Sondershausen. Die Inszenierung der Oper „Tosca“ bei den Thüringer Schlossfestspielen verschenkt viel Potenzial.

Mit der Inszenierung von Giacomo Puccinis „Tosca“ verabschiedet sich Regisseurin Annette Leistenschneider aus Nordthüringen und dem Südharz. Entsprechend hoch war die Messlatte bei der Premiere zu den Schlossfestspielen Sondershausen am Donnerstag. Doch die Erwartungen wurden nicht alle erfüllt. Die Aufführung zeigt stellenweise Defizite.

Der Einstieg macht neugierig. Hyun Min Kim huscht als entflohener Häftling Cesare Angelotti über die Bühne. Gekleidet ist der ehemalige Konsul wie die Gefangenen in Guantanamo. Dazu hat ihn die Maske in einen Thüringer Ai Weiwei verwandelt. Das ist eine starke Aussage, zumal in Zeiten, in denen die Freiheit der Kunst von vielen Seiten unter Druck geraten ist.

Kunst trifft auf Macht

Dieses Motiv taucht immer wieder auf, bis es Hye Won Nam in der Rolle der Floria Tosca im zweiten Akt deutlich ausspricht. Der Maler Mario Cavaradossi ist ein anerkanntes Mitglied der römischen Gesellschaft, bis er im Eilzugtempo politisiert wird und sein Leben geben muss. In dieser Inszenierung trifft Kunst auf Macht, wird zum Spielball und zur Verliererin.

Die zweite Aussage betrifft die Religion. Diese ist immer eine Erfüllungsgehilfin der Macht, verkörpert in der Gestalt des Polizeichefs Scarpia. Manifestiert wird dies am Ende des ersten Aktes, als sich Polizisten aus Mönchskutten pellen.

Mit den Emotionen hapert es

Das Taschentuch kann stecken bleiben. Mit den Emotionen hapert es in dieser Inszenierung. Das liegt vor allem an der Musik.

Das Loh-Orchester schaltet zu Beginn der Aufführung in das Largo und kommt aus dieser Gangart nicht mehr raus. Mit diesem Mangel an Differenzierung wird jede Menge Potenzial verschenkt. Nach spätestens zwei Stunden stellt sich das Gefühl ein, alles das an diesem Abend schon ein- bis zweimal gehört zu haben. Besonders die Kerker-Szene und die Duette von Tosca und Cavaradossi leiden darunter. Wenn man sich seit mehr als zwei Stunden im gebeugten Trauer-Modus bewegt, dann kann man gar nicht mehr tief fallen.

Zudem ist „Tosca“ eigentlich eine rasante Oper. Die Handlung ist extrem komprimiert. Innerhalb von 24 Stunden wird eine große Liebe auf die Probe gestellt, bricht eine Welt zusammen und es sterben vier Menschen für nichts und wieder nichts. Da darf es schon ein bisschen mehr sein an Tempo, Dramatik und Ausdruck. Dann würden die tragischen Szenen im Kontrast dazu besser wirken. Auch das Bühnenbild von Wolfgang Rauschning erfüllt nicht die hoch gesteckten Erwartungen. Wie schon bei der „Addams Family“ wirkt es beengt und hinein gequetscht in die Kulisse des Schlosses. Eine Öffnung zu den historischen Bauten im Hintergrund liegt doch im zweiten Akt geradezu auf der Hand.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass gerade dieses kleinteilige Bühnenbild ein Mehr an schauspielerischen Elementen verhindert. Die Oper folgt zu oft dem Schema „Auftritt, Rezitativ, Arie, Abgang“.

Entwicklung und Überraschung

Eine erstaunliche Entwicklung zeigt Kyounghan Seo in der Rolle des Mario Cavaradossi. Aus seinem einst rein technischen Gesang hat der Tenor mittlerweile einen durchweg lyrischen Vortrag gemacht. Je länger er in Nordhausen und Sondershausen ist, desto mehr gewinnt er an Ausdrucksfähigkeit. Seine Stimme scheint nun mit Samt unterfüttert. Man darf gespannt sein, zu welchen Leistungen Seo in der kommenden Spielzeit fähig sein wird.

Die Überraschung des Abends ist Johannes Schwärsky in der Rolle des Scarpia. Der Bariton kann nicht nur mit einem enormen Stimmumfang überzeugen, den er in Höhen und Tiefen gleichermaßen fehlerfrei auf die Bühne bringt.

Ein netter Fiesling

Der Heimkehrer ans Theater Nordhausen weiß auch mit schauspielerischen Qualitäten zu glänzen. Er kreiert so etwas wie einen netten Fiesling. Sein Scarpia ist nicht nur ein Bösewicht, sondern auch ein Mensch mit dunkler Seite. Es ist fast schon schade, dass Scarpia sein Leben am Ende des zweiten Aktes aushauchen muss.

Weitere Vorstellungen im Rahmen der Thüringer Schlossfestspiele finden am Samstag, 17. Juli, Mittwoch, 21. Juli, Freitag, 23. Juli, und Sonntag, 25. Juli, statt. Weitere Informationen und Karten gibt es online auf www.schlossfestspiele-sondershausen.de.