Washington. In den USA bröckelt der Rückhalt für Militärhilfe. Neue CIA-Berichte über das Scheitern der Gegenoffensive verstärken das Dilemma.

In jedem Krieg gibt es Wahrheiten. Und bestellte Wahrheiten. Dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA die ukrainische Offensive gegen den russischen Aggressor de facto bereits verloren gibt und das alles in einer renommierten Zeitung steht, könnte so eine bestellte Wahrheit sein.

Die Öffentlichkeit dies und jenseits des Atlantiks soll offenbar darauf vorbereitet werden, dass sich die Halbwertzeit einer zentralen Aussage von Joe Biden dem Ende zuneigt und der Boden bereitet wird für die Anbahnung einer für die Ukraine bitteren Verhandlungslösung. Der Ukraine werde „solange geholfen, wie es nötig ist”, hat der Präsident seit 18 Monaten in nahezu jeder Rede in Basta-Manier beteuert. Das funktioniert so nicht mehr lange. Ein Grund: der Wahlkalender der USA.

Russland soll von einer Eskalation des Krieges abgehalten werden

Wenn in Sicherheitszirkeln die Einschätzung vorliegt, dass Kiews Konter abseits überschaubarer Geländegewinne stagnieren und das wichtige Ziel verfehlt wird, strategische Knotenpunkte zur Rückeroberung der Krim einzunehmen, wird das Weiße Haus nicht einfach weitermachen können wie bisher.

Wie bisher, das bedeutet: Washington hält die Ukraine gemeinsam mit seinen Nato-Partnern so abwehrfähig, dass sie von Russland nicht geschluckt werden kann. Achtet aber genau darauf, Kiew nicht mit Langstreckenwaffen und Kampfjets zeitnah so kampfstark zu machen, dass Wladimir Putin sich zur Eskalation gezwungen sehen könnte.

Eine blutige Patt-Situation zwischen Russland und der Ukraine ab Oktober?

Wenn bis November nicht grundstürzend Neues an der Front geschieht, läuft der Konflikt, wie von US-Generalstabschef Mark Milley bereits vor Monaten prophezeit, auf eine blutige Patt-Situation hinaus. Mindestens bis zum Frühjahr 2024. Dann läuft nach zwei Jahren Angriffskrieg gegen die Ukraine der Präsidentschaftswahlkampf in den Vereinigten Staaten auf Hochtouren. Für Kiew eine denkbar ungünstige Situation.

120 Milliarden Dollar, das Gros davon für Waffen, hat Washington der Ukraine bisher bereitgestellt. Nach der Sommerpause will Joe Biden den Kongress um weitere 24 Milliarden Dollar bitten. Reibungslos wird das nicht mehr.

Dirk Hautkapp, US-Korrespondent
Dirk Hautkapp, US-Korrespondent © Privat

Milliarden für die Ukraine, Almosen für die Maui-Brandopfer, lautet die Kritik

Auf Seiten der Republikaner wächst der Zweifel, ob das Geld nicht vertan ist, selbst bei bisher standhaften Leute wie Andy Harris. Der Abgeordnete aus Maryland hat ukrainische Wurzeln. In seinem Wahlkreis sagte er kürzlich: „Die Gegenoffensive ist gescheitert.” Das bleibt nicht ohne Folgen.

Der Anteil derer, die meinen, Amerika müsse die Hilfen drosseln und eine diplomatische Lösung erzwingen, liegt landesweit mittlerweile bei 55 Prozent. Tendenz steigend. Zuletzt wurde Joe Biden sogar vorgehalten, die Brand-Opfer auf Maui würden mit Almosen abgespeist, während die Ukraine weitere Milliarden erhält.

Das Lage-Urteil des Geheimdienstes befeuert Bidens Kritiker

Die Lage-Beurteilung der CIA, der niemand von Rang in Washington bisher widersprochen hat, ist zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Kritiker Bidens. Darunter sind etliche republikanische Präsidentschaftskandidaten, die teils extreme Auffassungen vertreten und dabei den latent isolationistischen Nerv vieler Amerikaner treffen.

Der in den Umfragen aufsteigende Unternehmer Vivek Ramaswamy sagt etwa offen, dass „es nicht unser Ziel sein sollte, dass Putin verliert”. Heißt übersetzt: Er würde den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskjy zu erheblichem Territorialverzicht drängen, um einen Waffenstillstand und später eine russophile Friedenslösung zu erzielen. Nichts wesentlich anderes hat auch der Mann im Kopf, der inzwischen 40 Prozent Vorsprung auf seinen Rivalen Ron DeSantis hat und für dessen Rückkehr ins Weiße Haus Wladimir Putin heimlich betet: Donald Trump.