Nordhausen. Nordhausen hat einen Klimapavillon. Nahezu täglich finden dort Veranstaltungen statt.

Klimaschutz hat Verfassungsrang in dieser Bundesrepublik, die Politik ist zum entsprechenden Handeln verpflichtet. Es ist diese Grundaussage im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Donnerstag, die zu keiner passenderen Zeit für Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) hätte getroffen werden können. Denn tags darauf eröffnet sie in Nordhausen den Klimapavillon. Die Rolandstadt ist die fünfte Station für diesen Kuppelbau, in dem rund um das Thema Klimaschutz diskutiert werden soll. Wobei die Corona-Pandemie vorerst in die Online-Welt zwingt. Das große Eröffnungsfest bleibt denn auch am Freitag aus, stattdessen stehen Siegesmund und andere vor Kameras für einen Live-Stream.

„Wenn wir es nicht schaffen, die Emissionen deutlich zu reduzieren, also die Klimaschutzziele zu unserer tagtäglichen Handlungsmaxime zu machen, begrenzen wir die Freiheitsrechte künftiger Generationen“, mahnt die Ministerin mit Blick auf das Urteil des höchsten deutschen Gerichts an.

Fast zehn Meter hoch ist der Kuppelbau 
Fast zehn Meter hoch ist der Kuppelbau  © Christoph Keil

Wie schlimm es um das Klima dieses Planeten stehe? Viktor Wesselak, Nordhäuser Experte für erneuerbare Energien, sagt, es sei „superernst“. Der Klimawandel sei nicht aufzuhalten, es könne nur noch darum gehen, ihn „beherrschbar“ zu halten. „Es ist ein Unterschied, ob sich zehn oder 100 Millionen oder zwei Milliarden Menschen auf den Weg machen“, sagt Wesselak über künftige Klimaflüchtlinge. Der Klimawandel werde massive Folgen haben, auch die Umsiedlung einiger 100.000 Menschen in Deutschland. Doch könne es gelingen, das Wohlergehen für alle aufrechtzuerhalten. „Wir können das Problem lösen, wir haben alle technischen Möglichkeiten. Es ist eine Frage des politischen Willens.“ Welche Technologien eingesetzt werden sollen, darüber brauche es eine gesellschaftliche, wissenschaftsbasierte Debatte, sagt Wesselak und schätzt den Klimapavillon als Raum für diese. Das Umweltministerium wählte bewusst die ungewöhnliche Architektur, entworfen von Andreas Reich. Auf dem stählernen Fundament steht eine metallene Tragkonstruktion, überwölbt von einer dünnen Membran. „Es wäre der Szenetreff für die nächsten fünf Monate in der Stadt, hätten wir Corona nicht“, ist der Architekt überzeugt. Immerhin: Die Dauerausstellung kann täglich von 10 bis 20 Uhr besucht werden. Nicht nur für Kinder dürfte eine Klimarallye spannend sein. Vor der Tür wachsen in Hochbeeten Kräuter und Gemüse, lädt ein Barfußpfad zum Sinneserlebnis ein, filtert eine mit Moos gefüllte Holzkonstruktion den Staub aus der Luft.

Das vorerst online stattfindende Angebot sieht einen Vortrag, Podiumsdebatten oder Workshop für fast jeden Tag vor. Für den 11. Juni hat sich Polarforscher Markus Rex angekündigt, auch Harald Lesch hat schon zugesagt. „Akzeptanz bei den Bürgern zu suchen und finden, ist mein Ziel“, sagt Nordhausens Oberbürgermeister Kai Buchmann (parteilos) mit Blick auf den Klimaschutz. Der liege in der DNA der Stadt, weist er auf das Nordhäuser Klimaschutzprogramm, den Klimaschutzmanager hin. Siegesmund zufolge diskutiert der Stadtrat derzeit über ein Solarkataster.