Berlin. Wie steht es um Erdogans Gesundheit mitten im Wahlkampf? Nach Berichten über einen Herzinfarkt, hat sich nun sein Sprecher geäußert.

Kurz vor dem Live-Interview mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die Kamera auf den Reporter gerichtet. Plötzlich sind Würgegeräusche zu hören. „Oh mein Gott - Werbung“, ist der Reporter leise, aber vernehmbar zu hören. Dann wird die Werbeunterbrechung eingespielt.

Kurz darauf erscheint Erdogan auf dem Bildschirm, er sieht schwach und blass aus. Er spricht davon, dass er einen anstrengenden Wahlkampftag absolviert und außerdem eine Magen-Darm-Grippe habe. Und dann entschuldigt er sich für die Unannehmlichkeiten. „Heute werde ich mich auf Anraten unserer Ärzte zu Hause ausruhen“, so Erdogan später per Twitter.

Türkei-Wahl: Ein sichtlich geschwächter Erdogan

Doch es kommt anders. Nach dem Übelkeits-Interview am Dienstagabend, das die Sender Ulke TV und Kanal 7 gemeinsam ausstrahlen, sagt Erdogan seine Termine ab. „Mit Gottes Hilfe“, werde er am Donnerstag wieder in den Wahlkampf einsteigen, so der Präsident.

Plagt ihn nur ein Magen-Darm-Virus? Wie krank ist der 69-Jährige wirklich? Den ganzen Tag über schießen die Gerüchte ins Kraut. Hatte er einen Herzinfarkt? Wurde er vergiftet? Ist er gar im Krankenhaus? Nichts von alledem wird offiziell bestätigt. Natürlich nicht. Die Gesundheit des Präsidenten ist ein Staatsgeheimnis.

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Dafür aber gibt es Beschwichtigungen. Noch am Mittwochabend weist ein Sprecher des türkischen Präsidenten alle Spekulationen um Erdogans Gesundheitszustand zurück. Fahrettin Altun teilt Tweets, in den behauptet wurde, Erdogan habe einen Herzinfarkt erlitten. Dazu schreibt er: „Wir weisen solche unbegründeten Behauptungen bezüglich der Gesundheit des Präsidenten kategorisch zurück.“ Lesen Sie dazu auch: Türkei-Wahl: Sein Machthunger wird Erdogan zum Verhängnis

Um die Gerüchteküche abzukühlen, betont der Sprecher, der Präsident werde selbstverständlich am Donnerstag per Videoschaltung an der Eröffnung des türkischen Kernkraftwerks Akkuyu teilnehmen. Doch dass Erdogan nicht persönlich kommt, sondern „nur Online beiwohnt“, wie der stellvertretende Vorsitzende der regierenden AKP, Erkan Kandemir, erklärt, gab den Spekulationen neue Nahrung. Und auch der Zeitpunkt der Zeremonie, zu dem die Präsidenten zugeschaltet werden sollten, verzögert sich von Stunde zu Stunde.

Als Erdogan dann endlich zugeschaltet wurde, wirkte er blass und etwas müde. „Unser Land ist in die Liga der Nationen mit Atomkraft aufgestiegen, wenn auch mit 60-jähriger Verspätung“, sagte er.

Türkei-Wahl: Kraftwerk-Einweihung noch in dieser Woche

Auch der Zeitpunkt der Zeremonie, zu dem Erdogan und der russische Präsident Wladimir Putin zugeschaltet werden sollten, verzögert sich von Stunde zu Stunde. Als Erdogan dann endlich auf dem Bildschirm erscheint wird, wirkt er blass und etwas müde.

Die Einweihung des ersten Atomkraftwerks des Landes war als wichtigster Wahlkampfauftritt Erdogans in dieser Woche geplant. Ursprünglich gab es sogar Überlegungen, dass Putin persönlich anreisen könnte. Das Kernkraftwerk Akkuyu im Süden der Türkei wurde von einer Tochterfirma des staatlichen russischen Atomunternehmens Rosatom gebaut.

Doch seit Russlands Angriff auf die Ukraine sind seine Auslandsausflüge seltener geworden. Man entschied sich für eine Videobotschaft aus der Ferne, was seine Rolle bei diesem Projekt zu klein erscheinen lässt.

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Türkei: Kraftwerk soll bei Wahlkampf helfen

Erdogan setzte alles daran, dass er das Kraftwerk noch vor den Wahlen am 14. Mai in Betrieb geht. Mit der Eröffnungszeremonie und dem Einsetzen der Brennstäbe sollten medienwirksam Bilder produziert werden, die ihm im Wahlkampf nützlich sein sollten.

Der Bau des Kraftwerks war auch im Land umstritten, nicht nur, weil es in einem Gebiet steht, in dem Erdbeben möglich sind. Das Nato-Mitglied Türkei hatte sich Hilfe und Knowhow aus Russland geholt, die auch nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine anhält. Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass schreibt, kommen nicht nur die Brennstoffe aus Russland, auch die Ausbildung der Fachkräfte habe dort stattgefunden.

Der Meiler soll künftig etwa zehn Prozent des türkischen Strombedarfs decken und helfen, Erdgas einzusparen, das dann für viel Geld exportiert werden soll. Milliarden, die die Türkei dringend braucht. Die anhaltende Inflation treibt immer mehr Menschen in die Armut und erfasst inzwischen auch große Teile der Mittelschicht. Die staatlich kontrollierte Statistikbehörde Türkstat bezifferte die Teuerung im Februar auf 55 Prozent, regierungsunabhängige Schätzungen gehen von mehr als doppelt so hohen Werten aus.

Erdogan: Erdbeben in der Türkei sorgt für Imageschaden

Auch das chaotische Krisenmanagement nach dem verheerenden Erdbeben von Anfang Februar, bei dem mehr als 50.000 Menschen ums Leben kamen, haben Erdogans Image als starker Mann und Macher schwer beschädigt.

Deshalb hat er reichlich Wahlkampfgeschenke verteilt, will den Mindestlohn weiter anheben, Stromtarife um 15 Prozent senken, Erdgas billiger machen. Besonders gefreut hat viele Türkinnen und Türken die Abschaffung des Renten-Mindestalters. Nun ist Rente bereits mit Anfang 40 möglich.

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Türkei-Wahl: Umfragen zeigen Beliebtheit von Kilicdaroglu

Der Druck auf Erdogan wächst von Tag zu Tag. Der Wahlkampf für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai, ist in seiner heißen Phase. Und auch 2018 schwächelte er in der letzten Wahlkampfphase, schleppte eine Erkältung mit sich herum und brachte am Ende kaum noch ein Wort heraus. Aber er gewann.

Bisher hat der 69-Jährige noch keine Wahl verloren. Nach 20 Jahren an der Spitze des Landes könnte das diesmal aber anders sein. Umfragen zufolge hat Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu gute Chancen, an die Macht zu kommen. Er wünschte Erdogan noch am Dienstagabend, gleich nach dem Fernsehauftritt, via Twitter „gute Besserung“. Kommen weder Erdogan noch Kilicdaroglu über die nötige 50 Prozent, ist eine Stichwahl am 28. Mai fällig.

Mehr zum Thema: Kilicdaroglu: „Türkischer Gandhi“ könnte Erdogan entmachten

In Deutschland hat die Wahl bereits begonnen. Etwa 3,4 Millionen Türkinnen und Türken, die im 73 Ländern leben, sind stimmberechtigt. In Deutschland dürfen etwa 1,5 Millionen bis zum 9. Mai in 26 türkischen Auslandsvertretungen wählen gehen. Bei der letzten Wahl 2018 machte mehr als die Hälfte davon Gebrauch und stimmte für Erdogan.

Der amtierende Präsident hat in Deutschland viele Unterstützer. 2018 bekam er hier prozentual deutlich mehr Stimmen als in der Türkei selbst. Bei vielen wird seine Erkrankung nicht als Zeichen von Schwäche gesehen, sondern zeige seinen unermüdlichen Einsatz für sein Land – das weit über die Erschöpfungsgrenze hinaus gehe.