Washington. Nach dem Vergewaltigungsprozess um E.J. Carroll mehren sich bei den Republikanern Zweifel an der Wählbarkeit des Ex-US-Präsidenten.

Fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung des Opfers: Für jeden gewöhnlichen Politiker auch in Amerika wäre mit großer Wahrscheinlichkeit spätestens jetzt der Moment gekommen, an dem Ambitionen beerdigt werden müssen und Rücktritte fällig werden.

Bei Donald Trump kann man sich leider nicht sicher sein, ob der jüngste juristische Schlag in die Magengrube den absurden Aufwärtstrend nicht noch zusätzlich verstärkt, in dem sich Ex-Präsident befindet, der in zwei Jahren für die Republikaner wieder ins Weiße Haus einziehen will. Vor allem, um sich zu rächen an einem Amerika, das ihm 2020 aus seiner Sicht majestätsbeleidigend einen Wahlsieg gegen Joe Biden nicht zugestehen wollte.

Schon nach der strafrechtlichen Anklage wegen vertuschter und falsch abgerechneter Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar Anfang April gingen Trumps Umfragenwerte nicht in den Keller. Im Gegenteil. Millionen Klein-Spender stimmten mit der Geldbörse ab und füllten dem reichen Autokraten, der jeden Tag via E-Mail um Dollars bettelt, die Konten.

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent © Privat | Hamburger

Donald Trumps Strategie geht auf

Während Amtsinhaber Joe Biden in der Gunst des Wahlvolks trotz den Umständen entsprechend guter und zukunftsweisender Arbeit beständig an Boden verliert, ist Donald Trump im Moment obenauf. Seine Strategie, alle Aktivitäten der Justiz gegen ihn als politisches Strafkommando finsterer Demokraten erscheinen zu lassen, ging bisher einigermaßen auf.

Der Ausgang des Prozesses, den E.J. Carroll bravourös durchgefochten hat und der Trump zum ersten Mal tatsächlich für Missetaten zur Verantwortung zieht, wird diese Konstellation ad hoc nicht fundamental ändern.

Aber die nächsten Wochen werden zeigen, ob der semi-kriminelle Ex-Präsident weiter den stabilen Rückhalt von Millionen hat. Und ob sich das republikanische Establishment weiter feige auf die Zunge beißt. Und ob die Meinungsforschung vielleicht doch nur eine Schein-Welt abbildet, während dahinter die Absatzbewegungen und Zweifel an dem ausschließlich an sich selbst interessierten Rechtspopulisten immer massiver werden.

Republikaner: Trumps Name ist mit Niederlagen verbunden

Republikanische Mandatsträger wissen intuitiv seit Langem, dass man mit Trump keinen Blumentopf mehr gewinnen kann. Abseits seines überraschenden Sieges 2016 gegen Hillary Clinton ist der Name Trump bis heute fast durchgängig mit folgenreichen Niederlagen für die “Grand Old Party” verbunden. Wer aber wie Trump nur eine Minderheit des Wahlvolks beeindruckt, während die Mehrheit sich mit Grausen abwendet, kann ernsthaft kein Kandidat für das ganze Amerika sein.

Wer 2024 das “ewig grüßende Murmeltier” vermeiden will, muss also dafür Sorge tragen, dass Trump bei den noch mit Argumenten von Vernunft bis Anstand erreichbaren Wählerschichten rechts der Mitte endgültig zur persona non grata wird. Eine Stimme für Trump, das muss die Leitlinie sein, ist eine verlorene Stimme im Kampf um das Weiße Haus.

Erste Indizien für einen Trump-Blues gibt es. John Cornyn, konservativer Senator aus Texas, sagt schlicht: “Ich glaube nicht, dass Trump gewählt würde.” Bob Good, rechtsextremer Kongress-Abgeordneter aus Virginia und bis dato treuer Trump-Anhänger, hat sich kurz nach dem Urteil im Fall E.J. Carroll demonstrativ für Florida-Gouverneur Ron DeSantis als Präsidentschaftskandidat ausgesprochen. Asa Hutchinson, einst Gouverneur im konservativen Arkansas und wie Trump ebenfalls Präsidentschaftskandidat, sieht im Urteil der Geschworenen “ein weiteres Beispiel für unverzeihliches Benehmen von Donald Trump”.

Weitere Justiz-Verfahren - seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol 2021, seine Versuche, die Wahlergebnisse von 2020 in Georgia nachträglich zu seinen Gunsten frisieren zu lassen und der Diebstahl von sensiblen Staatsgeheimnissen - können in den nächsten Monaten zusammen eine so kritische Masse ergeben, dass Trump einfach als zu toxisch erscheint, um weiter Kandidat für das höchste Staatsamt zu bleiben.

Alle Trump-Widersacher im Rennen um die Kandidatur sind bis zu den Vorwahlen im kommenden Jahr gleichwohl per Definition zum Tanz auf dem Hochseil verdammt. Sie müssen sich von Trump inhaltlich und stilistisch eindeutig abgrenzen. Ohne dabei aber dessen Wählerinnen und Wähler vor den Kopf zu stoßen. Ob das gelingen kann, wird schon bald der aussichtsreichste Rivale, Ron DeSantis, zeigen.

Urteil gegen Trump: Zeichen der Hoffnung

Das Urteil von New York weist aber weit über den armseligen Milliardär hinaus. Mit E.J. Carroll hat eine alte Frau Jahrzehnte nach erlittenem Übergriff so etwas eine partielle Wiedergutmachung erfahren. Der Autorin ging es nie ums Geld. Dass Donald Trump sie von der ersten Stunde an als Lügnerin abkanzelte, war für die 79-Jährige wie ein zweiter Missbrauch. Ihr alles andere als selbstverständlicher Erfolg ist ein Zeichen der Hoffnung für viele Leidensgenossinnen, denen nicht geglaubt wurde.

Einem Berufungsverfahren, wie Trump es erwartungsgemäß angekündigt hat, werden übrigens selbst von ihm nahestehenden Rechts-Experten wie Prof. Jonathan Turley kaum Chancen eingeräumt. Das Urteil der Jury, die nur drei Stunden bis zur einstimmigen Bewertung benötigte, konnte an keiner Stelle berücksichtigen, was der Beschuldigte selbst zu den Vorwürfen sagt. Dass Donald Trump dem Prozess fernblieb, gleichwohl von der Seiten-Linie mit gehässigen Kommentaren in sozialen Medien dazwischengrätschte, wird dem Ex-Präsidenten in der nächsten Instanz zum Nachteil gereichen, so Turley.

Dazu passt eine dringende Empfehlung des federführenden Richters an die Jury. Lewis Kaplan riet den Geschworenen nach getaner Arbeit, sie mögen ihre Identität für lange Zeit geheimhalten. Dahinter steht die glasklare Befürchtung, dass militante Trump-Anhänger sich an ihnen in Form von Selbstjustiz rächen könnten.

Allein diese potenzielle Gefahr lässt Donald Trump für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als absolut untauglich erscheinen.