Nordhausen. Theater Nordhausen: Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ ist hart an der Grenze inszeniert.

Irgendwo zwischen Rocky Horror Picture Show, Al Bundy und den Leningrad Cowboys. Anette Leistenschneider inszeniert „Die lustigen Weiber von Windsor“ als eine Oper im Grenzbereich. Damit dürfte sie ganz im Sinne des Komponisten gehandelt haben. Bestimmt wird die Aufführung am Theater Nordhausen von zwei starken Polen: Zinzi Frohwein in der Rolle der Felicity Fluth und Michael Tews als Sir John Falstaff.

Der letzte Pulverdampf der misslungenen 48er Revolution hatte sich gerade verzogen, als Otto Nicolai seine Oper zum Abschluss bringt. Doch der Kampf ging in den Kulturpalästen weiter. Die Aufgabe der Kunst ist es, das Reine und Wahre zu zeigen, auch wenn man es nicht versteht. So das Dogma des alles dominierenden deutschen Idealismus.

Nein, sagten Otto Nicolai und Weggefährten. Aufgabe der Kunst ist es, zu unterhalten. Deswegen nimmt seine Oper einiges vorweg, was erst 50 Jahre später als Operette salonfähig wird.

In diesem Sinne erzählt Regisseurin Anette Leistenschneider die Geschichte von den beiden Frauen, die es ihrem Verehrer zeigen wollen, konsequent weiter. Aus der Abrechnung mit einem selbstgefälligen Adeligen wird eine Farce über das männliche Geschlecht. Auf jeden Fall ist ihre Inszenierung der „Weiber von Windsor“ rasant, bunt und schrill.

Dabei kann sie mit Frohwein und Tews auf zwei Hauptdarsteller setzen, die die Anforderung bestens umsetzen. Beide glänzen nicht nur stimmlich, sondern setzen auch schauspielerisch einige Höhepunkte. Einziges Manko: Trotz aller Einfälle ist die Geschichte zu dünn, um damit drei Stunden zu füllen. Bis zum grandiosen Finale gibt es doch einige Längen.

Kitsch as Kitsch can. Im Bühnenbild und in der Ausstattung haben Wolfgang Kurima Rauschning und Anja Schulz Hentrich alle Insignien aufgefahren, die ein Kontinentaleuropäer für very british hält. Da darf auch die Queen nicht fehlen. Die übernimmt nämlich die Rolle der Erzählerin, inklusive Corgi zu ihren Füßen.

Der größte Teil des Inventars befindet sich auf der Drehbühne und die ermöglicht einen fast lückenlosen Umbau. Damit geht es im Eiltempo durch die Szenen. Zwar ist die Oper von Nicolai hart an der Grenze zur Operette, aber das interessiert nur die Puritaner.

Uta Haase geht in der Rolle der erzählenden Queen geradezu auf. Das distinguiert Kommentierende scheint ihre Sache zu sein.

Die Handlung beschränkt sich auf ein Weekend. Der knappe Zeitraum gibt der Oper zusätzliches Tempo. Gut kleinbürgerlich beginnt dieses Wochenende in einem Beauty-Salon mit allen Zutaten und einen Angriff auf den guten Geschmack. Trockenhauben aus den Zeiten, als die Frisuren noch B-52 hießen und die Rosen auf der Tapete so groß waren wie ein Gewächshaus. Herrlich.

Dazu Zinzi Frohwein im Peggy-Bundy-Outfit: Leggins und Top im Leopardenmuster. Da macht schon das Hingucken Spaß. Zudem macht sie auch per Gesang deutlich, dass sie die Hosen anhat. Wunderbar ist schon das Duett mit Anja Daniela Wagner, als sie den Plan zur Rache am Gockel Falstaff fassen.

Michael Tews singt und spielt den selbstverliebten Adligen mit solcher Hingabe, dass jeder seiner Auftritte zum Vergnügen wird. Auch in der Verkleidungsszene des zweiten Aktes zeigt er ungewöhnliche schauspielerische Fähigkeiten. Für die vielen Tür-auf-Auftritt-Hinter-Hecken-verstecken-Abgang-Tür-knallt-zu-Szenen ist er genau der richtige Mann.

Während Philipp Francke als eifersüchtiger Ehemann gerade in der Sauna-Szene überfordert wirkt, spielt und singt Thomas Kohl den prinzipientreuen Kleinbürger Reich mit britischer Konsequenz. Der Mann arbeitet bestimmt im Ministry of Silly Walks.

Ob nun Falstaff, Reich, Fluth oder Spärlich: Eines haben alle Männer in dieser Inszenierung gemeinsam: Sie sind Witzfiguren.

Der Opernchor macht in der Sauna-Szene deutlich, dass Fitness-Wahn nur die Kompensation für verloren gegangene Allmächtigkeit ist.

Auf jeden Fall geht es im hohen Tempo durch drei Akte bis zum grandiosen Finale. Das bietet mit Elfen und Feen eine Reihe von Anspielungen auf Shakespeares Sommernachtstraum. Schließlich liefert der Mann aus Stratford-upon-Avon das Libretto zu dieser Oper.

Als alles auf ein vorhersehbares Ende und einen enttäuschten Falstaff hinausläuft, schafft Anette Leistenschneider noch eine Wende mit einem dicken Augenzwinkern. Wunderbar.

Weitere Vorstellungen sind zu sehen am 19. und am 27. Oktober jeweils um 19.30 Uhr sowie am 14. November um 15 Uhr.