Walkenried. Anlässlich der Befreiung vor 75 Jahren werden am Montag, 6. April, in Walkenried Glocken läuten. Ruth Monicke erinnert an die Ereignisse.

Der 4. April ist ein besonderer Tag im Südharz: Jährlich gedenken Überlebende des KZ-Außenlagers Ellrich/Juliushütte ihrer Befreiung. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Gedenkveranstaltung, zu der die Gemeinden Ellrich und Walkenried immer einladen, ausfallen. Am Montag, 6. April, wird im Klosterort Walkenried wie auch in Ellrich dennoch der Befreiung gedacht: Um 11 Uhr werden die Glocken der Kirchgemeinden in beiden Orten läuten.

„Dieses Gedenken ist umso wichtiger in einer Zeit, in der die Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit verharmlost werden und rechtsextremes Gedankengut versucht, sich als angeblich normale bürgerliche Überzeugung darzustellen“, erklärt Pfarrer Heiner Reinhard aus Walkenried.

Schon bei dem Arbeitseinsatz im Februar auf dem Außenlagers sei immer wieder zu hören gewesen: Gerade jetzt dürfe man nicht schweigen, sondern müsse sich erinnern.

„Dieser Haltung fühlen wir uns als Kirchengemeinden verpflichtet und erinnern darum mit unserem Glockengeläut an die vielen Menschen, die hier bei uns unter grausamsten Bedingungen ihr Leben verloren haben“, verdeutlicht Heiner Reinhard.

Die Walkenriederin Ruth Monicke hat zudem einen Bericht über die Ereignisse vor 75 Jahren erstellt: „Am 4. April 1945, es ist 6 Uhr am Morgen. Die Häftlinge werden zwei Stunden später geweckt als üblich. Es ist Unruhe. Die Häftlinge ahnen, hier tut sich was. Wird die Auflösung des KZ-Lagers eingeleitet? Das Wachpersonal schleppt Dokumente, die werden ins Feuer geworfen. Wie soll denn je einer erfahren, wer sein Leben an diesem Ort der Verdammung verloren hat?

Der „Lagerschutz“ prügelt wie wild um sich, sind sie, die Arbeitssklaven dazu verdammt, liquidiert zu werden? Alles ist hektisch, Eisenbahnwaggons werden beladen. Marschkolonnen werden zusammengestellt. Es vergehen Tage, die Toten werden unterwegs ausgeladen, ehe die Waggons in Bergen-Belsen eintreffen.

Die Häftlinge, die noch auf ihren Beinen stehen konnten, waren für den berüchtigten Todesmarsch über den Harz vorgesehen. Die Toten unterwegs hat keiner gezählt. Und so hat auch selten eine Mutter erfahren, an welcher Straße ihr Mann, ihr Sohn, oder ein Vater, sein Grab gefunden hat. Es waren derer viele, die nie daheim angekommen sind.

Nicht weniger schwer erging es denen, die erst im Laufe des Jahres 1946 ihr Zuhause wiederfanden, die ausgemergelt und krank an Leib und Seele, in Krankenhäusern ihre „Befreiung“ auskurieren mussten. Die Freiheit musste sich der kaputte Körper erkämpfen.

Und heute? Ehemalige Gefangene leiden noch immer an schwersten Traumata. Die keinen Schlaf finden, deren Psyche gestört sind von all den Demütigungen und Schlägen und ihre Peiniger nicht vergessen können. Sie werden zeitlebens von wiederkehrenden Alpträumen geplagt.

Trotzdem kommen sie Jahr für Jahr zurück an den Ort der Schmach und gedenken ihrer Kameraden, denen eine Heimkehr nicht vergönnt war. Sie erweisen den Resten der Toten im Naturschutzgebiet Juliushütte ihre Reverenz. Die zu Lebzeiten als Häftlinge mit ihnen die Pritsche teilten und in höchster Not Halt und Stütze waren. Sie hatten eines gemeinsam, sie waren in ein Außenlager von Dora geraten, dem der Ruf vorausging: „Kamerad, du hast überall die Chance mit dem Leben davonzukommen, aber kommst du nach Juliushütte, dann gibt es kein Entrinnen!“

Doch nun war der Tag nicht mehr weit -- der 75. Jahrestag ihrer Befreiung – den hatten sie geschafft, der sollte gefeiert werden. Ich hätte es Euch so sehr gegönnt“, schreibt Ruth Monicke.