Berlin. Die Letzte Generation im Überblick: Wie finanzieren sich die Klimaaktivisten? Was sind ihre Ziele? Und welche Strafen drohen ihnen?

  • Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" Kämpfen mit ihren Aktionen für einen besseren Klimaschutz
  • Viele Menschen sind davon genervt – sie halten den Protest für übertrieben
  • Doch wer genau steckt hinter der "Letzten Generation"? Wie finanziert sich die Gruppe? Die wichtigsten Infos

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Meldungen über die "Letzte Generation": Die Klimaaktivisten sorgen seit Monaten mit ihren Blockaden und Aktionen für Aufmerksamkeit und Empörung. Ihr Ziel: Ein effektiverer Klimaschutz. Während den zwar ein Großteil der Bevölkerung befürwortet, lehnt eine Mehrheit die Methoden der Gruppe ab.

Doch wer steckt eigentlich hinter der "Letzten Generation"? Wie organisiert sich die Gruppe? Wer sind ihre Mitglieder? Was sind ihre Ziele? Wie finanzieren sich die Aktivisten? Mit welchen Strafen müssen sie rechnen? Welche Aktionen hat die "Letzte Generation" bisher durchgeführt – und welche planen sie noch? Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Klimaaktivisten.

"Letzte Generation": Mitglieder, Aktivisten – Wer steckt dahinter?

"Wir sind die Letzte Generation, die den Kollaps unserer Gesellschaft noch aufhalten kann" – so steht es auf der Website der "Letzten Generation". In ihrem Manifest rücken die Aktivisten "zivilen Widerstand" gegen die Klimapolitik der Bundesregierung in den Mittelpunkt ihrer Strategie.

Wer sich über die individuellen Motive der Mitglieder informieren möchte, wird rasch fündig: Auf einem YouTube-Kanal erklären Aktivisten in Videos, warum sie sich auf der Straße festkleben, Notrufe auslösen oder Gebäude beschmieren. Oft sind es junge Leute, die angeben, für die Aktionen Schule, Ausbildung oder Studium zu unterbrechen. Zu Wort kommen aber auch ältere Menschen wie Mütter oder Rentner.

Carla Rochel von der „Letzten Generation“.
Carla Rochel von der „Letzten Generation“. © Marlene Charlotte Limburg

Carla Rochel gehört zu den bekannteren Gesichtern der Gruppe. Seit November 2021 sei sie bei der "Letzten Generation", sagt sie. Für den Kampf gegen den Klimapolitik der Bundesregierung habe sie ihr Studium geschmissen. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde die 20-Jährige durch ihren Auftritt in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz im November 2022.

Organisation: Was hält die "Letzte Generation" zusammen?

500 bis 600 Menschen bewegen sich laut Aussagen der Aktivisten bundesweit im Umfeld der Gruppe. Und es sollen mehr werden. Die "Letzte Generation" veranstaltet Online-Seminare und Aktionstrainings, um neue Mitglieder zu werben. Lokal sind die Aktivisten laut Eigenauskunft dann in "Bezugsgruppen" oder "Keimzellen" unterwegs.

Und tatsächlich scheint die Zahl der – offiziellen oder inoffiziellen – Mitglieder der "Letzten Generation" gewachsen zu sein. Laut Informationen des Bundeskriminalamts wird die Gruppe mit 580 Straftaten in Verbindung gebracht, an denen 740 Personen beteiligt gewesen sein sollen. Die tatsächliche Zahl der Mitglieder dürfte noch höher liegen.

Ein angeklagter Klimaaktivist unterhält sich mit Carla Hinrichs, Sprecherin der
Ein angeklagter Klimaaktivist unterhält sich mit Carla Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation", vor seinem Prozess wegen einer Straßenblockade im Amtsgericht Berlin-Tiergarten. © Bernd von Jutrczenka/dpa

In Berlin etwa, so Sprecherin Carla Hinrichs, wurden eigens Wohnungen angemietet. Man gehe gemeinsam auf die Straße, lebe zusammen. Die meisten würden sich erst mit dem Einzug kennenlernen. Eine Gruppe bestehe meist aus vier bis acht Personen. Nur das Essen zahle man selbst oder man gehe Containern – sammele also genießbare Lebensmittel aus Supermarkt-Abfallcontainern ein.

Die Aktivisten sehen sich als Teil des globalen "A22 Netzwerks", in dem sich Klimaschutzprojekte aus Ländern wie Schweden, Frankreich, Italien, den USA oder Norwegen zusammengeschlossen haben. Für Aufregung sorgte etwa eine Attacke auf das weltberühmte Vermeer-Gemälde "Mädchen mit dem Perlohrring" in Den Haag.

Finanzierung: Wie finanzieren sich die Klimaaktivisten?

Die "Letzte Generation" finanziert sich laut eigenen Angaben über Spenden. Und das durchaus erfolgreich: Laut eins auf der Webseite der Gruppe veröffentlichten Transparenzberichts wurden im Jahr 2022 rund 890.000 Euro an die Klimaaktivisten gespendet.

Zusätzlich gehört die Gruppe zum A22-Netzwerk, das vom US-amerikanischen Climate Emergency Fund finanziert wird. Die Gelder stammen hauptsächlich von den Philanthropinnen Aileen Getty (Öl-Erbin), Rory Kennedy (Regisseurin und Produzentin) und Trevor Neilson (Unternehmer und Investor).

Lesen Sie auch: "Letzte Generation" – Was bringt der Protest der Aktivisten?

Politische Ziele: Was will die "Letzte Generation" erreichen – und welche Pläne hat sie?

Die Aktivisten fordern von der Bundesregierung drastische Maßnahmen im Kampf gegen die Erderhitzung. Konkret fordert die "Letzte Generation" derzeit ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und die Einführung eines günstigen Personennahverkehrs durch ein 9-Euro-Ticket. Weitere Forderungen sind:

  • Die stärkere Beteiligung wohlhabender Menschen an den durch den Klimawandel entstehenden Kosten
  • Entschädigungen für Klima-Schäden für Länder des globalen Südens
  • Sofortmaßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung
  • Die Dekarbonisierung Deutschlands
  • Die Einsetzung eines Gesellschaftsrates für Klimafragen

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Ein Ultimatum an die Ampelkoalition ist im März 2023 ausgelaufen, aktuell sorge man für eine "maximale Störung der öffentlichen Ordnung". Welche weiteren Aktionen geplant sind, teilte die "Letzte Generation" nicht mit, man wolle sich aber "diszipliniert gewaltfrei verhalten" und dafür sorgen, dass niemand zu Schaden kommt.

Ist die "Letzte Generation" eine NGO?

Kann man die Letzte Generation als eine NGO bezeichnen? Rechtlich gesehen lautet die Antwort: Ja. Rechtsanwalt Dr. Jörg Alvermann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), sagt: "Die NGO ist als Begriff nicht im Gesetz geregelt. NGO bedeutet nur, dass es sich um eine unabhängige und nichtstaatliche Organisation handelt. Das wird man bei der Letzten Generation definitiv bejahen können: Sie ist eine Organisation und sie ist nichtstaatlich." Da es sich bei einer NGO um keine Rechtsform handle, könne man die Organisation auch nicht verklagen.

Die Frage lässt sich trotzdem nicht so einfach beantworten. Denn oft sind NGOs in Deutschland eingetragene Vereine mit gemeinnützigem Zweck. "Die Letzte Generation würde sicher für sich reklamieren, dass sie für das Gemeinwohl kämpfen. Aber nach derzeitigem Stand sind sie nicht als gemeinnützige Organisation anerkannt.", so der Jurist. Das bedeutet unter anderem: Wer den Klimaaktivisten Geld spenden will, kann das bisher nicht von der Steuer absetzen.

Was ist die Letzte Generation stattdessen für eine Rechtsform? In einer Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wird vermutet, dass es sich um einen nicht rechtsfähigen Verein handeln könnte. Da aber von den Aktivisten keine Satzung vorliege, bliebe das unklar und man kann man das Bündnis nicht als gemeinnützig anerkennen. All das ist spannend, wenn es um die Fragen geht, wie man das Bündnis besteuert und wer haftet.

Es lässt sich festhalten: Die Letzte Generation kann sich theoretisch als NGO bezeichnen – das ist aber keine anerkannte Rechtsform.

Strafen: Geldstrafen, Gewahrsam, Freiheitsstrafen – So reagiert der Rechtsstaat

Viele Aktivisten sind bereits zu Geldstrafen verurteilt worden. So musste ein Mann, der in Stuttgart wiederholt Straßen blockierte, 110 Tagessätze zu je 50 Euro bezahlen – also 5500 Euro. In Berlin, wo zuletzt ein Großteil der Aktionen stattfand, sind laut Angaben der Gruppe aus dem Jahr 2022 bereits 340 Gebührenbescheide in einer Gesamthöhe von 65.070 Euro aufgelaufen.

Ein Polizist löst mit Speiseöl die festgeklebte Hand einer Aktivistin vom Asphalt.
Ein Polizist löst mit Speiseöl die festgeklebte Hand einer Aktivistin vom Asphalt. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Nach Klebeaktionen in München war Anfang November 2022 für mehrere Klimaaktivisten ein 30-tägiger Gewahrsam beantragt worden. CDU und CSU wollen im Bundestag mit einem Gesetzentwurf härtere Strafen für Klima-Aktivisten erreichen und den Straftatbestand der Nötigung so ändern, dass es zu einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten für Straßenkleber komme, die Rettungskräfte behinderten. Maximal sollen fünf Jahre Freiheitsstrafe möglich sein.

Hungerstreik, Blockaden, Kunst-Vandalismus – Aktionen der "Letzten Generation"

  • September 2021: Das erste Mal in Erscheinung treten Mitglieder der "Letzten Generation" mit einem Hungerstreik vor dem Reichstag unmittelbar vor der Bundestagswahl. Die jungen Aktivisten wollen so ein öffentliches Gespräch mit den Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz erzwingen.
  • ab Anfang 2022: Aktivisten kleben sich meist im morgendlichen Berufsverkehr auf Straßen und Autobahn-Zufahrten und verursachen auf diese Weise Staus. Zum Teil klettern sie auf Schilderbrücken und erzwingen Sperrungen. Die Aktionen finden bundesweit statt, Schwerpunkt ist die Stadtautobahn A100 in Berlin.
  • ab Frühling 2022: Bundesministerien und Parteizentralen geraten ins Visier der Klimaschützer. Fassaden werden beschmiert, zum Teil dringen Aktivisten in die Gebäude ein und lösen Feueralarm aus.
  • ab Ende August 2022: Die Mitglieder der Gruppe kleben sich an Gemälden fest oder beschmieren die Kunstwerke mit Farbe.
  • 31. Oktober 2022: Eine Radfahrerin wird bei einem Unfall in Berlin von einen Betonmischer überrollt und lebensgefährlich verletzt, sie stirbt wenige Tage später im Krankenhaus. Ein Spezialfahrzeug der Berliner Feuerwehr, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau. Dieser wurde durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ausgelöst. Eine Untersuchung des Vorfalls ergab jedoch: Auch das rechtzeitige Eintreffen des Spezialfahrzeugs hätte das Leben der Frau nicht gerettet.
  • 24. November 2022: Klimaaktivisten dringen auf das Rollfeld des Berliner Flughafens BER ein und legen auf diese Weise den Flugbetrieb lahm.
  • 5. Mai 2023: Aktivisten dringen auf das Gelände des BER ein und besprühen ein Kleinflugzeug mit Farbe.

"Letzte Generation": Ein Fall für den Verfassungsschutz? Eine Endzeit-Sekte?

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sieht die Aktivisten-Gruppe nicht als Fall für eine Beobachtung durch seine Behörde. „Ich erkenne jedenfalls gegenwärtig nicht, dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet, und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz“, sagte Haldenwang Mitte November.

Zu einer ähnlichen Einschätzung war bereits im Februar 2022 die Berliner Innenbehörden gekommen. Hinweise auf verfassungsfeindliche Bestrebungen lägen im Fall der Straßenblockaden nicht vor, hieß es. (bee)