Braunschweig. Bei den Blau-Gelben ist Land unter. Die Ursachen liegen teilweise schon länger zurück. In diesem Jahr aber schlich sich die Misere an.

In diesem Kalenderjahr ist bei Eintracht Braunschweig viel passiert. So viel, dass es eigentlich für eine ganze Dekade reichen würde. Positive Aspekte waren kaum dabei. Stattdessen steckt der Fußball-Zweitligist in einer Krise. Die hatte sich angeschlichen – auch durch Fehleinschätzungen, die länger als nur die vergangenen Monate zurückreichen. Die alle aufzuzählen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Nach und nach aber fielen die Dominosteine. Im Jahr 2023 spitzte sich die Misere zu. So sehr, dass es einer Einordnung bedarf. Eine Chronologie des Niedergangs sozusagen.

Michael Schiele und Peter Vollmann verlängern Verträge – zu ungewöhnlicher Zeit

Vertragsverlängerung von Michael Schiele: Am 28. Januar gaben die Blau-Gelben auf ihrer Website feierlich bekannt: „Michael Schiele bleibt!“ Der Trainer war mit der Eintracht in die 2. Liga aufgestiegen. Nun sollte er in Ruhe am Klassenerhalt weiterarbeiten, ohne den Druck eines auslaufenden Vertrags im Nacken. Deshalb wurde sein Arbeitspapier vorzeitig bis Sommer 2025 ausgeweitet, hieß es. Zum Ende der Winterpause wollte der Klub ein Zeichen setzen – so schien es zumindest vorerst.

Vertragsverlängerung Peter Vollmann: 20 Tage später verlängerte auch Peter Vollmann seinen Vertrag vorzeitig bis Ende des Jahres 2024. Dies sahen längst nicht alle Fans mit Freude. Der Sport-Geschäftsführer stand immer wieder in der Kritik. Mangelhafte Kaderplanung lautete einer der Vorwürfe. Schon im Winter 2020 hatte sich im Umfeld Unmut breit gemacht, als der damalige Aufsichtsrats-Chef Frank Fiedler den Kontrakt mit Vollmann wohl quasi im Alleingang verlängert hatte.

Hat Eintracht Braunschweig schon im März andere Trainer kontaktiert?

Erste Risse zwischen Trainer und Klub: Das sportliche Highlight der Vorsaison trug sich am 19. März beim späten 1:0-Derbyheimsieg über Hannover 96 zu. Damals herrschte vorsichtige Euphorie. Zumindest scheinbar. Denn im Hintergrund gab es bereits Risse. Durch zwischenzeitliche Punktedurststrecken stand Schiele in der Kritik. Bereits vor dem Derby soll sich der Klub mit anderen Trainern beschäftigt und sogar erstmals Kontakt zu Jens Härtel aufgenommen haben. Schiele hatte davon Wind bekommen. Das Vertrauensverhältnis war beschädigt.

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Erleichterung durch Klassenerhalt: Zum Saisonende stand der hauchzarte Klassenerhalt. Statt Feierlaune drang bei vielen eher Erleichterung durch. Das Team hatte die nötigen Punkte geholt, wirkte gerade im Schlussspurt aber alles andere als gefestigt. Schiele hatte sein Ziel erreicht, auch wenn die Verantwortlichen mit der sportlichen Entwicklung nicht zufrieden waren.

Eintrachts ungenügender Transfersommer

Entlassung Michael Schiele: Nach dem finalen Saisonspiel in Rostock blieb ein klares Bekenntnis des Klubs zu Schiele aus. Eintracht hatte schon andere Trainer kontaktiert. Schiele wusste das – und blieb über die Zukunft im Unklaren. Schließlich wurde er freigestellt. Anstatt aber gleich für klare Verhältnisse – und damit für mehr Planungssicherheit – zu sorgen, ließen sich die Entscheider beinahe zwei Wochen Zeit, bis das Aus beschlossen wurde. Vollmann musste die Entscheidung nach außen verkaufen, obwohl er nicht der Treiber dahinter war. Wäre Schieles Vertrag im Januar nicht verlängert worden, stünde er jetzt nicht noch bis Sommer 2025 auf der Gehaltsliste der Eintracht.

Ungenügender Transfersommer:Härtel übernahm schließlich die Geschicke an der Seitenlinie. Es stand ein wichtiger Transfersommer ins Haus. Die Abgänge von Leistungsträgern wie Immanuel Pherai und Filip Benkovic mussten kompensiert werden, um in der 2. Liga schritthalten zu können. Vollmann kündigte „1A-Lösungen“ an, die er „unter dem Radar“ eintütet wollte. Das gelang nicht. In der Spitze ist das Aufgebot schwächer geworden. Stattdessen ist es in der Breite aufgebläht.

Jens Härtel scheitert an schwieriger Aufgabe

Verletzung Anthony Ujahs: Wie schwierig es der Kader hat, wurde spätestens mit der Verletzung Anthony Ujahs beim 2:2 gegen den 1. FC Nürnberg klar. Gegen den „Club“ erzielte der 33-Jährige beide Treffer. Mit einer Schultereckgelenkssprengung fällt der Stürmer mindestens bis zur Winterpause aus. Seit er fehlt, gelangen den Blau-Gelben nur noch zwei weitere Tore – in fünf Partien.

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Entlassung Härtel: Der neue Trainer sollte die Mannschaft sportlich weiterentwickeln. Das gelang Härtel nicht. Die Ergebnisse stimmten nicht. Zudem hatte es der 54-Jährige mit seiner introvertierten, etwas verkopften Art schwer, den großen Kader und damit die Charaktere des Teams zu moderieren. Am 23. Oktober wurde Härtel freigestellt. Im Sommer hatte er einen Vertrag bis 2025 unterschrieben. Genau wie sein Vorgänger bezieht auch der gebürtige Rochlitzer weiterhin Bezüge aus Braunschweig.

Mit Marc Pfitzner und Ermin Bicakcic kehrt die Euphorie zurück

Pfitzner übernimmt, Bicakcic kommt: Als Interimstrainer installierte Eintracht eine Klub-Legende. Marc Pfitzner übernahm für zwei Wochen. Zumindest kurzzeitig stieg bei den resignierenden Fans die Stimmung ein wenig. Für Pfitzner war es eine undankbare Aufgabe. Verändern konnte er in dieser kurzen Zeit nichts. Das Spiel gegen Düsseldorf (1:4) und das Derby in Hannover (0:2) gingen verloren. Schaden hat Pfitzners Ansehen dadurch nicht genommen. Und der Klub plant auch zukünftig mit ihm, sobald er seinen Fußballlehrer-Schein in der Tasche hat. Und ein weiteres Mal zogen die Blau-Gelben am Euphorie-Hebel. Mit der Rückkehr Ermin Bicakcics kehrte ein Hauch der erfolgreichen vergangenen Dekade zurück an die Hamburger Straße. Der Verteidiger präsentierte sich sofort als reifer Profi, der vorangehen will – und könnte zukünftig eine Stütze sein.

Scherning übernimmt als Trainer: Der vierte Coach des Jahres heißt Daniel Scherning. Auf den gebürtigen Paderborner wartet eine Mammutaufgabe. Sein Vertrag läuft zunächst bis Sommer 2024. Die Zeit danach hält sich der Klub offen. Der Kontrakt beinhaltet Optionen sowohl für die 2. als auch für die 3. Liga. Sollte Pfitzner im Januar aber den Lehrgang zum Fußballlehrer beginnen, könnte er schon im Sommer übernehmen – theoretisch zumindest.

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Peter Vollmann muss gehen

Entlassung Peter Vollmann: Am 7. November gab Eintracht nicht nur die Verpflichtung Schernings, sondern auch die Freistellung Vollmanns bekannt. Der Sport-Geschäftsführer hatte es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, eine nachhaltige Kaderplanung auf die Beine zu stellen. Der Klub schien sich von einem Jahr zum nächsten zu hangeln. Eine stetige sportliche Weiterentwicklung gab es nicht. Allerdings musste Vollmann auch den Kopf für Entscheidungen hinhalten, die er nicht allein zu verantworten hatte. Neben Schiele und Härtel bekommt auch Vollmann weiterhin Gehalt von der Eintracht – die stets über das kleine Budget klagt.

Jahreshauptversammlung: Am 17. November steht die Jahreshauptversammlung an. Präsidentin Nicole Kumpis stellt sich dann zur Wiederwahl. Viele Anhänger werfen ihr vor, sich zu sehr zurückzuhalten, wenn es um den Profi-Fußball geht. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass dann noch ein Dominostein fällt.