Göttingen. Der Biber erobert sich im Kreis Göttingen seinen Lebensraum zurück. Zuerst wurden seine Spuren 2016 im Altkreis Osterode gefunden.

Am vergangenen Freitag machten Daniela Böning und ihr Sohn am Leinekanal in Göttingen eine interessante Entdeckung: Ein ungewöhnliches Tier mit dichtem Fell und breitem Schwanz schwamm im Wasser herum, ein Biber. Axel Eichendorff, Kreisjägermeister der Jägerschaft Göttingen, wundert die Beobachtung nicht. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Tiere auch in Göttingen auftauchen. Weiter nördlich sind sie an der Leine schon seit längerem heimisch. Auch an Fulda, Werra und Oberweser sind Vorkommen seit Jahren bekannt“, erläuterte Eichendorff.

Unter strengem Schutz

Der Biber steht in Deutschland unter Naturschutz und darf nicht gejagt, gefangen oder getötet werden. Laut Bundesnaturschutzgesetz ist es außerdem verboten, seine Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu zerstören.

„Der Biber gilt als ‚Schlüsselart‘ der Auenlandschaft, denn feuchte Wälder mit langsam fließenden oder stehenden Gewässern, die im Sommer nicht austrocknen und im Winter nicht zufrieren, sind sein bevorzugter Lebensraum“, heißt es beim Naturschutzbund-Niedersachsen. „Es hat sich aber gezeigt, dass die Tiere hinsichtlich der Wahl ihres Lebensraums flexibel sind. Allein die Grundbedürfnisse von Wasser und Nahrung müssen erfüllt sein.“

Bekannt seien die Tiere für „Biberburgen“, ihren hölzernen Behausungen im Wasser, die ihnen Schutz vor Feinden verschaffen. Gelegentlich würden die Biber Dämme bauen, wenn der Wasserstand zu weit absinke.

Größtes Nagetier Europas

Der Biber ist mit einem Meter Länge und einem Gewicht von 30 Kilogramm das größte Nagetier Europas. Im Jahr 1819 wurde der letzte Biber in Niedersachsen erlegt, seither galt er im Bundesland als ausgestorben. Bereits vor der letzten Biber-Jagd war die Population durch intensive Bejagung nur noch sehr klein.

Nicht nur das Fell des Bibers war sehr beliebt, sondern auch das Fleisch des Tieres, erzählte Bernd Hermening, Biber-Experte beim Naturschutzbund Laatzen bei einer Exkursion durch Biber-Reviere im Raum Hannover Anfang des Jahres.

Biberhüte seien ein Statussymbol gewesen, und das Fleisch habe wegen der aquatischen Lebensweise des Tiers fälschlicherweise als „Fisch“ gegolten – und konnte somit von Christen zur Fastenzeit verzehrt werden, so Hermening. Die Rückkehr der riesigen Nagetiere ins südliche Niedersachsen geschah Schritt für Schritt in den vergangenen 15 Jahren: Zuerst wurden im Juli 2016 im Südharz im Landkreis Osterode Exemplare an zwei Stellen in Naturschutzgebieten nachgewiesen. Diese waren wahrscheinlich von einer Population in Nord-Thüringen eingewandert. An der Leine siedelten sich Biber vor allem in Bereich zwischen Hannover und Hildesheim an, später bestätigte die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Northeim das Vorkommen der Nagetiere an der Leine.

Im Landkreis Göttingen wurden erstmals 2014 Spuren von Bibern an der Werra bei Oberode entdeckt, 2016 überfuhr ein Fahrzeug ein Exemplar an der Bundesstraße 80.

Verwechslungsgefahr

Wegen der äußeren Ähnlichkeit kann es vorkommen, dass Biber mit Nutrias, den sogenannten Biberratten, verwechselt werden. Anders als ihre größeren Verwandten stammen die Nutrias aus Südamerika und wurden vom Menschen in Europa eingeführt.

Seither verbreiten sich die Tiere in Deutschland rasant. Biber und Nutrias unterscheiden sich insbesondere durch den Schwanz. Anders als bei Bibern ist der von Nutrias rund und nicht flach. Außerdem sind die eingewanderten Nagetiere mit 60 Zentimeter Körperlänge wesentlich kleiner.

Weil Nutrias Löcher in Deichanlagen und Uferböschungen graben, werden sie seit 2019 koordiniert bejagt.