Wunstorf. Das Herz der gigantischen Nato-Übung „Air Defender“ schlägt in Niedersachsen. Der Luftwaffen-Inspekteur betont die Verteidigungsfähigkeit.

Will Dyke steht konzentriert vor seiner riesigen Transportmaschine. Er komme aus Kentucky, sagt der Major, „I love it here“ meint er auf die Frage, wie er es finde, in diesen Zeiten in Deutschland zu sein. Schließlich ist Dyke ja nicht auf Sightseeing-Tour, etwa in Bayern, sondern nimmt an „Air Defender 2023“ teil. Und das ist offiziell „die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der Nato“. Und natürlich erzählt der Major dann noch etwas von den Herausforderungen der Logistik. Und dass die Leute in Deutschland nett seien.

Das niedersächsische Wunstorf ist das Logistik-Herz der Riesenübung, die bereits vor Jahren erdacht wurde, aber nun mit dem Ukraine-Krieg in weltpolitisch besonders herausfordernde Zeiten fällt. Auch einmal das Verlegen von Luftstreitkräften zu üben, erschien aber offenbar schon vorher als gute Idee und überfällig. „Dieses Übung ist sehr notwendig“, sagt denn auch bei einem Statement auf dem Flugfeld die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Wegen der politischen Bedeutung der Übung angesichts des Ukraine-Kriegs ist auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu einem kurzen Statement nach Wunstorf gekommen. „Dass diese Übung notwendig ist, ist heute noch viel klarer“, sagt Weil. Die europäische Sicherheitsarchitektur funktioniere nach dem Angriff auf die Ukraine nicht mehr wie vorher.

Zwei Airbus A400M der Luftwaffe überfliegen zu Beginn des internationalen Luftwaffen-Manövers
Zwei Airbus A400M der Luftwaffe überfliegen zu Beginn des internationalen Luftwaffen-Manövers "Air Defender 2023" den Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover. Am Luftwaffen-Manöver ·Air Defender 2023· nehmen vom 12. bis 23. Juni unter deutscher Führung 25 Nationen und 10.000 Soldaten mit 250 Flugzeugen teil. © dpa | Julian Stratenschulte

Die Wehrbesauftragte Högl hebt hervor, die Idee zu der Übung sei vor fünf Jahren unter dem Eindruck der Annexion der Krim entstanden. Die gelungene Verlegung innerhalb von zehn Tagen aus den USA schildert die SPD-Politikerin als eine Art Beruhigung. Es sei wichtig, ein deutliches Signal an Russland zu senden, sagt Högl. Dass es keineswegs um eine Eskalation oder Provokation gehen soll, hebt sie aber auch hervor.

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Während beispielsweise im schleswig-holsteinischen Jagel Kampfflugzeuge aufsteigen, geht es in Wunstorf etwas weniger spektakulär zu. Doch auch was hier während der Übung passiert, die vom 12. bis zum 23. Juni läuft, ist an diesem Montag alles andere als alltäglich. „Wir sind hier schon seit zwei Wochen sehr aktiv“, sagt ein Oberstleutnant auf jenem Teil des Flugfeldes, auf dem später auch eine „folierte“, also besonders beklebte deutsche A 400 M landen wird, auch eine Transportmaschine. Denn vor dem eigentlichen Übungsbeginn sind umfangreiche Vorarbeiten nötig. Keine Starfighter also. Neben den deutschen Flugzeugen gibt es aber auch die C 130 („Hercules“) aus den USA und eine rumänische Maschine. Auch große C 17 aus den USA waren schon da, die den „Umschlag“ auf kleinere Maschinen vorbereitet haben. Rund vierhundert Amerikaner sind derzeit auf dem Fliegerhorst, der als logistisches Herz von „Air defender 2023“ gilt.

Insgesamt rund 700 Personen seien für „Air defender“ zusätzlich auf dem Fliegerhorst, neben den Amerikanern rund 150 Deutsche sowie einige Rumänen und Ungarn, heißt es. Der Anflug der großen Transportmaschinen ist eindrucksvoll – und aus der Nähe dann auch relativ laut. Die Bundeswehr hat Ohrstöpsel verteilt. Später wird Weil und Högl noch das riesige mobile Tanklager auf dem Fliegerhorst gezeigt. Es ist mit 2,4 Millionen Litern das bisher größte seiner Art – zusätzlich zu den 1,8 Millionen Litern Kraftstoff, die stationär am Fliegerhorst gelagert werden können. Auch Betankung spielt schließlich logistisch eine Schlüsselrolle. „Ohne diesen Standort Wunstorf könnte „Air Defender 2023“ nicht stattfinden“, betonte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz. Der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, sagte, Wunstorf stehe auch für die Rolle Deutschlands als zentrale Drehscheibe und Herzstück im Verteidigungsplan der Nato für Europa.

Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, spricht zu Beginn des internationalen Luftwaffen-Manövers
Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, spricht zu Beginn des internationalen Luftwaffen-Manövers "Air Defender 2023" am Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover. © dpa | Julian Stratenschulte

Gerhartz war jüngst schon bei einer Pressekonferenz in Hannover betont zurückhaltend aufgetreten. „Wir sind ein absolut defensives Bündnis, aber im Falle eines Angriffs wäre dieses Bündnis in der Lage, sich zu verteidigen“, sagte der Generalleutnant in Hannover. In Wunstorf sprach er von einem Signal auch „an uns selbst, nach innen gerichtet, in die Nato hinein“, dass man in der Lage sei, das Bündnis zu verteidigen. 25 Nationen nehmen teil, fast alles Nato-Staaten. Unter den Übungsszenarien sind auch das Reagieren auf Drohnen-Angriffe oder auf Cruise-Missile-Attacken auf Städte. Die Übung sei sehr gut angelaufen, hört man am Montag bei Deutschen wie Amerikanern auf dem Fliegerhorst. Auch Christian John, Commodore des Lufttransportgeschwaders 62 in Wunstorf, sieht das so. Die Belastungen durch die über 250 geplanten Starts sollen für die Bevölkerung so gering wie möglich gehalten werden: keine Flüge am Wochenende, keine nachts. Die „Übungslufträume“ Nord, Süd und Ost sollen zudem zeitversetzt für jeweils maximal drei Stunden genutzt werden, ein Großteil der Flüge soll über Nord- und Ostsee stattfinden.

In Niedersachsen werde man von der Übung wenig merken, hatte Ingo Gerhartz versprochen. Rund 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat die Übung. Ministerpräsident Weil bringt es in Wunstorf auf folgenden Nenner: „Dass wir uns wünschen, dass niemals eine solche Verlegung notwendig wird, wie sie hier geübt wird, das liegt auf der Hand. Aber gleichzeitig ist es besser, wenn man gewappnet ist.“

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