Gieboldehausen . Ein Naturschutz-Großprojekt an der Rhume soll die natürliche Entwicklung von Auenwald begünstigen. Der Fluss wurde in den 30er Jahren begradigt.

Die Rhume wälzt sich bereits durch ihr neues Bett zwischen Gieboldehausen und Bilshausen, nur der Bettbezug fehlt noch: Die im Juni 2017 gestarteten Erd- und Wasserarbeiten zur Verlegung des Flusses (wir berichteten) sind abgeschlossen, die Uferbepflanzung soll spätestens im Frühjahr folgen.

Dass ein Flusslauf verlegt wird, kommt nicht alle Tage vor. Und ist – wie in diesem Fall – mit Unwägbarkeiten verbunden. Zeit und Geld sind dem federführenden Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) davongeschwommen. Das mit 650.000 Euro Investitionskosten veranschlagte Projekt sei deutlich teurer geworden, sagt Edith Büscher-Wenst, die die Rhume-Verlegung und -verlängerung naturschutzfachlich begleitet hat. Für Probleme und Mehrkosten hätten der Untergrund und das Wetter gesorgt, bestätigt Projektleiter Torsten Knoblauch. Der „fließfähige Boden“ habe sich bei Regen in „Schmierseife“ verwandelt, es habe Beschädigungen an Wirtschaftswegen und Unterbrechungen durch Hochwasser gegeben. 90 Prozent der nunmehr rund 870.000 Euro Baukosten finanziert die EU aus dem Entwicklungsprogramm für Fließgewässer, den Rest das Land Niedersachsen.

Die Rhume zwischen Bilshausen und Gieboldehausen war in den 1930er-Jahren vom Reichsarbeitsdienst begradigt worden, um Flächen für Weide- und Ackerland trockenzulegen. Das ist jetzt revidiert worden. Im Zuge des mit hohem Aufwand verbundenen Naturschutz-Großprojektes sind zwei vermoderte Altarme der Rhume ausgebaggert und wieder an den Flusslauf angeschlossen worden. Dadurch hat die aus einer der größten Karstquellen Europas gespeiste Rhume mehr Raum zum Mäandrieren bekommen, Flora und Fauna haben mehr Lebensraum. Durch die mit zwischenzeitlicher Verrohrung, Durchstichen und massiven Erdarbeiten bewältigte Verlegung hat der Fluss rund 300 Meter Länge gewonnen. Ausgebaggert wurde zwar ein Kilometer neuer Rhumelauf, ein Teil des Altlaufes ist aber durch die Verlegung entfallen. Beim Ausbaggern der zu „toten Stehgewässern“ verkommenen Altarme kamen Schwimmbagger zum Einsatz, die nicht einsinken können.

Die Wiederbelebung der Gewässerschleifen soll die Entwicklung eines natürlichen Auewaldes begünstigen. Nach dem Abschluss des Terra-respektive Aquaformings auf 20 Hektar Projektfläche sollen deshalb spätestens im Frühjahr noch punktuelle Pflanzungen vor allem von Schwarzerlen, aber auch von verschiedenen Weidenarten, Hainbuchen und Stieleichen erfolgen, der weitere Bewuchs natürlichen Prozessen überlassen bleiben. „Im vergangenen Jahr war es zu nass, in diesem Jahr zu trocken für die Pflanzungen“, begründet Büscher-Wenst die Verzögerung. Auch beim Wegebau stehen noch Restarbeiten an.

Die Natur im Wasser soll ebenfalls von den Veränderungen profitieren. Dafür sorgen Totholz und Grundschwellen aus Kies. Anlandungen und Ausspülungen werden bewusst in Kauf genommen.

Büscher-Wenst ist „sehr zufrieden“ mit dem Projekt, das die Landschaft positiv verändere, Raum für Auenbildung und Artenvielfalt schaffe. Zwischen Gieboldehausen und Bilshausen seien schon Biber-Bissspuren entdeckt worden. Fischotter wurden ebenfalls gesichtet. Ein Nebeneffekt der Rhume-Verlegung ist die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit. Die mit hydraulischer Simulation überprüfte Hochwassersituation werde sich nicht verschlechtern, meint Büscher-Wenst. Im Gegenteil. Langfristig sei durch den größeren Rückhalteraum ein positiver Einfluss auf das Abflussgeschehen zu erwarten. Erleichtert wurde die Planung dadurch, dass der Mammutanteil der beanspruchten Flächen Landeseigentum sind. Der betroffene Flussabschnitt steht unter Naturschutz und liegt im FFH-Gebiet (Flora- und Fauna-Habitat) „Oder, Sieber, Rhume“. Abgestimmt wurde das Projekt mit dem Unterhaltungsverband Rhume und Landwirten.

Die knapp 20.000 Kubikmeter Boden, die ausgebaggert und abtransportiert wurden, landeten auf landwirtschaftlichen Flächen und im Wollershausener Ortsteil Elbingen. Dort deckt der Boden jetzt eine ehemalige Deponie ab. Auch die soll noch bepflanzt werden.