Göttingen. Theaterleitung, Schauspieler und Mitarbeiter richteten einen gemeinsamen Appell an Politik und Verwaltung.

Kurz vor Beginn der vierwöchigen Sommerpause zog das Junge Theater ein Resümee der vergangenen Spielzeit 2020/2021 sowie eine Vorschau auf die kommende. Ort der Open Air-Versammlung war der Göttinger Wochenmarktplatz in unmittelbarer Umgebung des zur Zeit geschlossenen Otfried Müller Hauses (OMH), der eigentlichen Spielstätte des Theaters.

„Seit eingeschränkter Wiedereröffnung ab Mai hatten wir 2.500 Gäste bei Veranstaltungen im Haus und auf unserer neuen Hofbühne. Hinzu kommen noch 1.200 Kinder live am Kita-Zaun sowie 1.200 Schüler bei unseren digitalen Schulangeboten, in Summe also 4.900 Personen. Dies bedeutet eine Auslastung von 98 Prozent. Insgesamt kommen wir in der abgeschlossenen Spielzeit auf eine Zuschauerzahl von circa 12.000. Wir hätten noch mehr spielen können, allerdings ist das mit 30 Mitarbeitern nicht zu stemmen“, erläuterte Theaterintendant Nico Dietrich.

Trotz pandemiebedingter Theaterschließung habe man etwa ein Viertel des Publikums live erreicht. Eine tolle Leistung, wie Dietrich befand. Er bedankte sich bei den Mitarbeitern, die das digitale Angebot umgesetzt haben. Es folgte ein kleiner Ausblick auf die nächste Saison, die nach Ende der Sommerpause am 23. August beginnen wird. Mit „Heilig Abend“ am 25. September und „Unter der Drachenwand“ am 2. Oktober stehen schon zwei Premieren terminlich fest.

Voigtschule ist für das Theater nicht geeignet

Es folgen mit der Musikshow „Dirty Old Town“ (Uraufführung im November geplant) und „Die wunderbaren Abenteuer der kleinen Baroness Münchhausen zu Lande, zu Wasser und in der Luft“ (Termin noch nicht bekannt) zwei weitere neue Aufführungen in 2021. Aber nicht nur Rückblick und Vorschau standen auf der Agenda, sondern auch ein Punkt, der allen JT-Beschäftigten auf den Nägeln brennt: „Vor zwei Jahren zog das Junge Theater wegen der anstehenden Sanierung des Otfried Müller Hauses, unserer eigentlichen Spielstätte, in das Provisorium Voigtschule an der Bürgerstraße um. Dieser Ort ist als Veranstaltungs- und Arbeitsstätte für uns nicht geeignet. Der Saal bietet nicht nur 70 Prozent der Platzkapazität des OMHs, die Bühne hat auch nur ein Drittel der Fläche und zudem nicht die technischen Voraussetzungen für einen Repertoire-Theaterbetrieb wie unseren.

Nur 40 statt 120 Gäste

Im OMH könnten 120 Gäste unter Coronabedingungen bespielt werden, nicht nur etwa 40 wie jetzt“, erläuterte Theaterintendant Dietrich die jetzige Lage. Während der Coronaeinschränkungen habe sich nochmals gezeigt, dass wegen nicht vorhandener Lüftungsanlage und der Saalgröße diese Interimsspielstätte für einen dauerhaften Theaterbetrieb nicht nutzbar sei.

„Das Junge Theater erwirtschaftet 50 Prozent seines Etats aus eigenen Kräften. Im Bundesdurchschnitt liegt der Eigenerwirtschaftungsanteil von Theatern bei 15 Prozent. Dies gelingt uns mit 250 Veranstaltungen und 40.000 Zuschauern pro Jahr und öffentlichen Zuschüssen von nur 750.000 Euro. Ein zügiger Rückzug ins Stammhaus am Wochenmarkt ist also schon aus wirtschaftlichen Gründen zwingend notwendig. Wir wollen, wir müssen zurück in unser Theater“, so Dietrich weiter.

Sanierung hat noch nicht begonnen

Geplant war, nach zwei bis drei Jahren wieder in das sanierte OMH zurückzuziehen. Jedoch habe die Sanierung noch nicht einmal begonnen. Seit einigen Wochen gebe es nun nach langem Stillstand endlich wieder Gespräche zwischen Bauverwaltung und dem Theater als Nutzer. Dies sei der Initiative der neuen Baudezernentin Claudia Baumgartner zu verdanken. Der Stadtverwaltung sei mittlerweile bewusst, dass die Bausumme von sechs Millionen Euro – hälftig aus Bundesmitteln und dem städtischen Haushalt – nicht genügen wird, um die Bedarfe des Jungen Theaters sowie des Kulturzentrums Göttingen (KAZ) umzusetzen. Eine mögliche Lösung wäre daher der Verbleib des KAZ in der Voigtschule.

„Es zeigt sich, dass die Bausumme auch bei dieser Lösung nicht genügen wird, allein für das JT die Mindestanforderungen einer Veranstaltungs- und Arbeitsstätte umzusetzen. Dies hat nicht zuletzt mit den unnötigen jahrelangen Verzögerungen zu tun mit der Folge, dass es jetzt teurer werden wird. Eine halbherzige Lösung, also quasi bauen soweit das Geld reicht, ist für uns nicht akzeptabel, weil mit ihr das Theater nicht spielfähig wäre. Es muss jetzt vorangehen, lasst uns bitte anfangen“, unterstreicht Tobias Sosinka, Geschäftsführer des Jungen Theaters.

Rückhalt aus Politik und Verwaltung wird vermisst

Und Nico Dietrich fügt hinzu: „Wir hätten gerne eine belastbare Zeitplanung!“ Es werde der Rückhalt von Verwaltung und Politik vermisst. Alle, die mit dem Jungen Theater ihren Lebensunterhalt verdienen, seien frustriert und verärgert. Man mache gerne Theater und Kultur für die Stadt und Region. 40.000 Zuschauer im Jahr zeigen, dass das JT gewollt und gebraucht werde. Für das Ensemble ergriff Schauspielerin Agnes Giese das Wort: „Hier auf der Bühne am Wochenmarkt kickt es ganz anders als in der Bürgerstraße“ und Kollege Jan Reinartz pflichtet bei: „Wir werden so gut es geht für unser Publikum spielen, aber wir wollen wieder ins Otfried Müller Haus, wir brauchen eine schnelle Lösung!“

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine gemeinsame Plakataktion aller Beschäftigten des JTs mit der klaren Botschaft „Wir müssen zurück in unser Theater!“ Verbunden mit der Bitte an die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung: „Lassen Sie das Junge Theater Göttingen nicht allein!“