Liverpool. Der Eurovision Song Contest hat seine Siegerin. Die Nacht von Liverpool bot bunten Zauber, opulente Shows – und starke Botschaften.

  • Der Eurovision Song Contest 2023 hat eine Siegerin
  • Loreen aus Schweden holte den ersten Platz
  • Die einprägendsten Eindrücke des Abends lesen Sie hier

Um 1.02 Uhr stand es schließlich fest: Schweden hat den Eurovision Song Contest 2023 gewonnen. Damit holt sich das skandinavische Land den siebten ESC-Sieg und zieht mit dem bisherigen Spitzenreiter Irland gleich. Eine weitere Besonderheit: Sängerin Loreen hat den Song Contest zum zweiten Mal gewonnen. Nach ihrem Sieg 2012 mit "Euphoria" konnte sie Publikum und Jury 2023 mit "Tattoo" überzeugen. Lesen Sie auch: Die ESC-Nacht im Ticker zum Nachlesen

Die Show war geprägt von der Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs mit der Ukraine, die den Eurovision Song Contest als Vorjahressieger eigentlich hätte austragen dürfen. Wegen des Kriegs war das jedoch nicht möglich. Mehrfach wurde im ESC-Finale dennoch ein Bezug zur Ukraine hergestellt, unter anderem dadurch, dass ehemalige ESC-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer aus dem Land die Show eröffneten.

ESC 2023: Deutschland erneut Letzter

Während der Punktevergabe wurde Deutschland lange nicht bedacht, erst aus Island gab es die ersten zwei Punkte für Lord Of The Lost. Insgesamt vergaben die Jurys drei Punkte an Deutschland. Von den Zuschauerinnen und Zuschauern gab es zusätzlich 18 Punkte, sodass der deutsche Beitrag trotz eines tollen Auftritts schließlich auf dem letzten Platz landete.

Siegerin Loreen dagegen erhielt Punkte aus fast allen Ländern und erreichte so eine Gesamtwertung von 583 Punkten. Auf Platz zwei in der größten Musikshow der Welt kam Finnland (526 Punkte) mit dem Sänger Käärijä und dem Metal-Pop-Elektro-Song "Cha Cha Cha". Rang drei in Liverpool erreichte Israel, gefolgt von Italien und Norwegen.

ESC-Finale 2023: Die Bilder aus der Show in Liverpool

Ein Start-Ziel-Sieg: Favoritin und Siegerin Loreen aus Schweden.
Ein Start-Ziel-Sieg: Favoritin und Siegerin Loreen aus Schweden. © dpa
Das nennt man einen Stammplatz: Letzter Platz für die deutsche Band
Das nennt man einen Stammplatz: Letzter Platz für die deutsche Band "Lord Of The Lost". © dpa
Machte die skandinavische Nacht perfekt: Käärijä aus Finnland. Publikumsliebling.
Machte die skandinavische Nacht perfekt: Käärijä aus Finnland. Publikumsliebling. © dpa
Generation TikTok: Die junge Israelin Noa Kirel erzielte mit
Generation TikTok: Die junge Israelin Noa Kirel erzielte mit "Unicorn" einen respektablen dritten Platz.
Mit viel Gefühl: Marco Mengoni aus Italien begeisterte mit
Mit viel Gefühl: Marco Mengoni aus Italien begeisterte mit "Due vite" das Publikum in Liverpool. © dpa
Ein Chanson? Naturelement. Die Französin La Zarra mit
Ein Chanson? Naturelement. Die Französin La Zarra mit "Evidemment!". Mittelplatz. © dpa
Wollten es noch einmal wissen: Tvorchi aus der Ukraine, das letztjährige Siegerland.
Wollten es noch einmal wissen: Tvorchi aus der Ukraine, das letztjährige Siegerland. © dpa
Für die Eidgenossen im Rennen:  Remo Forrer aus der Schweiz mit
Für die Eidgenossen im Rennen: Remo Forrer aus der Schweiz mit "Watergun". © dpa
Mut zur Farbe: Mimicat aus Portugal in Rot. Hinterer Platz, kam besser bei der Fachjury als beim Publikum an.
Mut zur Farbe: Mimicat aus Portugal in Rot. Hinterer Platz, kam besser bei der Fachjury als beim Publikum an. © dpa
Unter Wert: Frauenpower aus Österreich, Selina-Maria Edbauer (r) und Teodora Spiric alias Teya & Salena.
Unter Wert: Frauenpower aus Österreich, Selina-Maria Edbauer (r) und Teodora Spiric alias Teya & Salena. © dpa
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Eurovision Song Contest: So war das Finale 2023

Vor der Show dementierte "Lord Of The Lost"-Sänger Chris Harms zunächst Gerüchte über Stimmprobleme: "Entgegen der Berichte aus der Boulevardpresse geht es mir sehr, sehr gut." Tatsächlich waren Sorgen unbegründet. Die Band des Sängers, Lord of the Lost, legte akustisch und optisch einen Glanzauftritt hin.

Flammenwerfer, rot-gold geschminkte Gesichter – die rund 7000 Zuschauer in der Liverpool Arena waren begeistert von dem deutschen Beitrag mit der Startnummer 21 (von 26). Die internationalen Jurys und die TV-Zuschauer dagegen offenbar weniger.

Frontmann Chris Harms von der Band Lord Of The Lost aus Deutschland
Frontmann Chris Harms von der Band Lord Of The Lost aus Deutschland © dpa

Dark Rock heißt das Marketing-Etikett von "Blood & Glitter", der Auftritt wirkte aber weniger düster als vielmehr wie Rammstein mit sehr guter Laune. "Man kann nicht sagen, dass wir alles gegeben haben", sagte Harms anschließend und klang enttäuscht. "Es ist unglaublich hart, Letzter zu sein. Aber wir kommen ja nicht aus dem Nichts und gehen auch nicht ins Nichts."

ESC 2023: Die Entwicklung des Song Contests ist enorm

Was für ein Sprung war es doch vom galaartigen Grand Prix mit dreisprachiger Moderation und orchestrierten Schlagern früherer Zeiten hin zum glitzernden Pop-Spektakel heute.

Die Tanzeinlagen saßen präzise wie bei einem Jennifer-Lopez-Konzert, die Bühnenoptik lag irgendwo zwischen Videogame, Tiktok-Clip und Augmented Reality. Schweiß, Nervosität, ein Hauch von Dilettantismus oder auch nur Improvisation? Keine Spur. Alles war instagrammy durchgestylt mit Kandidatinnen und Kandidaten, die mit dem Drill von Castingshows großgeworden sind.

Produziert wurde der ESC gemeinschaftlich von der BBC und dem ukrainischem Fernsehen. In Turin 2022 hatte die ukrainische Band Kalush Orchestra mit dem Titel "Stefania" gewonnen, der Brite Sam Ryder landete mit "Space Man" dahinter.

Nach dem nationalen Geprotze noch vor einer Woche bei der Krönung von König Charles III. trat Großbritannien hier als zurückhaltender und großzügiger Kumpel auf, der seine komfortable Wohnung zur Verfügung stellt, weil man selbst gerade Ärger mit einem vermeintlicher Eigentümer hat, der Eigenbedarf durchsetzen will.

Abschied von Peter Urban beim Eurovision Song Contest

Für Deutschland bedeutete der ESC eine Abschiedsvorstellung von Peter Urban und seiner angenehm unironischen Art zu kommentieren. Abgenutzte Metaphern wie "Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen" spricht er feierlich aus, als sei ihm hier ein originelles Sprachbild eingefallen, was altmodisch charmant ist. Der 75-Jährige moderierte den ESC seit 1997.

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Auffallend: die Rückkehr der Landessprachen. Seit 1999 herrscht freie Sprachwahl, die natürlich meist auf Englisch fiel. Doch nur rund die Hälfte der Titel war diesmal auf Englisch. Die Beiträge boten überraschend viel landestypische Folklore – Spanien etwa mit einer Flamenco-Abstraktion und maurischen Klängen (Blanca Paloma mit "Eaea") oder Marco Mengoni mit einer typischen Italo-Ballade ("Due vite"), die auch von Eros Ramazzotti oder Toto Cutugno hätte stammen können.

Nur Polen tat so, als sei es ein überhitztes Sommerreiseziel wie Mallorca mit seinem Strand-Reggae (Blanka mit "Solo"). Doch die Ethno-Elemente blitzten auf wie ein popkulturelles Zitat von vielen und immer in Neuinterpretation.

Vorbei ist die Zeit der Go-Go-Girls vor Windmaschinen, stattdessen gab es Female-Empowerment aus Tschechien (Vesna mit "My Sister’s Crown") oder Israel (Noa Kirel mit "Unicorn"); aus England kam ein Rachesong an den Ex (Mae Muller mit "I Wrote A Song") – Taylor Swifts Karrierekonzept in ESC-Version. Ein Highlight: der selbstbewusste, mystische Erotik ausstrahlende Auftritt von Favoritin Loreen aus Schweden mit "Tattoo", der schließlich auch auf Platz eins landete.

Der ESC zeigt, wie vereint Europa ist

"United in Music", vereint durch Musik, war das Motto des ESC. Der Wettbewerb zeichnete das Bild eines freundlichen, lebenslustigen Europa, einer geglückten Utopie, zusammengewachsen durch Billigflüge, Social Media, Spotify und Elektrobeats. Ein Europa, in dem Männer in Lametta-Pullundern (Italiens Marco Mengoni) oder neongrünen Puffärmeln auftreten (Finnlands Käärijä) und die tschechische Frauenband Vesna singt: "We are not your girls".

Es ist ein Europa, in dem man seinem ukrainischen Kumpel hilft und seinen Cousin aus Australien wie selbstverständlich aufnimmt. Ein Europa mit globalisierten Biografien, in dem man eine kanadische Französin (La Zarra mit "Évidemment") auf die Bühne schickt oder einen australischen Zyprioten (Andrew Lambrou mit "Break A Broken Heart") – aber nicht unbedingt seinen syrischen oder ghanaischen Zuwanderer.

Der Abend stellte ein Europa dar, dessen Grenzen nach innen längst zerflossen sind, aber nach außen stark sind. Ein weißes Europa – People of Color suchte man auf der Bühne bei den ersten 18 Beiträgen vergebens. Bis dann 238239513Ukraine mit dem Duo Tvorchi und dem R&B-Song "Heart Of Steel" antrat. Jeffrey Kenny, einer der Sänger, stammt aus Nigeria.

Den zeitgemäßesten Einfall hatte dann Pausenact Sam Ryder. Der Vorjahres-Abräumer trat mit versehrten Tänzerinnen und Tänzern auf. So klang mit ausgelassenen Partys im wilden Liverpool eine Nacht aus, die ihren berühmtesten Söhnen, den Beatles, gerecht wurde: All you need is love!