Walkenried. Walkenried Bürgermeister blickt auf sein erstes Jahr zurück. Was er gelernt hat, was ändern will und warum er trotz allem Spaß am Amt hat.

Die Tafel hinter dem Schreibtisch von Lars Deiters ist komplett vollgeschrieben – manches in schwarz, vieles in rot. Die Stichworte darauf lesen sich wie das Who is Who der Dauerthemen, die die Menschen in Walkenried, Wieda und Zorge bewegen: Immobilien, Harz Guss, Windpark, Kurhaus, Geiersberg sind nur einige der Begriffe, die seit Monaten oder gar Jahren in der Diskussion oder Planung sind. Als Bürgermeister der Einheitsgemeinde Walkenried ist Lars Deiters seit dem 1. November 2021 der Mann, der für die Einwohnerinnen und Einwohner Lösungen finden soll – eine wahre Herkulesaufgabe, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung zu seinem einjährigen Amtsjubiläum zugibt.

Viel auf den Weg gebracht

Am 12. September 2021 war der Walkenrieder mit 52,4 Prozent deutlich vor seinen beiden Kontrahenten in das Amt gewählt worden, am 1. November hatte er die Amtsgeschäfte übernommen – „und es ist einfach unglaublich, wie schnell so ein Jahr vergeht“, gibt er offen zu. Und in diesem musste er sich gleich als Krisenmanager bewähren, denn neben den eigenen Herausforderungen innerhalb der Kommune, kommen die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine und der einhergehenden Energie-Krise noch hinzu.

Dennoch – und auch beim Blick auf die übervolle Tafel, unzufrieden ist er keinesfalls. „Wir haben viel auf den Weg gebracht“, sagt er – und betont dabei ausdrücklich das „Wir“. „Alle Projekte sind letztlich eine Teamaufgabe, allein kann man nichts erreichen. Erst recht nicht als Bürgermeister.“

Anwalt wird gebraucht

Wobei gerade in einem Bereich bräuchte er Unterstützung, die ihm aber auch in seinem Verwaltungsteam niemand bieten kann. „Ich bräuchte streng genommen ein eigenes Justiziariat“, sagt er mit Blick auf das vielfältige Vertragswerk, dass die Gemeinde Walkenried eingegangen ist. Denn bereits nach seinem Amtsantritt hatte Lars Deiters angekündigt, alle Verträge, die in Wieda, Zorge und Walkenried geschlossen wurden, einer Prüfung zu unterziehen. „Das habe ich noch nicht komplett geschafft, aber wir sind auf einem guten Weg. Doch die Arbeit gerade in diesem Bereich ist schwierig, so dass wir wirklich einen eigenen Anwalt als Gemeinde gebrauchen könnten.“

Aber auch er selbst wurde in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit mehr als Fachbereichsleiter denn als Bürgermeister gefordert. Denn mit der Wahl zum Bürgermeister und aufgrund des Weggangs des ehemaligen Allgemeinen Vertreters Christopher Wagner, der jetzt Bürgermeister in Herzberg ist, musste er eben auch die Leitung des Fachbereichs Bürgerservice und Bauen übernehmen. Keine einfache Aufgabe für einen Neuling, aber auch eine, die Deiters nicht missen möchte. „Ich habe in dem Bereich viel Einblick erhalten und mitgemacht, viel mehr als vermutlich ein normaler Bürgermeister erhält – denn dessen Aufgabe liegt ja nicht dort.“ Froh ist der Walkenrieder aber auch, dass nach der erfolgreichen Ausschreibung der Stelle seit März der neue Bauamtsleiter Norman Walther seine Arbeit angetreten hat.

Wechsel beim Verwaltungsteam

Und auch hier zeigt sich, dass sich die Gemeindeverwaltung im ersten Jahr von Deiters Amtszeit verändert hat und dies auch noch weiter wird. Aktuell ist sie allerdings auch mit einem gewissen Problem behaftet, denn von insgesamt 15 Stellen sind drei offen, die Nachbesetzung laufe aber auf Hochtouren. „Eigentlich bräuchte ich das vierfache an Personal, um alles, was an Aufgaben in den vergangenen Jahren oder gar Jahrzehnten liegen geblieben ist, zu erledigen, wie auch der neuen, hinzugekommenen Aufgaben Herr zu werden“, erklärt der Familienvater gleichermaßen scherzend wie ernst.

Dabei ist er seinem aktuellen Team in der Verwaltung dankbar für dessen Unterstützung in dem abgelaufenen Jahr. „Ich wurde überaus positiv aufgenommen, es läuft alles wirklich bestens“, findet der Verwaltungschef nur lobende Worte für seine verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur mit einem solchen Team sei es überhaupt möglich, bei angespannten finanziellen und personellen Ressourcen alles so gut am Laufen zu halten.

Ehrenamt agiert stark

Ebenfalls positiv findet der 38-Jährige die Entwicklung in der Politik – sei es in den Ortsräten, wie auch im Gemeinderat. Die Zusammenarbeit funktioniere bestens. Ein Zustand, der in Walkenried in der Vergangenheit nicht immer so war. Aber eines ist ihm auch wichtig zu sagen: „Ich bin immer noch sehr positiv überrascht, über die Offenheit der Menschen vor Ort, insbesondere in den Vereinen. Wenn man auf das Ehrenamt hier vor Ort zugeht, merkt man erst, was dort geleistet wird und wie dankbar die Menschen für eine gute Zusammenarbeit sind.“

Bei einem der prägenden Themen der letzten Monate, den gemeindeeigenen Immobilien, sieht Lars Deiters einen guten Weg zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik. Noch bei seiner Amtsübernahme im November zeigte er sich erschrocken über den Zustand der Gebäude. Deren Beschaffenheit sei so schlecht, dass sich die Ausgaben für Versicherungen mittlerweile fast verdoppelt hätten.

Herkulesaufgabe Immobilien

Deiters drängte darauf, einen Dringlichkeitskatalog sowie ein Nutzungskonzept zu erstellen, um festzulegen, „welche Gebäude wir als Gemeinde behalten möchten“. Die Bewertung ist auch mittlerweile erfolgt, nun gilt es die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Mit Blick auf die Aufgaben und emotional besetzte Themen wie die Sanierung des Zacharias-Koch-Hauses in Zorge oder dem Kurhaus in Wieda weist der Verwaltungschef auf einen Punkt hin, der ihm besonders wichtig ist – und der sich bei der Infrastruktur zeige. „Es geht um die generelle Ausrichtung der Gemeinde. Was wollen wir? Wohin wollen wir? Und vor allem wo sehen wir uns mittel- bis langfristig?“ Die Beantwortung und Bearbeitung dieser wichtigen Fragen sei dabei auch nicht nur Aufgabe der Verwaltung und Kommunalpolitik, auch die Bevölkerung müsse sich aktiv einbringen.

Kommune neu ausrichten

Aus seiner Sicht benötige es einen klaren Fahrplan, um sich nicht zu verzetteln. „In gewisser Weise bietet die notwendige Neuausrichtung auch eine große Chance für unsere Gemeinde, um sie weiterhin lebens- und liebenswert zu halten bzw. zu gestalten.“

Ein wichtiger Punkt dabei ist es für ihn auch, die Industrie vor Ort zu halten: „Perforator in Walkenried, sowie Gascogne Sack in Wieda benötigen dringend einen besseren Internetanschluss, Harz Guss in Zorge braucht die neue, starke Stromleitung.“ Gerade mit Blick auf die jüngst beschlossenen Energiesparpläne für die Kommune sowie der Absichtserklärung über den Ausbau von erneuerbaren Energien im Gemeindegebiet sieht der Bürgermeister Chancen für die Industrie aber auch die Menschen vor Ort.

Erneuerbare Energien ausbauen

Denn neben dem großen Photovoltaik-Projekt von Harz Guss, die Solarparks auf einer Fläche von bis zu 200 Hektar im Umkreis des Unternehmens bei Walkenried, Bad Sachsa, Ellrich und Branderode errichten wollen, schreiten auch die Planungen für die mögliche Aufstellung von fünf Windkraftanlagen östlich von Wiedigshof, die jeweils eine Leistung von 6 Megawatt erzielen können, voran. Versorgt werden mit Strom könnten durch diese Windkraftanlagen etwa 4.500 Haushalte, also nach aktuellen Zahlen die gesamte Gemeinde Walkenried.

Lars Deiters war zu diesem und anderen Themen auch schon bei anderen Kommunen, die bereits energieautark sind, um sich deren Vorgehen anzuschauen. „Seit meinem Amtsantritt habe ich einen dreistelligen Bereich an Arbeitsstunden in dieses Thema investiert – und wir sind noch lange nicht fertig“, betont der Verwaltungschef.

Gästebeiträge erheben

Aber auch andere Projekte gelte es voranzutreiben, um die Gemeinde Walkenried zukunftsfähig aufzustellen. So geht es darum, wie künftig weiterhin Gästebeiträge erhoben werden können. So könne man die Re-Prädikatisierung von Zorge als Luftkurort vorantreiben, oder aber Gästebeiträge aufgrund der besonderen touristischen Bedeutung Walkenrieds erheben. „Hierzu fehlt mir aber die Bestätigung seitens des Landkreises Göttingen.“

Aber auch Themen wie Hochwasserschutz, der Umbau des Geiersbergs, das Schulholz in Wieda oder aber der Umbau des Kindergartens Zorge seien wichtig. „Auch die Ansiedlung von Gewerbe und der Leerstand von Immobilien sind Themen, um die wir uns insgesamt kümmern müssen.“

IKZ mit Bad Sachsa und Bad Lauterberg ausbauen

Für die Zukunft hat Lars Deiters aber auch Pläne, die über die Gemeindegrenzen hinweg gehen. Insbesondere soll die Interkommunale Zusammenarbeit mit den Städten Bad Sachsa wie auch Bad Lauterberg deutlich ausgebaut werden. „Im Hintergrund laufen schon verschiedene Planungen dafür.“ Der Verwaltungschef verspricht sich dadurch viele Synergieeffekte und vor allem eine bessere Nutzung der Ressourcen aller drei Kommunen im Südharz zum Wohle aller Einwohnerinnen und Einwohner.

Zurückblickend auf das erste Jahr seiner Amtszeit zeigt sich Lars Deiters schon etwas erschrocken darüber, mit wie wenig Innovationsgedanken in der Vergangenheit gearbeitet worden sei. Bedenkt man seine Arbeit als ungewollter Krisenmanager in vielen Bereichen in den ersten zwölf Monaten seiner Amtszeit sind seine Wünsche für das nächste Jahr fast schon bescheiden: „Ich wünsche mir einfach mehr Stabilität. Sei es bei den Baustoffen, bei der Energie oder aber auch mit dem Umgang mit der Corona-Pandemie.“

Und trotz all dieser Herausforderungen betont Lars Deiters eines aber auch: „Es macht mir sehr viel Spaß. Die Zeit ist extrem schnell vergangen und ich bereue den Schritt keinesfalls.“