Osterode. Wir haben bei den Parteien im Wahlkreis Göttingen/Harz nachgefragt: Wie schlimm war der Vandalismus in diesem Wahlkampf? Wen es besonders schlimm traf

Am Sonntag endet der Wahlkampf mit der Wahl des neuen Niedersächsischen Landtages. Dabei waren verbale Entgleisungen oder scharfe Wahlkampftöne in dieser Saison kaum zu vernehmen. Das mag mitunter an der gemeinsamen Regierungszeit der Kontrahenten SPD und CDU gelegen haben. Vielleicht auch an den bundespolitischen Themen. Krieg, Inflation und Energiekrise haben den Wahlkampf thematisch bestimmt. Nicht zuletzt weil sich an ihnen viel Emotion entlädt. Das wiederum haben die Parteien in der Öffentlichkeit bisweilen zu spüren bekommen: Manche mehr als andere.

Das Bemalen von Plakaten gehört wahrscheinlich ein Stück weit zum Prozedere. Dabei ist formaljuristisch klar: Wahlplakate beschmieren oder beschädigen ist Sachbeschädigung. Plakate zu entwenden ist Diebstahl. Menschen darauf zu verunglimpfen kann als Beleidigung gewertet und bestraft werden.

Alles im Rahmen bei den Volksparteien

Wir haben bei den Parteien nachgefragt. Ruhig war es aus Sicht der SPD. Kerstin Jordan führt das Stadtbüro der Sozialdemokratinnen und -demokraten in Osterode. Sie sagt: „Im Wahlkreis 12 von Alexander Saade kam es zu vereinzelten Sachbeschädigungen, denen wir aber grundsätzlich keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben.“

Alles ruhig also? Vereinzelt habe es in den sozialen Netzwerken Feindseligkeiten gegenüber dem Kandidaten gegeben. Und ein Schaukasten in der Berliner Straße sei mit einem selbstgedruckten Poster beklebt worden. Der sinngemäße Vorwurf darauf: Olaf Scholz feiert mit Christian Lindner eine rauschende Hochzeit, während das Volk in der Krise die Rüben vom Acker fressen muss. Das Urteil: „Volksverräter!“. Laut Kerstin Jordan hat die SPD Strafanzeige gestellt.

Bei der CDU hingegen war das Ausmaß des Vandalismus größer, wenn auch immer noch im überschaubaren Maß. Kreisgeschäftsführer Jan-Steffen Wedemeier sieht den Wahlkampf generell im Rahmen der üblichen Beschädigungen anderer Wahlkämpfe. In Clausthal-Zellerfeld seien einmalig sämtliche Bauzäune des Kandidaten Stefan Henkel beschmiert worden. Vereinzelt seien mutwillig herbeigeführte Deformierungen an Plakatzäunen aufgetreten. Im Wahlkreis 14 (Duderstadt) wurde ein Plakat des dortigen Landtagskandidaten wie schon bei der SPD mit „Volksverräter“ beschrieben.

Die CDU wolle mit allen Fällen sensibilisiert umgehen, so Wedemeier: „Der Wert der Plakate ist unerheblich, aber die Symbolik des Beschmierens untergräbt ganz klar unsere Rechtsstaatlichkeit.“ In den durch die CDU genannten Fällen sei es aber nicht zu Anzeigen gekommen, da die Beschädigungen nur geringen Ausmaßes gewesen seien.

FDP und AfD schweigen sich aus

Ali Abo Hamoud, Kandidat der FDP, veröffentlichte auf seinem Instagram Kanal ein Bild aus dem Wahlkreis, auf das jemand „Allah akbar!“ (sic) geschrieben hat. „Kein Kommentar“, schrieb er dazu. Seine Partei hat unsere Anfrage, ob im Wahlkampf noch mehr solcher Fälle aufgetreten sind, bisher unbeantwortet gelassen.

Auch die AfD hat sich bis zum Redaktionsschluss nicht zurückgemeldet. Zumindest auf Landesebene sei es aber zu zahlreichen Fällen von Beschädigung und Diebstahl in diesem Wahlkampf gekommen, meldete die AfD der dpa vergangene Woche.

Mehr Grund zum Klagen gibt es bei den Linken: „Im Wahlkreis 12 Göttingen/Harz sind uns tatsächlich zahlreiche Wahlplakate abhanden gekommen, gezählt haben wir im Altkreis Osterode 67. Circa 80 Prozent davon in der Samtgemeinde Hattorf“, teilt uns Dietmar Reitemeyer vom Kreissprecher*innenrat der Partei mit. Aggressives auftreten gegenüber seiner Partei sei aber gelegentlich an Infoständen wahrzunehmen. Häufiger als früher, wie Reitemeyer in einer E-Mail schreibt. Die negativen Reaktionen würden allerdings häufig alle Parteien treffen, nicht nur die Linken vereinzelt.

Hass auf die Grünen

Dik-Claas Ulrich, von den Grünen in Göttingen: „Eine Form der Unmutsäußerung, die nicht mehr demokratisch ist.“
Dik-Claas Ulrich, von den Grünen in Göttingen: „Eine Form der Unmutsäußerung, die nicht mehr demokratisch ist.“ © Grüne Göttingen

Ein gänzliches anderes Bild ergibt sich allerdings bei den Grünen. Kreissprecher Dirk-Claas Ulrich schilderte uns die Lage im Harz-Wahlkreis und darüber hinaus: „An 23 Standorten gab es beschmierte Großflächenplakate, das sind etwa 50 Prozent aller Standorte.“ Dabei habe es zusätzlich über ein Dutzend Sachbeschädigungen gegeben. Im Altkreis Osterode sei es sogar besonders schlimm gewesen: Die Hälfte aller Plakate sei hier abgerissen worden.

Ein Bild dass sich wohl nach ganz Niedersachsen fortsetze ließe. Die Landesgeschäftsstelle in Hannover habe Ulrich gegenüber mitgeteilt, dass beinahe alle bestellten Reserveplakate aufgebraucht seien. Ein Zustand, den Ulrich so noch nicht erlebt habe. In zwei Fällen habe die Partei Anzeige gestellt. Bei Adelebsen sei eine Plakatfläche mit den Spitzenkandidaten Christian Meyer und Julia Willie Hamburg mit einem Fadenkreuz und den Worten „schlagt sie tot“ versehen worden. Für Ulrich eine klare Grenzüberschreitung: „Das ist eine Form der Unmutsäußerung, die nicht mehr demokratisch ist.“

Erst diese Wochen war eine handschriftliche Morddrohung mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund eingegangen. Eine Wahlkampfveranstaltung in Göttingen mit der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang war von Sprechchören und Pfiffen gestört worden.