Nordhausen. Die Oper „Julius Cäsar“ von Händel wird am Theater Nordhausen gezeigt.

Händel mal ganz anders und doch sehenswert. So präsentiert sich derzeit die Oper „Julius Cäsar“ am Theater Nordhausen. Die Absolventen der Hochschule „Felix Mendelssohn Bartholdy“ zeigten bei der Premiere eine reife Leistung.

Schon vor dem Schlussvorhang gab es reichlich Applaus. Julius Cäsar hat die Schlacht von Pharsalos gewonnen. Sein Feind Pompeo ist auf der Flucht. Der Sieger wird in Alexandria erwartet. Männer in Tarnfleck und Security-Look mit Knopf im Ohr hasten über die Bühne, stellen Stuhlreihen auf und platzieren ein Rednerpult. Die Siegesfeier wird vorbereitet und das Jubelvolk wird wie Stimmvieh auf die Bühne getrieben. Dann darf der Chor zum Lobgesang ansetzen. Er agiert als Versammlung der Einzelnen und zeigt ein wunderbar transparentes Klangbild. Sänger und Sängerinnen bleiben erkennbar.

Einzelkritik

Davide Lorenzato hat in der Einstudierung hervorragende Arbeit geleistet. In der ersten Szene scheint Matthias Oldag stark von jener Salzburger Inszenierung beeinflusst, die 2012 einen Diskurs über die Moderne in der antiken Oper auslöste. Doch der Regisseur aus Leipzig löst sich schnell von dieser Vorlage. Nur noch einmal zitiert er jene Inszenierung. Seine Interpretation geht über Salzburg hinaus.

„Mission accomplished“ (Mission/Auftrag erfüllt) ist im Hintergrund zu lesen. Der Auftritt Cäsars wird zur Show. Es werden Bilder wach, die man schon hundertfach im Fernsehen gesehen hat. Auch das Treffen mit dem ägyptischen König Tolomeo bemüht die Stereotypen der medialen Inszenierung. Es fehlen einzig das Blitzlichtgewitter und die Kameras im Zuschauerraum. Leider erfüllt der erste Auftritt von Lars Conrad in der Titelrolle nicht alle Erwartungen. Er klingt noch ein wenig dünn. Aber Conrad singt sich noch warm und kann schon später mit rührenden Arien und Duetten beeindrucken. Doch ein Heldentenor ist er nicht.

Mit seiner lyrischen Interpretation und den butterweich gesetzten Tönen passt er genau in diese Aufführung, die männliche Riten zur Disposition stellt. Irgendwann wird klar: Als Imperator hat man es nicht leicht. Manchmal ist man damit einfach überfordert.

Max Dollinger ist da aus anderem Material. Glasklar setzt er seine Arien. Allein schon aus den Gründen des Kontrastes wünscht man sich mehr Einsätze des Curio. Doch es bleibt Wunschdenken. Den Kontrast muss Frieder Flesch als Achillas leisten. Doch diese Figur ist in ihrer Brutalität alles andere als ein Publikumsliebling. Doch mit dieser Darstellung reiht sich Flesch ein in die Liste der überzeugenden Leistungen.

Den Höhepunkt in der ersten Szene setzt aber Susana Boccato als Cornelia. Ihr Vortrag steckt voller Emotionen und echten Schmerz, und ihre Koloraturen setzen an diesem Abend die Maßstäbe. Sie kann aber auch feinfühlig. Das Duett im zweiten Akt mit Eva Zalenga als Sextus ist der erste Gänsehaut-Moment an diesem Abend.

Doch die Herrscherin der Bühne ist eindeutig Yeeun Lee als Kleopatra. Ihr Sopran ist nicht nur von einer beeindruckenden Dynamik, er bleibt dabei auch klar und frei von Spitzen. Ihre Koloraturen sind denen von Boccato mindestens ebenbürtig und jede Einzelne ein Erlebnis. Leider fällt ihr Auftritt und ihr Werben um Cäsar an einigen Stellen sehr aufdringlich aus. Manchmal meint man, nicht die ägyptische Thronanwärterin, sondern die Königin des Rotlichtviertels zu erleben. Aber diese Kleopatra zieht eben geschickt die Fäden, bis sie das bekommt, was sie will: Die Herrschaft und den Herrscher.

Es sind die starken Frauen, die diese Aufführung bestimmen. In den Duetten mit Lars Conrad versteht Yeeun Lee, sich zurückzunehmen, und dem großen und zarten Gefühl der Liebe den nötigen Raum zu lassen. Schließlich ist dieses eine Aussage dieser Inszenierung: Am Ende obsiegt die Liebe, egal in welcher Form, über die Gewalt.

Paradebeispiel einer Heldenoper

Als die Oper „Julius Cäsar“ 1724 die Uraufführung erlebte, war Händel auf dem Höhepunkt seines Opernschaffens. Dieses gilt seither als Paradebeispiel einer Heldenoper.

Bei Oldag sind es Heldinnen, die vorzugsweise Cargohosen tragen. Die Männer enden meist blutig. Diese Verschiebung setzt das Loh Orchester um. Unter der Leitung von Henning Ehlert zeigt es ein eher zurückhaltendes Spiel, das auf die mächtigen Töne meist verzichtet. Stattdessen ist das Klangbild transparent und filigran. Die feinen Strukturen im Zusammenspiel und Händels Ideenreichtum bleiben erkennbar.

Reife Leistung

Kongenialer Partner der Inszenierung ist das Bühnenbild von Barbara Blaschke. Auf zwei mobile Wände in L-Form reduziert, baut es nicht nur einen starken Kontrast zur barocken Vielfalt. Mal rostiger Stahl, mal goldener Wandbehang. In unterschiedlichen Drehungen und Wendungen und mit gekonnt gesetztem Licht erschafft es eine Welt, die aber begrenzt bleibt. So erleichtert es die Interpretation in allen Szenen und erweist sich als kongenialer Partner.

Das Ensemble aus Leipzig legt mit dieser Inszenierung eine reife Leistung vor. Es war sicherlich ein Wagnis, jungen Sängerinnen und Sängern solch eine Aufgabe zu stellen. Aber alle Darsteller haben trotz der Jugend den Geist des Werks gespürt. Sie erledigen mehr als reine Darstellung. Für drei Stunden leben sie den Julius Cäsar – und deswegen wird es nie langweilig.

Vorstellungen und Karten

Die nächsten Aufführungen in Nordhausen sind am 29. und am 30. März jeweils 19.30 Uhr. Karten für „Julius Cäsar“ gibt es an der Theaterkasse unter Telefon 03631/983452, in der Touristinformation Sondershausen unter Telefon 03632/788111 und im Internet unter www.theater-nordhausen.de.