Osterode. Der Nabu appelliert, vermeintlich hilflose Vogelkinder nicht aufzunehmen. Manchmal verschlechtert die Erste Hilfe den Zustand des Vogels.

Der Nabu Niedersachsen appelliert an die Bevölkerung, vermeintlich hilflose Vogelkinder in der freien Natur zu belassen. Nur ganz selten handelt es sich bei gefundenen Jungvögeln am Boden um verlassene, verletzte oder geschwächte Tiere, die Hilfe benötigen.

„Manche Vogelarten verlassen das Nest bereits, bevor sie fliegen können“, erklärt Bärbel Rogoschik, Leiterin des Nabu-Artenschutzzentrum Leiferde. „Dazu zählen nicht nur typische Nestflüchter wie Enten, Fasane oder Kiebitze, sondern auch einige Singvogelarten.“

Im Stadtbereich handelt es sich zumeist um die bräunlich gefleckten Jungamseln oder auch Buchfinkküken, die etwa eine Woche vor dem Flüggewerden der drangvollen Enge des Nestes entflohen sind.

Herumflatternde Federknäule

„Wer aufmerksam beobachtet, wird feststellen, dass diese unbeholfen herumflatternden Federknäule mit ihrem noch viel zu kurzen Schwänzchen durchaus nicht verlassen sind, sondern auch weiterhin von ihren Eltern betreut und gefüttert werden“, sagt die Vogelexpertin. Damit sie nicht verloren gehen, lassen die Jungvögel fast unablässig sogenannte „Standortlaute“ hören.

In mehr als 80 Prozent der Fälle handelt es sich bei den anscheinend hilflosen Tieren nicht um verlassene Jungtiere. „Noch nackte Jungvögel sollten möglichst vorsichtig ins Nest zurückgesetzt werden“, erklärt Rogoschik.

„Im Gegensatz zu Säugetieren haben Vögel einen schlechteren Geruchssinn und stören sich nicht am menschlichen Geruch, so dass die Jungvögel auch nach dem Umsetzen noch von den Eltern wieder angenommen und versorgt werden. Junge Vögel, die mit nach Hause genommen werden, haben deutlich schlechtere Überlebenschancen als in der Natur.“

Daher empfiehlt Rogoschik nur in absoluten Ausnahmefällen, echte Waisen in anerkannte Vogelpflegestationen zu bringen. „In manchen Fällen muss man die Tiere tatsächlich vor den vermeintlich helfenden Menschen retten“, betont die Leiterin des Nabu-Artenschutzzentrums. „Denn manchmal verschlechtert die ‚Erste Hilfe‘ der Menschen den Zustand der Jungvögel. So kann eine falsche Ernährung zum Tod der kleinen Piepmätze führen.“

Gemäß Bundesnaturschutzgesetz

„Auch wenn wir in Leiferde eine sachkundige Pflege gewährleisten können, müssen wir immer wieder darauf hinweisen, dass gemäß Bundesnaturschutzgesetz Jungvögel nur dann vorübergehend aufgenommen werden dürfen, wenn sie verletzt, krank oder tatsächlich hilflos sind. Bei allem Engagement können wir die elterliche Fürsorge in der Naturaufzucht niemals ersetzen. Eine Handaufzucht von Jungtieren ist immer nur die zweitbeste Lösung. So bedarf eine Versorgung von Jungvögeln viel Arbeit und 48 Fütterungen täglich.“

Die beste Hilfe für alle Tierkinder ist immer noch ein naturnahes Umfeld, in dem sie bei ihren ersten Ausflügen ausreichend Schutz finden.