Bad Lauterberg. Harz Kurier und weitere Pressevertreter fordern Bad Lauterberger Rat zu Änderung auf. In jüngster Sitzung wurden Pressefotos rechtswidrig untersagt.

Die Geschäftsordnung des Stadtrates von Bad Lauterberg verstößt gegen die Bestimmungen des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG), was die Einschränkung der Berichterstattung über öffentliche Sitzungen angeht, konkret die Bestimmungen zum Anfertigen von Fotos in Ratssitzungen. Die regelmäßig aus den Ratssitzungen berichtenden Medien -- der Harz Kurier, die Online-Plattform Lauter Neues und der freie Journalist Karl Heinz Bless – haben deshalb gemeinsam den Stadtrat aufgefordert, die Geschäftsordnung an die gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Ein entsprechendes Schreiben wurde am Mittwochvormittag an Bürgermeister Dr. Thomas Gans übergeben. Er wird das Schreiben an den Stadtrat weiterleiten, damit dieser sich in seiner nächsten öffentlichen Sitzung damit befassen kann.

Anlass für dieses Vorgehen ist, dass in der Ratssitzung am 14. Mai das Fotografieren zum Zwecke der Berichterstattung mit Verweis auf die Geschäftsordnung untersagt wurde. Demnach müssten die Ratsmitglieder einem entsprechendem Antrag des Ratsvorsitzenden „einstimmig zustimmen“, damit dieser das Anfertigen von Bildaufnahmen gestatten kann. In der Sitzung lehnte dies jedoch eine Fraktion geschlossen ab, so dass der Ratsvorsitzende Rolf Lange (CDU) keine Erlaubnis zum Fotografieren erteilte.

Unzulässige Einschränkung

Das geschilderte Verfahren steht jedoch im Widerspruch zu den Bestimmungen des NKomVG, § 64 „Öffentlichkeit der Sitzungen“. Dort heißt es eindeutig: „In öffentlichen Sitzungen sind Bildaufnahmen zulässig, wenn sie die Ordnung der Sitzung nicht gefährden.“ „Die gegenwärtige Form der Geschäftsordnung des Stadtrates ist unserer Auffassung nach eine unzulässige Einschränkung der verfassungsmäßig garantierten Freiheit der Berichterstattung“, so die Unterzeichner des Schreibens an den Rat.

Diese Rechtsauffassung teilt auch der Deutsche Journalistenverband (DJV), den unsere Zeitung um eine Stellungnahme gebeten hat: „Durch die Regelung in der Geschäftsordnung wird das Verhältnis aber zwischen Regel und Ausnahme auf den Kopf gestellt. Danach ist das Fotografieren bereits verboten, wenn kein Antrag gestellt wird und/oder nur ein Ratsmitglied dem Antrag ohne Grund nicht zustimmt“, so der DJV. „Nicht das durch Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz legitimierte Berichterstattungsinteresse der Presse bedarf im Rahmen der öffentlichen Ratssitzungen einer besonderen Legitimation, sondern im Einzelfall ein etwaiges Interesse Beteiligter, derartige Berichterstattung einzuschränken oder gar zu untersagen. Der schlichte Unwille Beteiligter, fotografiert zu werden, kann ein Verbot von Bildaufnahmen aus öffentlichen Sitzungen nicht rechtfertigen. Wir halten dies für einen unzulässigen Eingriff in die Pressefreiheit. Der DJV setzt sich für die uneingeschränkte, freie Berichterstattung ein und sieht darum Vorkommnisse wie die in Bad Lauterberg mit Sorge. Gerade im lokalen und regionalen Bereich ist die Wächterfunktion der Presse wichtig. “ Auch Bürgermeister Dr. Gans teilt die Rechtsauffassung der Medien: „Gesetz bricht Satzung.“

Kein Fotografier-Verbot im Rat

In der aktuellen Geschäftsordnung, gültig seit Oktober 2017, heißt es unter Paragraf 2 „Öffentliche und nichtöffentliche Sitzungen“, Absatz 3: „Ausschließlich zur Realisierung journalistischer Anliegen von Vertreterinnen und Vertretern der Medien beabsichtigte Ton-, Bild- und Filmaufnahmen mit eigenem Gerät und für Übertragungen z.B. auf der Homepage der Stadt Bad Lauterberg im Harz können auf Antrag von der oder dem Ratsvorsitzenden zu bestimmten Anlässen zugelassen werden, wenn die anwesenden Ratsmitglieder dem Antrag einstimmig zustimmen und die Aufnahmen und audiovisuellen, zeitgleichen oder zeitversetzten Übertragungen den Verlauf der Sitzung nicht stören.“

Mit dem Hinweis auf die Regelungen aus § 64 NKomVG, „Öffentlichkeit der Sitzungen“, fordern die Unterzeichner des Schreibens den Rat der Stadt auf, den betreffenden Passus der Geschäftsordnung zu ändern. Im Kommunalverfassungsgesetz in seiner Fassung vom Oktober 2016 heißt es eindeutig, dass Bildaufnahmen in öffentlichen Sitzungen grundsätzlich zulässig sind. „Nicht das Recht zu Bildaufnahmen (Fotos) darf die Ausnahme sein, sondern nur ein Verbot wäre eine seltene Ausnahme. Ziel einer öffentlichen Ratssitzung ist die Transparenz der getroffenen Entscheidungen des Rates. Dazu gehört auch die bildliche Berichterstattung“, so die Unterzeichner des Schreibens.

Bürgermeister Dr. Gans bestätigte beim Termin im Rathaus die Rechtslage. Was die Geschäftsordnung des Rates angeht, erläuterte er, dass die Stadtverwaltung an der Formulierung nicht beteiligt war. „Ich hätte das nach dem Streitfall selbst zum Thema gemacht und den Rat auf die Novellierung des NKomVG aufmerksam gemacht, wonach die Presse nicht um Erlaubnis fragen muss.“

Er bezieht sich damit auf die beiden jüngsten Ratssitzungen vom 28. März und 14. Mai. Ende März stimmte der Rat über die Aufnahme von ergebnisoffenen Fusionsverhandlungen mit den Nachbarkommunen Bad Sachsa und Walkenried ab. Der Harz Kurier hatte dazu auf seiner Internetseite ein Foto von der Abstimmung veröffentlicht. Daraufhin protestierte ein abgebildetes Ratsmitglied mit Verweis auf die Geschäftsordnung bei der Redaktion, forderte das Löschen des Fotos von der Homepage und erklärte, er behalte sich „wegen der Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte“ die Forderung von „Schadenersatz“ und „rechtlicher Mittel“ vor. Da sich die Rechtslage in diesem Fall zunächst kurzfristig nicht klären ließ, entschloss sich die Redaktion vorsorglich, das Bild wieder von der Homepage zu entfernen. In der folgenden Ratssitzung informierte der Berichterstatter, den Regelungen der Geschäftsordnung folgend, den Ratsvorsitzenden Rolf Lange, dass er beabsichtige, Bildaufnahmen anzufertigen. Dies wurde jedoch wegen der Gegenstimmen aus einer Ratsfraktion von Rolf Lange nicht gestattet.

Daraufhin sahen die Medien die Notwendigkeit, die Rechtslage in Bezug auf die Berichterstattung aus öffentlichen Sitzungen zu klären.