Braunschweig. Braunschweigs Legende Horst Wolter fordert den Neubeginn. Nicole Kumpis bietet klärendes Gespräch an, „Initiative“ meldet sich zu Wort.

Horst „Luffe“ Wolter ist in Sorge um seine Eintracht. Braunschweigs Meisterheld von 1967 sieht das Ansehen seines Klubs durch die Fehlentwicklungen der vergangenen Monate gefährdet. In einem Brief an unsere Redaktion schreibt der heute 81-Jährige: „Den Verantwortlichen im Präsidium und Aufsichtsrat ist hoffentlich bewusst, dass durch das jetzige Chaos, das sie zu vertreten haben, ein großes Potenzial an Sympathie aufs Spiel gesetzt wird.“ Wolter formuliert daher weiter: „Um weiteren Schaden vom Verein abzuwenden, bitte ich die Verantwortlichen im Präsidium und im Aufsichtsrat, die für die jetzige Situation Verantwortung tragen, den Weg für einen Neubeginn freizumachen.“ Bei der Jahreshauptversammlung des Vereins, die am Freitagabend im Eintracht-Stadion ansteht, sollen die Führungsgremien des Vereins (Präsidium) und der Zweitliga-Fußballer (Aufsichtsrat) nach Wolter zurücktreten.

Den Zeilen des früheren Top-Torhüters ist tiefe Sorge zu entnehmen. Sorge darüber, dass die Blau-Gelben in der fußballerischen Bedeutungslosigkeit verschwinden könnten, falls es weiter bergab geht. Nicht nur die sportliche Lage macht Wolter zu schaffen, auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen treiben ihn um. Er schreibt: „Große finanzielle Probleme stehen vor der Tür.“ Mit Michael Schiele, Jens Härtel und Peter Vollmann werden aktuell drei freigestellte Ex-Führungskräfte bezahlt, mit Daniel Scherning ein neuer Trainer.

Nicole Kumpis fühle sich „zurecht dem Gesamtverein verpflichtet und hat sehr früh verlauten lassen, dass ihre Kernkompetenz nicht im Fußballgeschäft liegt“, schreibt Wolter. Die Präsidentin habe es aber „leider versäumt“, moniert er, „sich frühzeitig für das Geschäft im Profifußball einen externen Beraterkreis aufzubauen“. Um gute Einblicke zu haben: „Den Stallgeruch der Kabine, wie denken die Spieler, welchen Einfluss haben Spielerberater, welches System kann mit dem vorhandenen Kader gespielt werden, gibt es ein Gerüst in der Mannschaft, das sinnvoll ergänzt werden kann.“ Das fehle der Eintracht laut Wolter aktuell. Und: „Von den Mitgliedern im Aufsichtsrat war leider keine Unterstützung bei diesen Themen zu erwarten.“

Wolter, der in der jüngsten Präsidentschaftswahl Kumpis‘ Gegenkandidaten Axel Ditzinger unterstützt hatte, wird am Freitag auch zugegen sein. Er fordert, dass schon Vorkehrungen getroffen werden sollen für den Fall, dass die Gremien wirklich zurücktreten oder die Präsidentin nicht die absolute Mehrheit der Stimmen für eine Wiederwahl erhält. Es soll dafür Sorge getragen werden, „dass der Verein, welche Konstellation sich nach der Mitgliederversammlung auch ergeben mag, handlungsfähig ist.“ Wolter: „Wir können uns keinen Stillstand leisten.“

Horst Wolter adressiert in seinem Brief auch die Eintracht-Fans

Zur Erinnerung: Nach der Abwahl Christoph Bratmanns vor zwei Jahren dauerte es Monate bis zur nächsten außerordentlichen Mitgliederversammlung, bei der Kumpis gegen Ditzinger gewann. Die Zeit habe der Klub nun nicht. „Mit der Drei-Punkte-Regelung können wir den Abstieg noch vermeiden“, sagt Wolter.

Der Neubeginn soll laut der Eintracht-Legende unter folgenden Vorzeichen geschehen: „Liebe zur Eintracht, Verantwortung für den Gesamtverein, Kompetenz in Sachen Fußball, wirtschaftlich bestens vernetzt, somit Gewinnung neuer Sponsoren möglich.“ Er schließt seinen Brief mit den Worten: „Möge unser Eintracht-Stadion wieder eine Festung werden. Liebe Fans, ihr wart 1967 und in den Folgejahren unser zwölfter Mann – mit großem Erfolg. Die jetzige Mannschaft braucht euch mehr denn je mit Herz und Gesang, aber ohne Bengalos und Böller.“

Nicole Kumpis lädt Horst Wolter zu einem Gespräch ein

Kumpis nimmt auf Wolters Worte wie folgt Stellung: „Wir schätzen Horst Wolter sehr, er hat große Verdienste um unsere Eintracht und ist immer ein gerngesehener und regelmäßiger Gast bei uns im Eintracht-Stadion.“ Die Sorgen und Bedenken, erklärt die Präsidentin, „nehmen wir ernst, ich hätte mich aber gefreut, wenn er sich direkt an uns gewendet hätte.“ Sie räumt ein: „Natürlich wurde in den Gremien – vor allem im für den Profi-Fußball zuständigen Aufsichtsrat und auch im sportlichen Bereich – nicht alles richtig gemacht. Das wird deutlich, wenn die Mannschaft nach dem 13. Spieltag mit acht Punkten auf Rang 17 steht und bereits nach dem zehnten Spieltag der Trainer und wenig später der Sport-Geschäftsführer freigestellt werden mussten. Ich bin mir sicher, dass sich alle Funktionsträger ihrer großen Verantwortung für die Eintracht sehr bewusst sind.“

Zum Ende ihrer Stellungnahme wendet sich Kumpis noch direkt an Wolter: „Lieber Horst, wir versprechen Dir, alles dafür tun, dass unser Eintracht-Stadion wieder eine Festung wird. Ich werde in Kürze für ein gemeinsames Gespräch auf Dich zugehen.“

Auch die „Initiative Eintracht“ übt scharfe Kritik

Wolter ist nicht der Einzige, der sich zur Arbeit der Gremien äußert. Auch die „Initiative Eintracht“ hat ein Schreiben veröffentlicht – mit scharfer Kritik am Präsidium und am Aufsichtsrat. Die Initiative hatte sich in der Vergangenheit bereits gegen Bratmann positioniert und ist so etwas wie der Wegbereiter der Fanabteilung. „Die Bilanz seit der Außerordentlichen Mitgliederversammlung 2021 und der Neuaufstellung des Gremiums fällt fatal aus“, heißt es in dem Schreiben.

Die Urheber prangern zudem mangelnde Kommunikation an, etwa bezogen auf die Zukunfts-Strategie des Vereins: „Bezeichnend ist, dass dieser Strategieprozess nunmehr seit anderthalb Jahren läuft, bislang aber vom Präsidium/Aufsichtsrat nicht ein einziger konkreter Aspekt daraus umgesetzt oder wenigstens kommuniziert wurde.“ Dies, so vermutet die Initiative, habe nicht nur negativen Einfluss auf Mitglieder und Fans, sondern auch auf Sponsoren. Die sportlich desolate Lage sei zudem nicht nur „ein Versagen der sportlichen Geschäftsführung“. Es lägen „strukturelle Fragen“ vor, „die man insbesondere dem Aufsichtsrat“ sowie denjenigen stellen müsse, die sowohl Teil des Präsidiums als auch des Aufsichtsrats sind, heißt es weiter.