Osterode. Der Countdown läuft: Bei Niklas Kahl und den Freunden und Fans aus Osterode am Harz steigt vor dem ESC-Finale am Abend in Liverpool die Vorfreude.

Der Countdown läuft: Heute Abend steht der Osteroder Niklas Kahl mit seiner Band „Lord of the Lost“ für Deutschland auf der Bühne des Eurovision Song Contest in Liverpool.

So geht es Niklas Kahl von Lord of the Lost vor dem ESC-Auftritt

„Die letzten Tage waren sehr, sehr stressig. Wir hatten Proben und viele, viele Pressetermine,“ schickte der Schlagzeuger Freitag noch Grüße per Sprachnachricht von der Generalprobe aus England. „Aber jetzt fällt der Stress langsam ab und es wird ruhiger. Umso mehr steigert sich die Vorfreude auf das, was da morgen kommt. Das wird sehr, sehr toll.“

Davon überzeugt sind neben Niklas selbst auch viele Osteroderinnen und Osteroder. „Das wird definitiv nicht wieder so eine Null-Nummer wie die bisherigen Kandidaten der letzten Jahre“, kommentiert etwa ein Facebook-User unter einem Harz-Kurier-Beitrag zum bevorstehenden Auftritt.

Eurovision 2023: Großes Public Viewing in Osterode am Harz

Support gibt es auch heute Abend: Unter dem Motto „Einheit in Vielfalt“ findet in der Wartbergschule eine große ESC-Party mit Public Viewing statt. Gefeiert werden der lokale Musiker und seine Band auf jeden Fall – egal ob sie auf den vorderen Plätzen landen oder nicht.

Um die Wartezeit bis zum Abend zu verkürzen, teilt die Redaktion ihre eigenen Erfahrungen und Erinnerungen an die Kult-Veranstaltung „Eurovision Song Contest“:

Kathrin Franke.
Kathrin Franke. © HK | Mark Härtl

Kathrin Franke: Mit Abba fängt es an

Mit Abba fangen für mich die Erinnerungen an den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ – wie er damals noch hieß – an. Lang ist’s her. Das war 1974. Ich war neun und durfte bei meiner besten Freundin seit Kindergartentagen übernachten.

Danach war ich dann lange Abba-Fan und der Songcontest gehörte einige Jahre zu meinen jährlichen Fernsehhighlights. Leider entpuppte er sich aber oft als lahme Veranstaltung. Denn ich mag Musik rockig, hart und laut. Die Siege von Nicole und Lena habe ich natürlich vorm TV verfolgt.

Was? Kein silbernes Glitzerkleid und keine Windmaschine? Das geht ja gar nicht, lästerten mein Mann und ich oft vor dem TV. Glücklicherweise ist dieser Trend vorbei. Und dass auch mehr gewagt wird und Bands wie Lordi, eine Conchita Wurst oder Sängerin Netta, die keine Barbie ist, gewinnen können, macht den Contest wieder interessant. Ich freue mich schon auf Lord of the Lost!

Svenja Paetzold-Belz.
Svenja Paetzold-Belz. © HK | Mark Härtl

Svenja Paetzold-Belz: Besser als Erdkunde-Stunde

Schrille Outfits, skurrile Tanzeinlagen und eine große Party: So habe ich die ESC-Shows von früher – geschaut habe ich seit mindestens zehn Jahren nicht – in Erinnerung. Die Musik stand selten im Vordergrund. Allerdings hat mir der ESC zu Schulzeiten mehr Erdkunde-Wissen vermittelt, als alle meine Lehrer zusammen.

Wer sind die Nachbarländer von Rumänien und wo genau liegt Moldawien? Im Unterricht hatten mich solche Fragen zugegebenermaßen wenig interessiert. Aber 0 Punkte aus Mazedonien für den tollen Beitrag aus Belgien? Da konnten nur komplexe geopolitische Verflechtungen der Grund sein. Gleich mal recherchieren, wie beide Länder geografisch und politisch verbunden sind. Heute beziehe ich meine Informationen zu Europapolitik aus anderen Quellen.

Den ESC schaue ich in diesem Jahr trotzdem seit Langem wieder und drücke unserem Osteroder die Daumen.

Mark Härtl.
Mark Härtl. © Privat | Anne Kingma

Mark Härtl: Beruhigende Tradition

Im Spektrum der Eurovision-Gucker verorte ich mich eher unter „ich schaue jedes Jahr“ als „habe das letzte Mal bei Lena zugeguckt“. Sogar eine CD und Postkarten habe ich mir gekauft, als mir in einem Jahr die Lieder besonders gut gefielen. Jetzt frage ich mich, woran das liegt. Ich glaube, in unserer Familie war der ESC eine gute Gelegenheit, gemeinsam einen gemütlichen Abend zu verbringen. Vielleicht fing diese Tradition sogar schon mit meinen Großeltern an. (Hieß das damals eigentlich noch „Grand Prix“?)

Eine Veranstaltung ist mir jedenfalls in besonderer Erinnerung geblieben: Als meine Freundin und ich nach langer Reise in unserer Bleibe in Finnland ankamen und auf die Frage, was wir heute Abend noch planen würden, einhellig antworteten: „Eurovision gucken“.

Der war nach dem anstrengenden Tag etwas Bekanntes und einfach so schön beruhigend.

Robert Koch.
Robert Koch. © HK | Mark Härtl

Robert Koch: Gib mir die Windmaschine!

Das Schöne am ESC: Der Wettbewerb war in den vergangenen Jahren herrlich verlässlich. Deutschland blamierte sich regelmäßig mit einem an Belanglosigkeit kaum zu übertreffenden Beitrag, im Osten wurden sich die Punkte munter hin- und hergeschoben und die oft leicht bekleideten Sängerinnen trällerten ihr Lied im Sturm der Windmaschine, die dann auch direkt die Stimme mit weg geweht hat.

Und dieses Jahr? Verdammt! In den Halbfinals konnte man den Einsatz der Windmaschine an einer Hand abzählen. Wenigstens Polen hat da die Ehre gerettet und zugleich feinsten Euro-Trash produziert. Und obwohl die Finalteilnehmer nur über das Zuschauervoting bestimmt wurden, sind osteuropäische Titel auf der Strecke geblieben.

Bleibt der deutsche Beitrag – aber auch der ist endlich richtig gut! Ob es für einen Platz ganz vorne reicht, glaube ich zwar nicht, aber Lord of the Lost rocken!

Kevin Kulke.
Kevin Kulke. © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Kevin Kulke: Plattgebügelt

Musik kam spät in mein Leben. Aber sie kam laut, brutal und aus dem tiefsten Ring der Hölle. Ich war 15, als meine Freunde und ich nach und nach den Heavy Metal für uns entdeckten. Besonders angesagt damals, Mitte der 2000er Jahre: Slipknot aus Iowa. Verstörende Masken und Musik so wütend wie ein Schwarm Wespen auf Meth: Natürlich haben wir es gefeiert.

Von da an musste es düster sein und möglichst brutal. Nicht so wirklich der Vibe des ESC. Aber als 2006 – ich war gerade 18 – Lordi aus Finnland auf die Bühne kamen mit „Hard Rock Hallelujah“, fieberten auch wir vor dem Fernseher mit: Gruselige Masken, Gitarren und wunderbar laut war es auch. Dass die Band im Prinzip die gleiche Musik machte wie KISS – also der Sound unserer Eltern – haben wir geflissentlich ignoriert. Für uns zählte nur: Der Metal bügelte die quietschbunte ESC-Eintracht platt. Endlich.

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