Braunschweig. Der Rave im Rathausinnenhof war ein Magnet bei der 14. Kulturnacht-Auflage mit über 2000 Mitwirkenden. Die hatte natürlich noch viel mehr in petto.
Dieser Abend mit seinem überwältigenden Angebot bietet die Chance, sich auch mal Kulturphänomen zu widmen, die man sich sonst eher nicht zumuten würde. Einen Tango-Schnupperkursus beispielsweise. Braunschweiger Kulturnacht, Samstagabend, 20.30 Uhr. Der renovierte Jugendstil-Theatersaal des Lindenhofs an der Humboldtstraße ist gut besucht, aber nicht ganz so gedrängt voll wie viele Angebote in der Innenstadt um diese Zeit.
Tango-Schnupperkursus im Lindenhof
Einige Tango-Aficionados ziehen schon könnermäßig ihre Kreise zur Schallplatten-Musik von Bandoneon, Gitarre, Bass, Klavier und anderen Instrumenten. Allerdings: kein Schlagzeug. Das ist im Tango eher unüblich, wie die Gastgeber und Hausherren Eleonore Eiswirt und Hans-Gerd Rose dem beherzten Schnupperpublikum erzählen, das noch beeindruckt zuschaut. Jetzt aber Aufstellung nimmt - wer keinen Partner mitgeschleppt hat, findet einen. Wie aber der Partnerin - der männlich gelesene Partner führt - verständlich machen, dass man losschreiten will? Tango sei ein „Schreittanz“, sagt Rose. Und klärt auf: „Mit sanftem Druck des enganliegenden Oberkörpers“.
Dann mal los. Die Musik klingt stolz und fein, umgekehrt proportional zu meinem Trott, meine Frau zieht geistesgegenwärtig die Füße ein. Mit der Zeit wird’s vorzeigbarer. Die geräumige Tanzfläche ist gut gefüllt, die meisten Pärchen machen’s prima. Eiswirt und Rose helfen hier und da und zeigen noch eine etwas komplexere Standardschrittfolge. Machbar. Ich schwitze weniger als gedacht und denke halbernst über einen Workshop im Lindenhof nach.
Alphornmusik im Brüdern-Kreuzgang
Sonst auch nicht ständig in meinem Streamingprogramm: Alphornmusik. Die gibt’s gleich eingangs um 18 Uhr im Kreuzgang-Innenhof der Brüdernkirche. Wunderbarer Zufluchtsort am Rand der Innenstadt, jetzt allerdings auch gut besucht. Warm und weich steigen einfache Harmonien aus den auf dem Boden ruhenden Bechern (sic!) langer, fein gedrechselter Rohre aus Haselfichte. Eines allerdings ist aus schwarzem Carbon. Weil: noch leichter, wie Ensemblesprecherin Gesa Schaumann erklärt.
Jetzt fragt Schaumann natürlich ins Publikum: Sind Alphörner Holz- oder Blechblasinstrumente? „Na klar, wenn ich schon so frage: Blechblasinstrumente!“ Das liege am Mundstück, das sich eben blase wie das einer Trompete oder Posaune: nur mit Lippenspannung, Zungenarbeit und Luftgeschwindigkeit.
Das Braunschweiger Alphorn-Ensemble spielt Stücke mit Titeln wie „Am Kreuzteich“, „Zur Tortenschlacht ins Café Haertle“ oder „Happy Rizzi Haus“. „Das ist im 5/4-Takt gesetzt. Ein bisschen schräg, wie das Haus“, sagt Schaumann. Komponiert hat die Titel der Berliner Alphornmusiker Andreas Frey. Am 19. August kann man dem Braunschweiger Ensemble nachmittags noch einmal im Riddagshäuser Klostergarten lauschen.
Queermonics singen in St. Michaelis
Die Queermonics sind vermutlich Braunschweigs jüngster Chor. Gegründet erst im September, von Johannes Höing, dem Leiter des TU-Chores. Er habe im August auf dem CSD-Festival Flyer verteilt, erzählt der 42-Jährige. Zu ersten Probe seien gleich 50 Leute gekommen.
Mehr als 30 sind nun fest dabei und zeigen um 19 Uhr in St. Michaelis, was sie schon drauf haben: für Chöre arrangierte Popsongs, zumeist noch schlicht, aber schön. Heraus sticht das stimmlich facettenreiche „Mad World“ von Tears for Fears, von Höing eingerichtet.
Warum braucht es eigens einen queeren Chor? „In anderen Chören zu singen, ist auch schön“, sagt Höing. „Aber als queere Person ist man oft der bunte Hund, der oder die Besondere. In unserem Chor eben nicht.“
Das Ensemble swingt und harmoniert. Geprobt wird donnerstags um 18.45 Uhr im Gemeindehaus St. Michaelis. Queerness sei kein Muss, aber willkommen, sagt der 42-jährige trans Mann Höing (trans Mann ist ihm zufolge korrekt geschrieben: trans sei ein reguläres Adjektiv).
Jazz aus Israel auf dem Platz der deutschen Einheit
Auf dem Platz der deutschen Einheit ist die BLSK-Bühne Braunschweigs Partnerstädten in aller Welt gewidmet. Smarter Move. Das Quintett Nascimento aus Kiryat Tivon in Israel etwa becirct mit fein ziselierten Jazz-Klängen. Später am Abend können die Leute selber mitschmettern, beim „Rudelsingen“ mit Ali Schultzes Band Hagelschaden. Zahlreich versammelt, tun sie das auch gut gelaunt, „Eviva Espana“ und „Über den Wolken“.
Rund ums Staatstheater wird der Wagnersche Ring-Zyklus gefeiert, den alle Sparten des Hauses gemeinsam gestaltet haben, bis hin zur finalen „Götterdämmerung“, die Sonntag, 18. Juni, und am 24. Juni noch einmal zu sehen ist. Samstagnacht, 22.30 Uhr, flammt im Theaterpark das „Schweißkonzert“ „Fusione del Cerchio“ auf. Mitten im grünsten Idyll, an der Oker.
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Am östlichen Ufer ist ein mobiler Kubus errichtet, mit Gaze-Vorhängen abgehängt, hinter denen Torben Laib und Felix Ermacora performen: Industrial-Sounds, teils handwerklich erzeugt mit glühendem Schweißkolben, Hämmern auf Stahl, teils elektronisch gesampelt. Alberichs düster-magisches Bergwerk im Wagnerschen Nibelheim, hier und jetzt. Faszinierende, von Licht- und Schattenrisseffekten flackernd begleitete Klanggwitter, die fesseln – aber mit der Zeit abstumpfen, weil keine erkennbare Dramaturgie sie formt.
Bocklaut im Rathaus-Innenhof
Jetzt mal raten, welcher Programmpunkt das Ü-30-Publikum ansaugt? Der Rave im Rathaus-Innenhof, beschallt von den DJs des Braunschweiger Laut Klubs. „Junger Bürgermeister im Amt“, verlautet OB Thorsten Kornblum launig zur Party-Premiere im sonst freundlich dahindämmernden historistischen Hofgeviert. Samstagnacht knallt es da so richtig. Bockvoll der Platz. Bocklaut die Bässe. Knallhart die Beats. Fast ein bisschen beängstigend. Die junge Menge genießt’s dicht gedrängt und zuckt.
Zur guten Nacht noch mal beim Arbeitgeber vorbei. Im Saal des Medienhauses ist auch noch was los. Generation Z deutschrockt „Verdamp lang her“ und „Skandal im Sperrbezirk“, zwischendrin David Bowies „Heroes“. Es geht gegen Mitternacht. Zeit, sich zu verabschieden.