalten können.

Kein bestimmter Bildungsgang

Grundsätzlich kann sich jeder zum Trauerredner ausbilden lassen, sich anschließend „Trauerredner“ nennen und als solcher seine Dienste anbieten. Die Ausbildung ist in Deutschland nicht standardisiert. Es gibt bislang keine bundesweit verbindlichen Ausbildungsordnungen oder zertifizierten Abschlussprüfungen, zumindest wenn man die Ordnungen des Berufsbildungsgesetzes betrachtet. Danach ist Berufsbildung in Deutschland gekennzeichnet durch geordnete Ausbildungsgänge, eine breit angelegte berufliche Grundausbildung, die Vermittlung von für die Ausübung der Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten und Kenntnissen und schließlich dem Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung. Unter der Voraussetzung dieser Kriterien erfüllen noch keine der vielen Qualifizierungsangebote zum Trauerredner diese Anforderungen einer gesetzlich geordneten Berufsausbildung.

Serie- Der Umgang mit dem Tod

In unserer Reihe zum Thema Tod beschäftigen wir uns mit den Aufgaben von Bestattern, den unterschiedlichen Beisetzungsmöglichkeiten, schauen einem Steinmetz und einer Floristin über die Schulter, befragen einen Vertreter der Stadt Osterode über Verordnungen, beleuchten protestantische, katholische und muslimische Beisetzungsriten und besuchen ein Krematorium.

Lesen Sie in der Serie bisher:

Tabuthema Tod- Was kostet eigentlich eine Bestattung?

Wer wird eigentlich Bestatter? Wie Menschen mit dem Tod arbeiten

Wie wir mit Toten umgehen, spiegelt auch unsere Kultur wider

Nachgefragt: Was machen eigentlich freie Trauerredner?

Dessen ungeachtet definiert die Bundesarbeitsagentur über ihr Portal das entsprechende Berufsprofil wie folgt: „Trauerredner und Trauerrednerinnen begleiten Hinterbliebene bei weltlichen Trauerfeiern. Sie schaffen mit den passenden Worten den Rahmen für würdevolle Beisetzungen konfessionsloser Verstorbener.“ Unter „Zugangsvoraussetzungen“ heißt es: „Ein bestimmter Bildungsgang ist nicht vorgeschrieben. Eine Aus- oder Weiterbildung im Bestattungswesen kann hilfreich sein.“

Eloquenz und Empathie

„Eloquenz, Empathie und die Bereitschaft, sich persönlich zurückzunehmen zeichnen einen guten Trauerredner aus“, so Thomas Hoffmann, Gründer und Leiter der Trauerredner-Akademie. Hoffmann ist seit 2000 freier Trauerredner für Trauerfeiern und Bestattung. Sein Credo: „So einzigartig, wie ein Mensch im Leben ist, so individuell kann sein Abschied sein.“

Zu den von ihm angebotenen Leistungen gehören das Vorgespräch. Dabei steht das Leben des Verstorbenen im Mittelpunkt. Ablauf und Inhalt der Trauerfeier werden gemeinsam mit den Angehörigen geplant. Auch die eventuell vorher geäußerten Wünsche des Verstorbenen sollen Berücksichtigung finden.

Vertrauen und Respekt

Nach dem Vorgespräch geht es an die Vorbereitung der Traueransprache und den gesamten Ablauf. Es folgt die Durchführung und Moderation der Trauerfeier und die Begleitung der Bestattung am Grab. Auch musikalische Wünsche werden berücksichtigt. Freie Trauerfeiern sind möglich für alle Bestattungsformen – wie zum Beispiel Urnenbeisetzung, Erdbestattung, Trauerfeier ohne Bestattung, Waldbestattung, Baumbestattung im Friedwald, Ruheforst.

Im Mittelpunkt soll das Leben des Verstorbenen stehen, sowie dankbare Erinnerungen an die gemeinsame Lebensreise. Was war er/sie für ein Mensch? Wofür bin ich dankbar? Was war sein/ihr besonderes Wesen? Was war ihm/ihr wichtig? Diese und andere Fragen können im Trauergespräch angesprochen werden. Eine wichtige Voraussetzung bei alledem sind auch hier Vertrauen, Respekt und Empathie. In jüngster Zeit gestalten auch Familienmitglieder die Trauerfeiern mit. Das ist natürlich eine besondere emotionale Anstrengung. Aber auch hier finden sie die nötige Unterstützung und Hilfe durch den Trauerredner.

Hilfe mit Hund

Kate Pitan ist Trauerrednerin im mittelhessischen Marburg. Sie gestaltet zwei Trauerfeiern pro Woche. „Mehr wären möglich“, erzählt sie. „aber zwei sind ausreichend.“ Zu den Trauergesprächen mit den Angehörigen nimmt sie ihren „Trosthund“ Rina, eine Pudelhündin, mit. „Rina reagiert positiv, wenn jemand weint“, erzählt Kate Pitan, „denn manche Menschen schämen sich ihrer Tränen.“

Mit ihrer Hündin hat Kate Pitan eine Therapieausbildung gemacht. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass Therapiehunde helfen können, das Stresslevel zu senken. Eine Studie der Universität Leipzig ergab, dass Hunde extrem feinfühlig sind. Pitan ist mit anderen Trauerrednern vernetzt und kann so gegebenenfalls Anfragen auch an andere delegieren. Für den einen oder anderen ist das Trauerrednerangebot vielleicht eine Alternative zum kirchlichen Bestattungsangebot. Konkrete Aussagen über Preise sind schwer erhältlich und sollten somit vorab geklärt werden.