Unter wie um die Ferieninsel Santorin brodelt es. Geophysiker Hübscher verrät die Warnhinweise für Vulkanausbrüche – und bleibt cool.
- Die griechische Ferieninsel Santorin wird im Sommer stark besucht
- Der Andrang ist in der Hochsaison so groß, dass man sogar für den Sonnenuntergang anstehen muss
- Dabei ist es eigentlich noch viel interessanter, was sich unter Wasser abspielt
Berlin. Über Santorin häufen sich die Alarmmeldungen. Seit britische Vulkanologen im Frühjahr beunruhigende Forschungsergebnisse veröffentlichten und sogar ein Zeitfenster – 150 Jahre – für einen Vulkanausbruch nannten, sehen viele die griechische Inselgruppe in Gefahr. Wann erwacht der Vulkan? Lässt sich das vorhersagen? Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.
Christian Hübscher (61) ist Professor am Institut für Geophysik der Universität Hamburg und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Santorini, wie die Kykladeninseln in Griechenland auch genannt werden. Wir wollten von ihm wissen, ob er ein Haus auf der Ferieninsel verkaufen würde.
Herr Hübscher, Türkei, Syrien, Marokko, Italien – die Erdbeben in der Mittelmeerregion häufen sich in diesem Jahr. Können Vulkanausbrüche durch Erdbeben ausgelöst werden? Oder ist es eher umgekehrt?
Christian Hübscher: Das hängt davon ab, was ein Erdbeben hervorgerufen hat. Sie entstehen erst mal durch Plattenverschiebungen. Es gibt eine Zone seismischer Unruhe, die von den Azoren bis Jordanien reicht, weil zwei Kontinentalplatten aufeinanderstoßen, die afrikanische und die eurasische. Gerade in der Ägäis ist das ein sehr komplexer Prozess. Wir haben hier die afrikanische Platte, die vom Süden her drückt. Magma steigt auf. Die Frage ist, wo es hochkommen wird.
Wo Spannungen entstehen, letztlich Erdbeben, bilden sich Risse. Durch die bahnt sich das Magma einen Weg nach oben. Es gibt aber auch ein anderes Phänomen: dass sich eine Kammer immer stärker mit Magma füllt und der Druck immer größer wird. Dann entstehen Kräfte, und auch die können wiederum Erdbeben auslösen. Seismologen können beide Arten von Erdbeben genau voneinander unterscheiden.
Santorin: Wichtigen Fakten und Daten | |
Anzahl der Inseln | 5 |
Hauptinsel | Thira |
Fläche | 92,5 Quadratkilometer |
Einwohner (2011) | 15.500 |
Santorin ist im Grunde der Krater eines Vulkans. Unter der Insel liegt eine aktive Magmakammer in 3000 bis 4000 Meter Tiefe, sieben Kilometer davon entfernt „brodelt“ die nächste Kammer: der Unterwasservulkan Kolumbos. Wie akut, wie aktuell sind die Warnungen vor einem Ausbruch?
Hübscher: In beiden Vulkanen gibt es mal aktivere und mal ruhigere Phasen. Im Moment haben wir eine aktivere Phase. Es ist eine sehr dynamische Region. Wir nennen sie den ägäischen Feuerring.

Können Sie näher eingrenzen, wann es zu einem größeren Ausbruch kommen könnte?
Hübscher: Bis heute gibt es keine soliden Vorhersagen darüber, wann ein Vulkan ausbrechen wird. Die werden wir auch so schnell nicht kriegen.
Eine Studie des Geophysikers Kajetan Chrapkiewicz vom Imperial College grenzt es immerhin auf ein Zeitfenster von 150 Jahren ein.
Hübscher: Es ist ein gefährlicher Vulkan. Wenn der mal ausbricht und einen Tsunami auslöst, wäre das desaströs. Es leben Tausende Menschen auf der Insel, dazu kommen jedes Jahr über eine Million Urlauber. Die Zahl „150 Jahre“ ist dramatisch und verkauft sich gut …
... buchstäblich, wenn man an Forschungsgelder denkt.
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Hübscher: Ganz genau. Aber die Zahl ist in der Wissenschaft nicht konsensfähig. Ich halte sie für Alarmismus. Gemeinsam mit griechischen Kolleginnen und Kollegen planen wir gerade ein großes Programm zum Monitoring von Kolumbos. Daran sehen Sie, dass wir die verstärkten Aktivitäten ernst nehmen. Kolumbos ist fünfmal ausgebrochen – allerdings innerhalb von mehreren Hunderttausend Jahren. Der letzte große Ausbruch war 1650. Damals hat er eine Menge Stress oder Druck abgebaut. Es ist beruhigend zu wissen, dass zwischen solchen großen Ausbrüchen oft sehr große Zeiträume liegen.
Die größten Vulkanausbrüche seit dem 19. Jahrhundert
Wenn Vorhersagen ein Ding der Unmöglichkeit sind: Gibt es wenigstens Warnhinweise?
Hübscher: Die gibt es durchaus. Das Füllen von Magmakammern verursacht eine bestimmte Art von Erdbeben. Man kann auch schauen, ob und wie stark Gase und Flüssigkeiten austreten, sogenannte Fluide. Diese Blasenentwicklung kann man beobachten und deuten. Auch kann sich der Meeresboden oberhalb der Magmakammern aufwölben. Trotzdem käme eine konkrete Jahreszahl mir nie über die Lippen.
Warum?
Hübscher: Noch mal: Man kann einen Ausbruch nicht exakt voraussagen. Wenn es passiert, wird es uns doch alle überraschen.
Würden Sie wegen der Vulkangefahr ein Haus auf Santorin verkaufen?
Hübscher: Nein, natürlich nicht. Ich kenne auch niemanden, der das jetzt tun würde.
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