Braunschweig. Gerd-Peter Münden bringt in Braunschweigs Volkswagen-Halle singend, hüpfend und moderierend drei Tage lang tausende Kinder zum Singen.

Was für ein Gewusel. Bei „Klasse! Wir singen“ werden ja nicht nur Lieder gesungen, da bewegen sich die Kinder in ihren weißen Shirts mit dem bunten Notenzug auf vielfältigste Weise mit. Sie zappeln nicht nur vor Aufregung, sondern im Rhythmus des Titellieds, das beteuert „Singen macht Spaß“, und zusammen singen macht mehr Spaß. Aber sie springen auch mit einem lautstarken „Hui“ im Kreis um sich selber, denn beim Lied „Bist du fröhlich“ geht es ums Lachen.

Lichteffekte sorgten für Stimmung in der ausverkauften Volkswagen-Halle am Freitagnachmittag. Weitere Shows folgen Sonnabend und Sonntag je 11, 14.30 und 17.30 Uhr.
Lichteffekte sorgten für Stimmung in der ausverkauften Volkswagen-Halle am Freitagnachmittag. Weitere Shows folgen Sonnabend und Sonntag je 11, 14.30 und 17.30 Uhr. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Initiator und Moderator Gerd-Peter Münden tritt in der ausverkauften Braunschweiger VW-Halle gleich munter springend auf und gibt so den dynamischen und entspannten Ton des Nachmittags vor.

Endlich wieder zusammen singen

„Dankbarkeit“, so viel Ernst muss sein, erfülle ihn, dass nach zwei Jahren Corona das große Mitsing-Projekt nun doch wieder geklappt hat. Zusammen singen, aber auch zusammen lachen, das habe den Kindern gefehlt, sagt der gekündigte Domkantor aus seiner neuen Erfahrung heraus: „Ich bin ja jetzt Lehrer, und das ist wunderbar zu sehen, wie schnell die Kinder zusammen Spaß haben.“ Bei der „Tante aus Marokko“ und dem energischen Hip und Heh haben sie ihn sofort wieder.

Acht bis zwölf Wochen haben Kinder der 1. bis 7. Klassen an den mitwirkenden Schulen den Liederkanon von „Klasse! Wir singen“ gelernt und geübt. Eine CD und ein Liederbuch halfen dabei. Den verantwortlichen Lehrern dankte Münden beim Liederfest in der VW-Halle nachher besonders, aber auch den Mitorganisatoren und den Mitarbeitern der Mehrwert-Stiftung in Rautheim fürs Verpacken der T-Shirts mit dem Logo. Bis Sonntag folgen noch sechs weitere fast ausverkaufte Liederfeste und eine Aufführung des erstmals einstudierten Musicals „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“.

Lieder auch auf Plattdeutsch, Englisch und Afrikanisch

Gespannte Aufmerksamkeit auf den Rängen der singenden Kinder bei „Klasse! Wir Singen“ am Freitagnachmittag.
Gespannte Aufmerksamkeit auf den Rängen der singenden Kinder bei „Klasse! Wir Singen“ am Freitagnachmittag. © Rüdiger Knuth | Photographer Rüdiger Knuth

Münden hat bei der Auswahl des Liederkanons auch auf besinnlichere Lieder geachtet. Und wiedermal erstaunlich: Die bis dahin teils noch etwas unkonzentrierte Singeschar findet in dem ökologisch korrekten Kanon „Nach dieser Erde“ zu großer Harmonie und Aufmerksamkeit. Ob das mit dem Mitsingen der Eltern so ganz geklappt hat, wurde nicht so deutlich, dabei hatte Münden speziell die Männer noch ermuntert: „Im Stadion geht’s doch auch!“

Auch das plattdeutsche „Dat du mien Leevsten büst“ macht den Kindern wohl gerade durch den andersartigen Wortlaut Freude. „Morning has broken“ kommt gleichfalls ruhiger, und Münden hat auch das alte Volkslied „Kein schöner Land“ wieder im Programm, „weil wir Heimatgefühl nicht irgendwelchen kruden Rechten überlassen sollten“. Und Musik nicht allein Youtube, wie Münden zuvor schon betont hat.

Spaß mit Pippi Langstrumpf und den fiebernden Bibern

Zusammen singen und ein eigenes Liedgut pflegen, sei eben eine wichtige kulturelle Tradition. „Ist doch schön, wenn ein Lied wie ,Dat du mien Leevsten büst‘ die Großmutter schon gesungen hat, nun die Enkel, und irgendwann eure Enkel.“ Und gleich danach ist Musik wieder international, wenn alle Anwesenden „Bruder Jakob“ in ihrer Sprache singen. Das afrikanische „Siya Hamba“ ist klar eins der Lieblingslieder der Kinder. Da wird wieder mitgetanzt. Münden vergisst nicht all jenen zu danken, die sich für Integration einsetzen und insbesondere ukrainische Kinder betreuen.

„Klasse, wir singen“ – warum die Liederfeste so wichtig sind

Gerd-Peter Münden, unterstützt von Band und Bühnenchor aus Fallersleben, war wieder der dynamische Moderator.
Gerd-Peter Münden, unterstützt von Band und Bühnenchor aus Fallersleben, war wieder der dynamische Moderator. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

So geht es anderthalb Stunden durch ein oft kindgerecht flippiges, dann aber auch immer wieder anspruchsvolles, der Musiktradition verbundenes Repertoire. Bei „Hey, Pippi Langstrumpf“ ist echt was los, getoppt noch von „Meine Biber haben Fieber“, mit Hüpfen und Händeklatschen überm Kopf zum Saxophonsolo. Und die „Zwei kleinen Wölfe“ haben einen Auftritt aus dem Nebel: Unter Kreischen werden die verkleideten Statisten erkannt und dann das flotte Lied angestimmt, badum, badum.

Besinnliches Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“

Überhaupt trägt die Lichtshow viel zur Stimmung im Hallenrund bei, das zu zwei Dritteln von den singenden Kindern, zu einem von Angehörigen und Gästen gefüllt ist. Die Kinder staunen nicht schlecht, wenn sie plötzlich in sattes Grün oder Rot getaucht sind. Aber den tollsten Effekt gibt es bei dem ja nun ganz besinnlichen Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“, 1779 von Matthias Claudius gedichtet.

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Münden wird da ganz privat, erzählt, wie er als Kind von seinen Eltern ins Bett gebracht wurde. „Wir haben gebetet und dann dieses Lied gesungen. Schlafprobleme hatte ich nie.“ Er glaubt, dass dieses Ritual auch heute viel Ruhe und Grundvertrauen in die jungen Menschen bringen kann. „Ob mit oder ohne Gebet.“ Eigentlich ist das ganze Lied ja nichts anderes, aber mit so einem universalen Gottesbezug, dass sich niemand ausgeschlossen fühlen muss. Schön, dass Münden es so wichtig nimmt, und die Kinder scheinen der geheimnisvollen Stimmung gern zu folgen. Sie singen hier wirklich mit Piano und Bedachtsamkeit.

Lichtshow mit Sternengeglitzer

Auch Umarmen gehörte zum Bewegungsprogramm von „Klasse! Wir Singen“.
Auch Umarmen gehörte zum Bewegungsprogramm von „Klasse! Wir Singen“. © Rüdiger Knuth | Rüdiger Knuth

Und als dann noch die Sterne in der Halle blitzen und wie Sterntaler übers Publikum zu regnen scheinen, sind auch die medienverwöhnten Kids noch verblüfft und applaudieren. Da rieselt einem doch etwas Rührung den Rücken runter, so ein Kinder-Liederfest ist eben nicht irgendein Konzert.

Immerhin seit 2007 gibt es diese Initiative, schon beim Start mit 28.000 Kindern, seither exportiert nach Hannover, Berlin, Hamburg, ganz Niedersachsen, Nordrhein-Westfahlen, Rheinland-Pfalz und Bremen. Diesmal werden bis Sonntag rund 20.000 Kinder mitgewirkt haben, dazu kommen 25.000 Zuschauer.

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In zwei Jahren, so kündigt Münden an, soll es nur „Klasse! Wir singen – das Musical“ geben, eben das neue Format, das am Freitagabend noch Premiere hatte. Nochmal ganz großer Applaus für eine lebendige, vielfältige Show. Es war vielleicht etwas lauter diesmal als sonst zwischen den Liedern. Münden musste doch immer wieder eindringlich für Ruhe sorgen, damit die Show eine Show blieb. Corona hat offenbar so ein Großereignis noch mal aufregender gemacht. Darf’s auch sein, Freude wird wieder großgeschrieben. Und die Gänsehautmomente waren ja da. Ein paar Restkarten gibt’s noch, singt mit!