Hattorf . Die nächste Segelflug-Saison kann kommen: Der LSV Kreis Osterode nutzt die flugfreie Zeit im Winter für die Wartung von Flugzeugen und Material.

Nach der Saison ist vor der Saison: In der flugfreien Zeit in den Wintermonaten treffen sich die Mitglieder des Luftsportvereins (LSV) Kreis Osterode jedes Wochenende auf ihrem Gelände in Hattorf, um ihre Flugzeuge und das gesamte technische Material – wie Rückholfahrzeuge oder Seilwinde – zu überholen und zu warten. „Es bleibt nicht aus, dass es in der Saison zu dem einen oder anderen kleinen Schaden an den Flugzeugen kommt und so wird der Winter genutzt, um diese zu reparieren und gleichzeitig die Flugzeuge zu überholen und technisch sowie optisch auf den neusten Stand zu bringen“, berichtet der Verein.

Der Fokus liegt in diesem Jahr auf den Schulungseinsitzern. Beide Flugzeuge vom Typ LS4 erhalten eine komplette Cockpitüberholung. Das bedeutet: Alle Steuerungsstangen und Verbindungen sowie das Interieur werden ausgebaut, gereinigt und neu lackiert oder bezogen. Auch der Instrumentenpilz wird ausgebaut und überarbeitet. „Viel Arbeit, aber dafür sind diese beiden Zugpferde des Vereins nach diesem Winter in einem hervorragenden Zustand und werden den Scheinpiloten und den vorangeschrittenen Schülern in ihrer Ausbildung viel Freude und tolle Flüge bringen“, sind die Verantwortlichen überzeugt.

Die Aufgabenkoordinierung übernehmen der Werkstattleiter Falk Pätzold und der Technische Leiter Christopher Geile. Jedes Mitglied bekommt seine Aufgaben zugeteilt und nach Erledigung werden alle Arbeiten von den extra ausgebildeten Werkstattleitern abgenommen und geprüft. Somit entsprechen alle Flugzeuge und die ausgeführten Arbeiten den Vorgaben des Luftfahrtbundesamtes und der Hersteller.

Jona Weinrich und Max Kunert polieren eine Cockpithaube.
Jona Weinrich und Max Kunert polieren eine Cockpithaube. © Verein

Die Mitglieder packen alle fleißig mit an, denn was in der Luft leicht und elegant wird, ist am Boden schwer zu bewegen. Die Flugzeuge werden in ihren Einzelteilen in die Werkstatt gebracht und dort auf Herz und Nieren geprüft. Nachdem alle Reparaturen abgeschlossen sind, werden die Flieger gewaschen und poliert. „So erstrahlen sie dann im Frühling und bieten uns allen das schöne Flugbild am Himmel über Hattorf“, heißt es vom Verein.

Zeitgleich wird der Schleppmotor der Seilwinde überholt und gewartet. Dieser Motor mit seinen 220 PS erhält eine neue Zylinderabdichtung. In regelmäßigen Abständen werden alle Filter und das Öl ausgetauscht, damit die Seilwinde wieder ohne Probleme in der kommenden Saison allen Piloten einen sicheren Start gewährt.

Stefan Hetmanek, Fluglotse i.R. aus Hannover, schult aktuell eine Gruppe von Flugschülern, die im letzten Teil ihrer Ausbildung angekommen sind, für die Sprechfunkprüfung. Das sogenannte BZF2 ist Voraussetzung zum Erwerb der Segelfluglizenz und wird von der Bundesnetzagentur in Bremen nach einer theoretischen und praktischen Prüfung vergeben. Die Schüler simulieren den Funkverkehr während eines An- und Abflugs auf einen kontrollierten Flugplatz. Hierbei sind die entsprechenden Sprechfunkgruppen zu beachten, damit die Kommunikation mit den Fluglotsen fehlerfrei funktioniert und es zu keinen Missverständnissen kommt. Auch Funknavigation, Lichtsignale und Notfälle wie etwa Funkausfall werden hier trainiert. „Eine sehr komplexe Aufgabe, der sich die Segelflieger stellen müssen, um ihre Lizenz zu erwerben“, so der Verein. „Aber auch das ist machbar und führt am Ende zum schönsten Hobby der Welt.“

Fluglotse i.R. Stefan Hetmanek (2.v.r.) mit den Flugschülern Michel Bothor, Tim Kunert und Kevin Schnurpfeil.
Fluglotse i.R. Stefan Hetmanek (2.v.r.) mit den Flugschülern Michel Bothor, Tim Kunert und Kevin Schnurpfeil. © Verein

Info: Segelflug gibt es hier seit 1930

Der Segelflug in der Region ist fast genauso alt wie der Segelflug an sich. Und auch der heutige Luftsportverein blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im Jahr 1930 entstand in Herzberg in Eigenarbeit zweier Segelflugbegeisterter das erste Segelflugzeug. Der heutige LSV Osterode entstand durch den Zusammenschluss der drei Einzelvereine Herzberg, Bad Lauterberg und Osterode.

Mit der Zusage von Hilfen und einem geeigneten Gelände von Seiten des Landkreises entstand so im Jahr 1971 der LSV Kreis Osterode und ist seitdem in der Aue bei Hattorf ansässig. Aktuell hat der Verein etwa 170 Mitglieder. Der LSV ist zudem ein Ausbildungsverein, somit ist es möglich, das Segelfliegen direkt im Verein zu erlernen.

Der Segelflug an sich gliedert sich in drei Bereiche: Kunstflug, Streckenflug und Wellenflug. Der Kunstflug ist wohl das Spektakulärste, was der Segelflug zu bieten hat. Er entstand aus der Notwendigkeit, unkontrollierte Flugzustände zu beherrschen, um wieder in eine normale Fluglage zu kommen. Heute geht es in erster Linie darum, die Kunstfiguren so sauber wie möglich zu fliegen.

Der Streckenflug ist die unangefochtene Königsdisziplin im Segelflugsport. Er stellt ganz besondere Anforderungen an den Piloten, da er nicht wie der Kunstflug örtlich begrenzt ist. Beim Streckenflug fliegt der Pilot eine vorgegebene Strecke, entweder über zwei Punkte oder als Drei- oder Mehreck ab. Früher benötigte er als Beweis Fotos von den Wendepunkten, eine barografische Aufzeichnung des Höhenprofils, sowie einen Sportzeugen, der die geflogene Leistung bestätigte. Heutzutage gibt es dafür GPS-unterstützte Systeme.

Neben dem thermischen Segelflug, der die aufgeheizte aufsteigende Luftmasse zur Höhengewinnung nutzt, gibt es unter bestimmten meteorologischen Voraussetzungen den Wellenflug. Dabei geraten Luftmassen, die aus einer bestimmten Richtung über einen Bergkamm strömen, in Schwingung. In einem der nachfolgenden Wellenberge kann ein ruhiger, turbolenzfreier Aufwind erflogen werden. Wellen im Wasser kennt jeder. Nach demselben Prinzip bilden sich auch die Wellen in der Luft. Ohne eine spezifische Bewölkung, die die Welle sichtbar macht, sind diese Phänomene jedoch nicht zu erkennen und daher unsichtbar. Allerdings kann der erfahrene Pilot diese Wellen nutzen, um in sehr große Höhen zu steigen. Vom Flugplatz in Hattorf sind zwei Wellen im Harz erreichbar, unter anderem auf dem Brocken.