Osterode. Auf Einladung der Jazzfreunde Osterode spielte das Trio „Wildes Holz“ in der Schlosskirche.

Mitklatschen und mitsingen gibt es in der Kirche häufiger. Aber dass auf den harten Kirchenbänken auch noch geschunkelt wird, das schaffen nur Wildes Holz. Das Trio war bei den Jazzfreunden Osterode zu Gast und hinterließ in der Schlosskirche ein begeistertes Publikum.

Seit mehr als 20 Jahren dekonstruieren Tobias Reisige und Markus Conrads bekanntes Liedmaterial und bauen es wieder zusammen. Es ist musikalisches Tuning, denn die Songs gewinnen deutlich an Geschwindigkeit. „Alle Jahre wilder“ lautet der Titel ihrer aktuellen Weihnachtstour und es besteht aus bekannten Weihnachtsliedern. Doch der Titel stimmt nur zu 75 Prozent. Das letzte Viertel des Programms ist doch ruhig und besinnlich. Mit „Ihr Kinderlein kommet“ in einer Swing-Version geht es gleich im hohen Tempo los. Jeder der drei Musiker darf zeigen, was er so solistisch kann. Tobias Reisige beweist gleich, dass die Blockflöte eben kein adventlicher Tinnitus-Simulator ist. Sein Spiel ist rasant, doch setzt er jeden Ton exakt und ein paar erfindet er auch noch dazu.

So geht es auch mit „Kommet ihr Hirten“ weiter. Verantwortlich für das neue, heitere Gesicht von Wildes Holz ist Djamel Laroussi. Sein Gitarrenspiel ist leichtfüßig und verbreitet die entspannte Heiterkeit des Gipsy-Swings. Damit hat er die Ausdrucksmöglichkeiten des Trios erheblich erweitert und dem Klang eine ungewohnte Note hinzugefügt.

Tobias Reisige zieht dann die Notbremse. Bevor die Stimmung in der gut gefüllten Schlosskirche durch die Decke geht, spielt das Trio einen Song ihres ehemaligen Gitarristen. „Auf dem absteigenden Ast“ des früh verstorbenen Anto Karaulo ist eher introvertiert und nimmt das Tempo deutlich heraus. Doch die Atempause ist recht kurz und die Geschwindigkeit steigert sich immer weiter.

Es ist schon erstaunlich, dass Markus Conrads bei diesem Tempo immer noch die Saiten sauber zupfen kann. Um das Instrument in der Spur zu halten, wandelt er seinen Bass auch mal in eine Bass Drum um und treibt seine Mitspieler mit einem deutlichen Rhythmus vor sich her. Hier im Dreieck von Klassik, Jazz und Rock klatscht das Publikum begeistert mit.

Das erste Set gipfelt im Moretti-Swing, der in den letzten vier Jahren so etwas wie die Hymne von Wildes Holz geworden ist. Schon zur Pause gibt es donnernden Applaus.

Der zweite Teil ist deutlich ruhiger. Djamel Laroussi erzählt, wie ihm sein Onkel mit Weihnachten bekannt gemacht hat und wie schwierig es war, in Algerien eine Gitarre zu bekommen. Es ist still in der Kirche. Dann setzt er mit „Nounou“ seinem Onkel ein Denkmal. Ohne ihn wäre Djamel nie zur Musik gekommen, so viel ist klar.

Wildes Holz ist die Band für die ungewohnten Kombinationen. Der „Little Drummer Boy“ trifft an diesem Abend von „Kashmir“ von Led Zeppelin, musikalischer Schmelz auf harte Bass-Riffs. Es funktioniert bestens. Später wird die Maria, die durch einen Dornenwald geht, von Nirvanas „Come as you are“ begleitet. Auf diese Idee muss man erst mal kommen, aber die Kombination funktioniert: Christliche Mystik trifft auf Grunge.

Mit „A Peregrinação“ von Paulinho da Viola beweisen Wildes Holz, dass auch Musik aus Brasilien innerlich und verträumt sein kann. Das Publikum lauscht andächtig und versunken und es ist vielleicht der schönste Augenblick an diesem Abend.

Es geht mit Höchstgeschwindigkeit auf die Zielgerade. Tobias Reisige erklimmt bei seinem nächsten Solo die Kanzel. Bei der einkalkulierten Zugabe „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ greift Markus Conrads zur singenden Säge und das Publikum summt mit. Reisige hat Recht, danach kann wirklich nichts mehr kommen.