Wolfsburg. Wolfsburgs Sport-Geschäftsführer soll eine Anfrage von RB Leipzig vorliegen haben. Der VfL verliert mit ihm eine Identifikationsfigur.

Es wird eine der letzten Szenen sein, die von der fast 16-jährige Ära von Marcel Schäfer beim VfL Wolfsburg in Erinnerung bleiben wird. Kurz vor 15 Uhr trat der 39-Jährige am Mittwoch aus der Tür der Geschäftsstelle des Fußball-Bundesligisten und traf auf drei Journalisten, die auf ein Treffen mit VfL-Aufsichsratschef Frank Witter warteten, der ihnen die Hintergründe zum kurz zuvor offiziell verkündeten Aus des Sport-Geschäftsführers erklären wollte. Ein kurzes Händeschütteln, ein kurzes Hallo - dann verschwand Schäfer ohne Kommentar zum Ende seiner VfL-Zeit in Richtung seines Autos. Mit ihm geht eine Wolfsburger Ikone. Auf eigenen Wunsch, weil ein anderer Bundesligist Interesse an ihm zeigt. Aber doch mit einem lauten Knall. Denn diese abrupte Trennung hatte der ehemalige Abwehrspieler nicht gewollt. Er wollte zumindest bis zum Ende der Saison weitermachen und seinen VfL mitten im Abstiegskampf nicht im Stich lassen.

Doch das wollte der von Volkswagen dominierte Aufsichtsrat nicht. Denn Marcel Schäfer, Sport-Geschäftsführer bei Wolfsburgs Fußball-Erstligisten seit gut einem Jahr, steht angeblich vor einem Wechsel zu RB Leipzig. Ausgerechnet bei dem Verein, bei dem die Grün-Weißen am Samstag von 15.30 Uhr an im nächsten Ligaspiel zu Gast sein werden, soll der 39-Jährige nach Informationen dieser Zeitung ab der nächsten Saison die Geschicke leiten. Ungünstiger geht Timing nicht. Doch nicht nur deshalb wollte der Aufsichtsrat das sofortige Schäfer-Aus.

„Marcel hat mich Ende letzter Woche vor dem Spiel gegen Gladbach um ein persönliches Gespräch gebeten und mir seine Motive und seine Gemengelage für seine Entscheidung geschildert. Dann schläft man noch eine Nacht drüber, reflektiert noch einmal alles, aber an seinem konkreten Wunsch hat sich auch am Tag danach nichts geändert“, berichtet Witter, wie Schäfer ihn erstmals von seinen Abschiedsgedanken erzählt habe. „Wir haben uns dann im Präsidium des Aufsichtsrats Gedanken darüber gemacht, was das für den VfL Wolfsburg bedeutet, denn darum geht es am Ende des Tages. Schließlich sind wir in keiner einfachen Situation. Wir müssen nach vorne schauen, deswegen haben wir entschieden: Es ist hier im Interesse von allen Beteiligten am besten, wenn er zeitnah seine Aufgaben ruhen lässt“, erklärt Witter wie es zu der Entscheidung zum sofortigen Schäfer-Aus kam.

VfL Wolfsburg trennt sich mit sofortiger Wirkung von Marcel Schäfer

Am Mittwochnachmittag machte der Fußball-Bundesligist die Trennung dann offiziell – in einer knappen Pressemitteilung. In der heißt es: „Marcel Schäfer verlässt den VfL Wolfsburg. Der 39-Jährige informierte den Aufsichtsrats-Vorsitzenden Frank Witter über seinen Wechselwunsch und eine damit verbundene vorzeitige Beendigung seines bestehenden Vertrages als Geschäftsführer Sport. In Anbetracht aller Umstände wurde vereinbart, dass Marcel Schäfer seine Aufgaben mit sofortiger Wirkung ruhen lässt.“

Eigentlich wäre Schäfers Vertrag erst im Januar 2026 ausgelaufen. Die sportliche Leitung übernimmt zunächst Sportdirektor Sebastian Schindzielorz „in engem Schulterschluss mit Cheftrainer Ralph Hasenhüttl“, wie der VfL mitteilt.

Für den VfL ist der Abgang Schäfers ein riesiger Einschnitt in einer ohnehin schon angespannten Lage. Der Klub hatte sich erst vor knapp drei Wochen nach einer langen Sieglos-Serie von Trainer Niko Kovac getrennt und mit Ralph Hasenhüttl einen neuen Coach installiert. Dem gelang auch gleich ein Sieg in Bremen, doch im vergangenen Heimspiel gab es mit einem 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach gleich wieder einen Dämpfer.

Marcel Schäfer – als Spieler und Funktionär Identifikationsfigur des VfL Wolfsburg

Doch der Abschied von Schäfer hat für den VfL eine noch größere Dimension. Der 39-Jährige ist nicht nur der oberste Fußball-Boss der Grün-Weißen, sondern auch die Identifikationsfigur des Klubs, dem in weiten Teilen von Deutschland immer noch Emotionslosigkeit und wenig Fanliebe nachgesagt wird. Und Schäfer war für diese These das genaue Gegenbeispiel. Als Stammspieler der Wolfsburger Meistermannschaft machte er sich 2009 bei den Wölfe-Fans unsterblich, beackerte als lauffreudiger Verteidiger die linke Abwehrseite. „Natürlich ist Enttäuschung da, es ist auch die eine oder andere Träne geflossen. Denn Marcel war nicht irgendein Geschäftsführer“, gibt Witter zu.

Zehn Jahre trug Schäfer das VfL-Trikot und feierte mit den Grün-Weißen auch noch den Sieg im DFB-Pokal sowie im Supercup 2015. Nach einem kurzen Abstecher in die USA, wo Schäfer seine aktive Karriere beendete, kehrte der achtfache Nationalspieler 2018 zum VfL als Sportdirektor zurück. Zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Sport Jörg Schmadtke brachte Schäfer den in die Krise geratenen Klub wieder auf Kurs. Nach zwei Jahren in der Relegation spielten die Wolfsburger wieder europäisch, in der Saison 2021/22 sogar in der Champions League.

Marcel Schäfer folgte beim VfL Wolfsburg auf Jörg Schmadtke

Deshalb war es einleuchtend, dass Schäfer im Februar 2023 den Posten von Schmadtke übernahm, als dieser den VfL verließ. Mit seiner sachlichen Arbeitsweise und guten Transfers hatte sich Schäfer als Nachfolger angeboten, obwohl die Wolfsburger in dieser Saison nach dem Aufschwung der Vorjahre wieder in einer sportlichen Krise steckten. Die konnte unter dem Trainer Kovac trotz zwischenzeitlichem Aufschwung nicht dauerhaft behoben werden. Der VfL findet sich in dieser Saison erneut im Abstiegskampf wieder, hat nur fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang. Deshalb wuchs zuletzt auch die Kritik an Schäfer.

Der haderte wohl schon etwas länger mit einigen Verhältnissen in Wolfsburg sowie im Umfeld des Klubs, wirkte in dieser Saison oft frustriert über die Situation. Ein Wechsel nach Leipzig könnte ihm eine neue Perspektive bieten. Für den VfL Wolfsburg ist es aber ein sehr harter Schlag. Nicht nur weil in einer kritischen Phase der Fußball-Boss von Bord geht, sondern der Klub auch einen Menschen verliert, der sich wie kaum ein anderer mit diesem identifiziert hat.

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