Herzberg. Hochkarätiger Organist begeistert kleines Publikum mit Frühfassungen der Leipziger Choräle. Sonntag Abschlusskonzert des Herzberger Orgelsommers.

Einen „der ganz großen Organisten in Europa“ und „ein besonderes Programm“ kündigte Kreiskantor Jörg Ehrenfeuchter dem Publikum in der Nicolaikirche am Mittwochabend an: Professor Pieter van Dijk setzte sich an die Manuale der Engelhardt-Orgel und spielt Leipziger Choräle von Bach in frühen Fassungen.

Der Niederländer ist Organist der Grote Sint Laurenskerk in Alkmaar und hat als Gastprofessor unter anderem in Oxford und Cambridge gelehrt, hat internationale Preise für sein Spiel gewonnen und gab unter anderem Konzert in den USA und Japan. Der vorletzte Konzertabend des diesjährigen Orgelsommers war somit hochkarätig besetzt – stieß aber bedauerlicherweise auf keine große Resonanz. Unbeachtet der leeren Sitzreihen bot Van Dijk dem kleinen Kreis von Orgelmusikfreunden aber ein beeindruckendes, gut anderthalbstündiges Spiel.

Er hatte zehn der insgesamt „Achtzehn Choräle von verschiedener Art“ von Bach im Programm, wobei er vier in unterschiedlichen Variationen präsentierte. „Ich spiele Frühfassungen, die sind etwas anders“, sagte der Organist. Das Interessante an diesen Chorälen, auch Leipziger Choräle genannt, ist laut Van Dijk, dass sie eigentlich größtenteils in Bachs Zeit am Weimarer Hof entstanden seien, also in jüngeren Jahren, der Meister sie aber in seinen letzten Lebensjahren neu zusammengestellt und überarbeitet hat. Die Taktangabe bei den früheren Varianten, die er im Programm habe, sei zumeist „alle breve“, erläuterte Van Dijk: „Als junger Mann wollte Bach sie schneller spielen.“

Er werde die in der Nicolaikirche präsentierten Stücke im November in Norwegen aufnehmen, und zwar an der Wagner-Orgel im Nidarosdom in Trondheim, und wolle vorher noch ausprobieren, wie sie klingen.

„In dem Zyklus zeigt sich die hohe Qualität Bachscher Kompositionskunst. Jede einzelne Choralbearbeitung ist ein Meisterwerk. Die Engelhardt-Orgel wird die Vielseitigkeit der Kompositionen durch die vielen verschiedenen Farben unterstreichen“, hatte Ehrenfeuchter in der Ankündigung geworben. Vom besonderen Klang des Herzberger Instruments schwärmte auch der Niederländer: „Sie hat unglaublich viele Farben, auch dunkle“, sagt er. Ihr großer klanglicher Reichtum mache sie gerade für ältere Musikstücke gut geeignet.

Van Dijk kannte die Engelhardt-Orgel bereits von zwei früheren Konzerten. „Ein fantastisches Instrument“, stellte er fest. Man müsse sich darauf einspielen, doch dann sei sie sehr angenehm zu bedienen. Im Vergleich zu den wesentlich älteren Orgeln in der Laurenskerk – die große Van Hagerbeer/Schnitger-Orgel wurde 1646 fertiggestellt, die kleinere Van Covelens-Orgel stammt sogar aus dem Jahr 1511 –, bei denen der Akzent auf der Brillianz liege, also dem Anteil der Obertöne am Gesamtspektrum, sei die Herzberger Orgel, erbaut 1843-45, durch ihr Grundtonregister gekennzeichnet. „Es gibt hier bloß vier Zungenstimmen, sonst nur Trompeten. Bei mir in Alkmaar sind es 13 Zungenstimmen“, erläuterte er.

Abschlusskonzert des Herzberger Orgelsommers am Sonntag

Der Herzberger Orgelsommer endet am kommenden Sonntag, 29. September, mit dem Abschlusskonzert ab 18 Uhr bei dem Kantorin Dorothea Peppler und Kreiskantor Ehrenfeuchter gemeinsam auftreten werden. Das Konzert findet in der Winterkirche der Nicolaikirche statt. Für Cembalo und Orgel werden das Doppel-Cembalokonzert C-Dur BWV 1061 von Johann Sebastian Bach, Duette von dessen Sohn Carl Philipp Emanuel Bach und eine Suite von Georg Friedrich Händel erklingen. Neben diesen beeindruckenden Kompositionen aus dem Spätbarock werden an der Kirchsaalorgel vierhändig aus der Klassik von Wolfgang Amadeus Mozart eine virtuose Kirchensonate und aus der englischen Romantik von Samuel Wesley zwei Duette zu hören sein. Aus dem italienischen Spätbarock werden die beim Publikum allgemein nach wie vor äußerst beliebten Werke Sonate F-Dur von Gaetano Piazza und Concerto B-Dur von Giovanni Bernardo Lucchinetti für zwei Orgeln aufgeführt. Dazu erklingt das populäre Concerto Nr.1 in B-Dur des frühklassischen spanischen Komponisten Josef Blanco. Den Reigen an buntem Programm schließt ein Präludium mit Fuge in C-Dur des niederösterreichischen Komponisten Johann Albrechtsberger ab.

„Das bunt gemischte und farbenreiche Programm lässt einen besonderen und unterhaltsamen Konzertabend erwarten“, verspricht Ehrenfeuchter. „Die selten in unserer Region gehörte Doppel-Besetzung Cembalo und Orgel entfaltet in dem eher familiären Rahmen der Winterkirche einen ganz besonderen Charme.“ In dem Konzert am Sonntag erklingen Truhen- und Winterkirchenorgel auch in direktem Wechsel miteinander an verschiedenen Orten im Raum aufgestellt. Das reizvolle und vielseitige Programm von Barock bis Romantik sei ein spannender und hörenswerter Abschluss des diesjährigen Orgelsommers.

Nach einer vielversprechenden und gut besuchten Eröffnung des Orgelsommers durch die Herzberg Kantorei, bei der das 40-jährige Jubiläum des Chores gefeiert wurde, lockten die Orgelkonzerten vorwiegend die eingefleischten Orgelfreunde in die Nicolaikirche, zieht der Kreiskantor Bilanz. Die beeindruckenden Orgelkonzerte, die hochwertige und berührende Kammermusik sowie die festliche Chormusik hätten das Publikum begeistert.

Karten zu dem Abschlusskonzert können am Sonntag ab 17 Uhr an der Abendkasse erworben werden.