Herzberg. Der Historiker Dr. Jörg Leuschner referierte beim Förderverein Schloss Herzberg über die Entstehung und Entwicklung Grubenhagens.

Als im Jahr 1510 Uhr das Schloss Herzberg abbrannte, gingen fast alle Urkunden über den Besitz der Welfen im Fürstentum Grubenhagen verloren. Die damaligen Herrscher fragten deshalb unter anderem in Goslar an, ob dort noch die entsprechenden Urkunden vorhanden seien. Sicher, so die Antwort, und man könne natürlich Kopien anfertigen. Das Problem war aber, so der Historiker Dr. Jörg Leuschner in seinem Vortrag im Rittersaal des Schlosses Herzberg, dass Goslar die Urkunden fälschte und das eigene Herrschaftsgebiet vergrößerte, indem es vom Fürstentum Grubenhagen Gebiete abzweigte.

Dr. Leuschner referierte erstmals auf Einladung des Schloss Fördervereins Herzberg. Er erläuterte die Entstehung und Entwicklung des Fürstentums Grubenhagen und seine Verwaltungs- und Rechtsgeschichte von den mittelalterlichen Anfängen bis zum Jahr 1596.

Bruch zwischen Barbarossa und Heinrich dem Löwen

Am 1. Januar 1158 vermachte Friedrich I. Barbarossa dem Herzog Heinrich dem Löwen, Herzog von Sachsen und Bayern, den gesamten Harzforst. Heinrich der Löwe weigerte sich aber kurz darauf, Friedrich I. im Kampf gegen Mailand und die lombardischen Städte Heerfolge zu leisten, weil Friedrich ihm nicht als Lohn dafür Goslar und den Rammelsberg geben wollte. So kam es zum Bruch zwischen den beiden Herrschern.

Im Jahr 1180 wurden aufgrund dieses Streits Heinrich dem Löwen die Herzogtümer Sachsen und Bayern entzogen. Den Welfen blieb im norddeutschen Raum nurmehr ihr Eigenbesitz, den sie zudem weiter aufteilten. So im Jahre 1202, als König Otto IV. (1198-1218) im Südwesten des Harzes die Burgen Schildberg, Stauffenburg, Osterode, Herzberg, Scharzfels, Lauterberg, Hohnstein und im Nordosten die Lauenburg, Blankenburg, Regenstein und Heimburg zuerkannt erhielt.

Dr. Leuschner zählte anschließend die weiteren Herrscherfolgen bis zu den drei Söhnen Albrechts I. des Großen (1252-1279) auf. Wilhelm erhielt das Braunschweiger Land, Albrecht II. der Fette das Göttinger Land und Heinrich I. Mirabilis (der Wunderliche) das Gebiet zwischen Duderstadt, Herzberg, Osterode und Einbeck, für das sich allerdings erst spät im 16. Jahrhundert die Bezeichnung „Fürstentum Grubenhagen“ nach der erstmals im Jahre 1263 als „castrum Grubenhagen“ bezeugten Burg durchgesetzt habe.

Zum Fürstentum Grubenhagen gehörten das Amt und Gericht Grubenhagen, Salzderhelden, Westerhof, Katlenburg, die Grafschaft Lauterberg-Scharzfeld, die Städte Einbeck, Osterode, Duderstadt, Hameln (zur Hälfte) und die Rechte an Höxter, Kloster Amelungsborn, Teile des Eichfeldes (Mark Duderstadt), die Burg Everstein, ein Drittel der geistlichen Lehen in Braunschweig und Braunschweig als gemeinsamer welfischer Besitz. Zudem kam ein Drittel des Rammelsbergs und umfangreicher Streubesitz im nördlichen Vorharzland hinzu, so im Salzgittergebiet um Gebhardshagen, am Harli und am Elm. Wie eine Klammer erstreckten sich die Besitzungen der Grubenhagener Herzöge um den Süd-West-Harz herum bis vor die Tore Goslars, bis zur Burg Herlingsburg bei Vienenburg. Auch Gittelde, die Stauffenburg, die Burgen Windhausen und Hindenburg nahe Badenhausen waren gemeinsamer Besitz.

Große Teile wurden verkauft, verpfändet oder verlehnt

Große Teile des Fürstentums wurden im Laufe der folgenden Jahrhunderte, darunter das Eichsfeld mit Duderstadt, Hameln und Lutter, von den Grubenhagener Herzögen verkauft, verpfändet oder verlehnt. Im Laufe der Zeit haben sie sogar vergessen, was alles zum Fürstentum gehörte. Langsam dehnte Goslar im Harz seinen Waldbesitz nach Süden aus, auch mit Hilfe der gefälschten Urkunden.

Bis Anfang des 15. Jahrhunderts hatte sich im Fürstentum Grubenhagen eine Form des Seniorats herausgebildet. Aber erst mit dem Regierungsantritt von Philipp I. wurde das Fürstentum nicht mehr geteilt und der Regierungssitz nach Herzberg verlegt. Die grubenhagenschen Landesherrn des 16. Jahrhunderts übten ein strenges Regiment aus. Bergfreiheiten, Forst-, Berg-, Brau-, Bettel- und Hochzeitsordnungen regelten das Leben aller Einwohner bis ins kleinste Detail.

Die untersten „Verwaltungseinheiten“ im Fürstentum Grubenhagen waren die Dörfer. Bis heute findet man in den Dörfern noch Symbole und Hinweise auf deren alte Rechtsordnungen die an längst vergangene Zeiten erinnern, wie Schandpfähle, Thingplätze und Thieplätze. Ebenso findet man nahe einer Kirche oder einer Burg oftmals auch mächtige Linden oder Eichen. Infolge der großen Vermehrung von Dörfern und Städten bis zum Ende des Hochmittelalters ergab sich eine geschlossene Kulturlandschaft.

Dr. Jörg Leuschner.
Dr. Jörg Leuschner. © HK | Michael Paetzold

An der Spitze des Dorfes stand in der Regel ein für ein Jahr gewählter Burmester, der die fürstliche Autorität ins Dorf hineintragen musste. Dafür erhielt er nur eine geringe Entlohnung. Das Amt war deshalb nicht begehrt. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelten sich Vogteien, Gerichte und Ämter als Verwaltungseinrichtungen, an deren Spitze ein Vogt stand.

Seit dem 16. Jahrhundert unterteilte sich das Fürstentum Grubenhagen in acht Ämter: Herzberg, Scharzfels, Radolfshausen, Katlenburg, Salzderhelden, Rotenkirchen, Elbingerode und Osterode. Neben den Ämtern gab es im Fürstentum Grubenhagen einige bedeutende Städte: Einbeck, Osterode, Hameln, Duderstadt, ab dem 16. Jahrhundert zudem Clausthal, Altenau und St. Andreasberg. Die Städte bildeten eine weitgehend eigenständige Rechtseinheit, die aber von den Herzögen von Grubenhagen im 16. Jahrhundert zurückgedrängt wurde.

Das Fürstentum lebte von der Landwirtschaft, von der Forstwirtschaft, vom Handwerk und von der Montanwirtschaft, wobei die Landwirtschaft angesichts der Lage der Gebiete des Fürstentums im Gebirge keine große Rolle spielte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann von Goslar (Rammelsberg) aus eine neue Phase bergbaulicher Hochkonjunktur. Die Intensivierung der Montanwirtschaft im Harz führte sehr schnell zu Streitigkeiten zwischen den Akteuren, da nicht klar war, wer im Harz welche Besitzrechte besaß.

Fürst nimmt Sitz im sanierten Schloss Herzberg

Nachdem Herzog Philipp I. am 4. September 1551 verstorben war, wurde sein ältester Sohn Ernst IV. regierender Fürst im Fürstentum Grubenhagen. Er nahm seinen Sitz in dem bis zum Jahre 1528 wieder neu aufgebauten und sanierten Schloss Herzberg. Er war bestrebt, die in Clausthal und Altenau bereits begonnenen montanwirtschaftlichen Aktivitäten in einen rechtlichen Rahmen zu gießen, im Jahr 1554 erließ er eine Bergordnung und eine Bergfreiheit. Clausthal und Altenau blühten auf, wurden zu wichtigen montanwirtschaftlichen Zentren des grubenhagenschen Harzes. Die Bergfreiheiten beförderten die Grundlagen für die Entwicklung der grubenhagenschen Harzorte.

Am 2. April 1567 verstarb Herzog Ernst IV. ohne erbberechtigte Nachkommen auf Schloss Herzberg. Sein Bruder Herzog Wolfgang versuchte, das Territorium seines Fürstentums zu erweitern, ausgegebenes Lehnsgut zurückzugewinnen, was durchaus mit Erfolg, aber auch mit Rückschlägen erfolgte. Als im Jahr 1571 Graf Dietrich IV. von Plesse verstarb, konnte Herzog Wolfgang das verlehnte Haus Radolfshausen wieder dem Fürstentum Grubenhagen eingliedern. Doch nur wenige Jahre später, in den Jahren 1575 oder 1577, verlehnte Herzog Wolfgang das Amt an den Landgrafen Wilhelm von Hessen. Am 8. Juli 1593 starb mit Graf Ernst VII. von Hohnstein die Grafenlinie aus.

Die Grafschaft Lauterberg-Scharzfeld mit der Burg Scharzfels befand sich als grubenhagensches Lehen in dessen Besitz. Sofort griff Herzog Wolfgang zu und holte die Grafschaft Lauterberg-Scharzfeld mit St. Andreasberg und Lauterberg ins Fürstentum Grubenhagen zurück, ohne auf die von den Grafen von Schwarzburg und Grafen von Stolberg vorgetragenen Rechtsansprüche zu achten. Der gesamte Südwestharz stand nun wieder unter Kontrolle des Fürstentums Grubenhagen.

28 Jahre lang mit „mit großem Ruhm regiert“

Noch vor seinem Tode konnte Herzog Ernst IV. im Jahre 1566 die Aufnahme des Fürstentums Grubenhagen in die Gesamtbelehnung des Hauses Braunschweig durch Kaiser Maximilian II. erreichen. Seinem Bruder Herzog Wolfgang wurde nach dessen Tod bescheinigt, dass er mit „großem Ruhm 28 Jahre regiert habe“. Die Regierungsgeschäfte übernahm der im Jahre 1533 geborene Herzog Philipp II., der mit Herzogin Clara, einer Tochter von Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel verheiratet war. Doch auch diese Ehe war ohne erbberechtigten Nachwuchs geblieben. Im Erbfall sollte das Fürstentum Grubenhagen weiter in welfischer Hand bleiben. In welche, dies sollte dann, als die Linie Grubenhagen 1596 mit Herzog Philipp II. ausstarb, zu erbittertem Streit zwischen den Fürstentümern Braunschweig-Wolfenbüttel und Celle führen, endete vor dem Reichskammergericht, das den Welfen in Celle das bessere Erbrecht und damit das Fürstentum Grubenhagen 1617 zusprach.