Lerbach. Kommen Sie mit uns auf eine Wanderung auf dem Eisensteinlehrpfad in Lerbach, entlang der Pingen und alten Stollen im südwestlichen Oberharz.

Es ist ein trüber, milder Herbsttag, eine dichte Decke bunten Laubs überzieht den Boden des lichten Mischwaldes und die sogenannte Alte Harzstraße, die über hunderte von Jahren Osterode, gelegen am südlichen Harzrand, und die Bergstadt Clausthal und den Oberharz verband. Auf den ersten Blick drängen sich dem Betrachter keine topografischen Besonderheiten auf. Ohne meinen fachkundigen Begleiter wäre ich munter durch das Herbstlaub gestapft, ohne die Zeugen der Montangeschichte überhaupt nur wahrzunehmen.

Aber kaum sind wir am Altenheim Talblick in exponierter Lage oberhalb des alten, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründeten Harzortes Lerbach losgegangen, macht Harzklubvorsitzender und ehemaliger Ortsbürgermeister Frank Koch auf die Senken dicht am Wegesrand aufmerksam.

Es sind sogenannte Pingen, Zeugen frühen Bergbaus aus dem 15. Jahrhundert. Lange sollte dieser die Geschicke des Ortes bestimmten. Es sind Stätten, an denen das Eisenerz noch über Tage abgebaut wurde. Die erste Lerbach Hammerhütte wird dann für das Jahr 1551 erwähnt.

Bequemer Waldweg

Bequem begehbar ist der Waldweg, der nach kurzer Strecke von der historischen unbefestigten Straße abzweigt. Weit oberhalb des für die engen Harztäler typischen langgestreckten Ortes führt er ohne erwähnenswerte Steigungen entlang. Platz, sich in der Breite auszudehnen, blieb für die Bewohner, meist Bergleute, Köhler, Fuhrleute und Waldarbeiter, drunten im Tal wenig. Wir sind unterwegs auf dem sogenannten Eisensteinlehrpfad, entlang der alten Stollen, die fleißige Bergleute zahlreich in den Berg getrieben haben. Manche Zugänge sind heute verschüttet, aber doch eben nicht alle.

In ehrenamtlicher Arbeit wurden einige vom Schutt der Jahrhunderte befreit, und so öffnen die Mundlöcher den Weg in eine Lebens- und Arbeitswelt, wie wir sie heute nur noch sehr schwer nachzeichnen, geschweige denn nachvollziehen können. Sogenannte Dennert-Tannen verweisen entlang des Lehrpfades an markanten Punkten auf die Sehenswürdigkeiten und informieren über die Historie.

Blick von Klaras Höhe auf Lerbach. In der Mitte des Ortes zieht sich der Diabaszug von der linken zur rechten Seite. 
Blick von Klaras Höhe auf Lerbach. In der Mitte des Ortes zieht sich der Diabaszug von der linken zur rechten Seite.  © HK | Michael Paetzold

Frank Koch kennt sich aus in der Montangeschichte seines Heimatortes. 1990 begann er im Namen der Heimatstube die erhaltenen Gruben zu ermitteln, die sich entlang des eisensteinhaltigen Diabaszuges wie Perlenschnüre aneinanderreihen.

Von Osterode aus verläuft er in den Harz, quert etwa in der Ortsmitte Lerbach, und zieht sich an der anderen Talseite entlang weiter bis nach Bad Harzburg. Ihm folgen wir auf dem Lehrpfad ein kurzes Stück. In Lerbach hat der Diabaszug seine größte Mächtigkeit, Erz war dabei in reichen Lagern vorhanden.

Harte und gefährliche Arbeit

Wir stehen vor dem engen Mundloch der Grube im Lehmental mit von außen gut sichtbarem Roteisenlager, bewirtschaftet von 1755 bis 1792, und können nur spekulieren, welches Lebensgefühl den Alltag der Bergleute damals bestimmte. Wie auszehrend muss die Arbeit gewesen sein, sich mit Eisen und Schlägel in das Gestein zu wühlen, wie gefährlich, es mit Feuer zu sprengen. 50 Meter und mehr sind die engen, feuchten Stollen lang, in denen das begehrte Metall abgebaut und teilweise auch kriechend ans Tageslicht befördert wurde. „Ich habe selbst mal probiert, mit Schlägel und Eisen Gestein abzuklopfen. Es ist schon bei nur einigen Minuten Arbeit unglaublich mühsam“, erzählt Koch.

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In den Gruben waren die Erzlager manchmal nur 10 bis 30 Zentimeter breit. Um so wenig wie möglich tauben Gesteins fördern zu müssen, wurden die Stollen so ausgebaut, dass nur gerade ein Bergmann hindurch passte. „Meine Hochachtung für die Arbeitsleistung dieser Menschen.“

Bergleute waren bettelarm

Das erzhaltige Gestein musste dann auf einer Art Holzschlitten oder auf Tragen die Kehren den steilen Hang hinunter in den Ort gezogen werden. Die Straße, die heute Lerbach in der Länge erschließt, wurde erst 1840 gebaut, vorher war dort ein Bachbett, und der Abtransport des erzhaltigen Gesteins in Pferdefuhrwerken oder Handkarren eine weitere Herausforderung.

Im Oberbergamt in Clausthal erhaltene Bittbriefe zeugen davon, dass die Bergleute in Lerbach trotz der harten Arbeit bettelarm waren. Sie waren sogenannte Eigenlöhner, weil sie auf eigene Rechnung arbeiteten. Gleichwohl bestimmte die verlässliche Bezahlung das Oberbergamt. Wir sind uns schnell einig: Gut, dass dieser Broterwerb heutzutage Geschichte ist.

Der Lerbacher Bergbau kam mit der Änderung des Berggesetzes und der Umstellung der Eigenlöhner zu Eigentümern der Gruben 1867 zum Erliegen, weil eine regelmäßige Entlohnung nicht mehr gesichert war.

Das Eisenstein ist auch heute noch sichtbar.
Das Eisenstein ist auch heute noch sichtbar. © HK | Michael Paetzold

In sanften Windungen schmiegt sich der Weg an den Hang. Gepflegt ist er, und das kommt nicht von ungefähr. Wegewart des Harzklubs ist Joachim Koch, der Bruder des Vorsitzenden. So sind die Mitglieder des Harzklubs ständig dabei, den Eisensteinlehrpfad frei von neuem Bewuchs und herabgefallenen Ästen zu halten. Die Natur erobert ihr Territorium schneller zurück als man denkt: Koch: „Wenn wir hier drei oder vier Jahren nichts machen, kommt man nicht mehr durch.“

Inzwischen strahlt der bunte Wald in allen Farben, denn entgegen unserer Erwartungen zeigt sich, kurz bevor wir den Aussichtspunkt Klaras Höhe erreichen, doch noch die Sonne. Von hier aus fällt der Blick frei über das Lerbachtal in Richtung Osterode und zu den Gipsfelsen, ein wahrhaft besonderer Anblick.

Brisante Kriegsakten in Lerbach?

Jetzt führt der Pfad hinab zurück in den Ort, vorbei am Kleeberger Stollen, um den sich eine besondere Geschichte rankt. 1945 sollten hier die Akten von der Heeresversuchsstelle Peenemünde eingelagert werden. In Peenemünde erfolgte die Herstellung und Erprobung der Rakete V2. Letztlich wurde nichts daraus, die wichtigen militärischen Geheimdokumente des Dritten Reiches wurden am Donnerstag, 5. April, von Lerbach aus in letzter Minute nach Goslar gefahren und von dort noch in der Nacht zur Grube „Georg-Friedrich“ in Dörnten gebracht, weil die Harzer Stollen zu feucht für die Einlagerung waren. Augenzeugen aus Lerbach hatten den Vorgang, das Eintreffen der heiklen Fracht und den Abtransport beobachtet.

Grube Weintraube

Nur wenig weiter passieren wir das Mundloch der Grube Weintraube, die einzige Erzgrube mit einer Vielzahl an Stollen und Schächten, die im nördlichen Lerbacher Revier noch weitgehend befahrbar ist. Es gab Planungen, sie zu einem Schaubergwerk zu machen, um den Besuchern den historischen Bergbau auf Roteisenstein nahezubringen. Das Vorhaben scheiterte direkt vor der Unterzeichnung am Veto des Landkreises Osterode aus naturschutzrechtlichen Gründen.

Harzklubvorsitzender Frank Koch zwängt sich durch ein Mundloch. 
Harzklubvorsitzender Frank Koch zwängt sich durch ein Mundloch.  © HK | Michael Paetzold

Hier endet unsere Tour, eine Wanderung mit viel Input auf kurzer Strecke, landschaftlich reizvoll und ganz bequem zu bewältigen. Dass er die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, die Grube Weintraube doch noch publikumswirksam vermarkten zu können, das will Frank Koch dann doch noch loswerden. Eindringlich warnt der Harzklubvorsitzende noch davor, die alten Gruben am Wegesrand zu betreten, es bestehe Lebensgefahr.

Im Lerbacher Revier bilden mehrere Strecken den Eisensteinlehrpfad, der es Besuchern ermöglicht, die Montangeschichte zu erwandern. Die Strecken beginnen zumeist im mittleren Ortsteil. Zusammengefasst sind sie mit viel Wissenswertem in dem Heft „Entlang der Lerbacher Eisensteingruben“ aus der Feder von Frank Koch. Bei ihm ist dieses Heft auch erhältlich (Telefon: 05522/73217).

Einkehrmöglichkeit

Wer nach einer Einkehrmöglichkeit in Lerbach sucht, der kann noch ein kurzes Stück weiterwandern, bis in den sogenannten Hexenzipfel am oberen Ende des Ortes, vorbei am Naturerlebnispark Lerbach zum „Harz Hideaway“, einem Wald- und Naturcampingplatz mit angeschlossener Gastronomie, der Besenkammer. Allerdings ist sie nur von Mittwoch bis Sonntag in der Zeit von 17.30 Uhr bis 22 Uhr geöffnet (vorherige Anmeldung).

Mitten im Ort liegt zudem das Hotel Sauerbrey. Von dort führt ein kurzer Fußweg hinauf ins Mühlental zum kleinen Freilichtmuseum, das die Geschichte des Bergortes nachzeichnet.