Walkenried. Die Sänger präsentierten im Rahmen der Walkenrieder Kreuzgangkonzerte sakrale Werke von bekannten Schöpfern wie Dmitri Brotnjanski.

Sie waren gekommen, um mit Klischees zu arbeiten. Weil die Sängerinnen und Sänger des Kathedralchors Moskau diese Aufgabe bei ihrem Auftritt im Kloster bestens erledigten, wurden sie mit donnernden Applaus belohnt.

Den Russen und ihrer Musik sagt man einen ausgeprägten Hang zu Sentimentalität und Sehnsucht nach. In der Volksmusik ist dies sicherlich die Antwort auf eine wenig erquickende Realität. Die sakrale Musik ist hingegen geprägt von einer Innerlichkeit, die sich an der Grenze zur Mystik bewegt. Diese paart sich aber auch mit überbordender Freude. Das machten das Ensemble und ihr Leiter Nikolai Azarow deutlich.

Die ersten beiden Lieder von Dmitri Brotnjanski gehören eindeutig in die zweite Kategorie. Der Gesang setzt ein wie eine Sturmflut und spült die Freude bis in die letzte Ecke des verwinkelten Konzertsaals. Das ist Freude pur. Auf dem gleichmäßigen Grund der immer wiederkehrenden Zeilen setzt erst der Tenor zu einem Solo an, dann folgt ihm der Bass.

Das Ensemble deklariert sich als Hochschulchor und seine Mitglieder als Studenten und Studentinnen.

Aber diese jungen Stimmen zeigen ihr großes Potential auf den ersten Ton. Seine Konzerte füllen ansonsten die großen Häuser in München und in Hamburg.

Nun betreten auch die Sängerinnen die Bühne und es folgt ein Stimmungswechsel. Das „Gott mit uns“ von Vassili Sinowjew zelebriert die Innerlichkeit geradezu. Auf dem getragenen Grund der Tutti setzt der Alt zu einem Solo an. Dann treten Solistin und Chor in einen Dialog. Das Werk greift Elemente der Gregorianik auf und das Publikum erkennt, dass es genau diese Art von Musik ist, für den dieser Kreuzgang gebaut wurde. Die Musik entrückt die Zuhörer von dieser Welt und trägt sie federleicht in die gotischen Bögen empor.

Ganz entspannt kommt das „Troparion zur Geburt Jesu Christi“ von Wladimir Beljaew daher. Das Volumen geht zurück und der Chor zeigt eine neue Seite. Weihnachten geht also auch anders. die drei Lieder aus dem Opus 37 von Sergej Rachmaninow bleiben in diesem Duktus. Dem Chor gelingen die vielen Wechsel zwischen Zurückhaltung und Freude, zwischen leise und laut ohne Bruch.

Das liegt auch am Dirigat von Nikolai Azarow. Der Professor der Moskauer Chorschule setzt auf reduzierte aber präzise und fordernde Leitung. Damit bleibt er im Hintergrund. Chor und Musik können sich entfalten und wirken.

Höhepunkt im sakralen Teil des Abends ist aber die „Mutter Gottes“ von Pavel Tschesnokow. Ein voller Sopran ohne Spitzen und sauber bis in die höchsten Höhen, eine Stimme an der Grenze zur Göttlichkeit, tritt ein in das Wechselspiel zwischen Chor und Solistin. Das ist weltentrückt kombiniert mit stiller Freude. Es bleibt zu hoffen, dass man von der jungen Dame noch vieles hören wird.

Mit viel Applaus geht es in die Pause. Der zweite Teil zeigt das andere Gesicht der viel strapazierten russischen Seele. Die Lebensfreude bricht sich in der Volksmusik ihre Bahn. Da ist mancher Mitteleuropäer durchaus überfordert. Das Weihnachtspotpourri ist musikalisch überzuckert wie eine russische Süßspeise. Aber so ist das nun mal. Mystik, Innerlichkeit und Freude. Drei Pole treffen sich an diesem Abend in diesem Konzert. Das macht die Veranstaltung zur bewegenden Veranstaltung.