Bettmar. Ein 55-Jähriger erschlägt mit der Axt seine schwerkranke Mutter und tötet sich dann selbst. Das sagt ein Rentnerehepaar aus der Ortschaft dazu.

Ein letzter Gruß: Blumen und Kerzen (eine in einer Laterne) sowie eine kleine Hundefigur und Sandalen, an deren Sohlen noch Gras klebt – das alles haben offenbar Bewohner aufgebaut an der Eingangstür zu dem Wohnhaus in Bettmar (Kreis Peine), in dem der 55 Jahre alte Sohn mit seiner 83 Jahre alten Mutter gewohnt haben. Hinter dieser amtlich versiegelten Tür hat das Drama seinen Anfang genommen, in deren Verlauf beide zu Tode gekommen sind.

Ein Rentnerehepaar aus Bettmar ist fassungslos, geschockt. Sie habe Mutter und Sohn noch vor kurzem im Ort gesehen, berichtet die Rentnerin – nichts habe für sie auf diese Tragödie hingewiesen, eher im Gegenteil. „Der Sohn hat seine Mama im Rollstuhl oder mit dem Auto überall hingefahren“, schildert sie und zählt auf: zum Essen im Bettmarer Freibad, zum Frühstücken zu Cafés in der Umgebung.

Dass der 55-Jährige Probleme habe, sich überfordert gefühlt habe mit der Pflege seiner Mutter – „das haben wir nicht für möglich gehalten, davon hat er uns nie etwas erzählt“, versichert die Bettmarerin. Ihr Ehemann ergänzt: „Niemand kann in die Köpfe der Menschen hineingucken.“ Beide haben feuchte Augen.

Nach dem Leichenfund in einem Auto entdeckte die Polizei wenig später eine tote Frau in einer Wohnung in Bettmar.
Nach dem Leichenfund in einem Auto entdeckte die Polizei wenig später eine tote Frau in einer Wohnung in Bettmar. © Rudolf Karliczek | Rudolf Karliczek

Der geschiedene Sohn zieht zu seiner Mutter

Die Beziehung zwischen Sohn und Mutter muss – zumindest lange Zeit – sehr innig gewesen sein, doch dann bringt der 55-Jährige nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Braunschweig zunächst seine Mutter ums Leben und dann sich selbst.

Vor einer Ewigkeit sei der Sohn aus Bettmar weggezogen, habe geheiratet und sei dann nach seiner Scheidung wieder zurück zu seiner Mutter in die Vechelder Ortschaft gekommen: „Er hat oben in dem Haus gewohnt, seine Mutter unten“, berichtet das Ehepaar.

Die 83-Jährige habe einen Schlaganfall erlitten und sei fortan an den Rollstuhl gefesselt gewesen. „Der Sohn hat sich um sie gekümmert – uns ist es ein Rätsel, wie das alles so enden konnte“, sind die beiden Rentner ratlos: „Wir hatten immer das Gefühl, es wäre alles in Ordnung – aber das ist offenbar nur der äußerliche Schein gewesen.“ Hätten sie doch bloß etwas gesagt! In der Gastronomie und in der Landwirtschaft soll der Sohn, dessen Vater schon lange tot ist, tätig gewesen sein; seine Mutter war im Bettmarer Frauenchor aktiv, der sich im vergangenen Jahr aufgelöst hat. Die Tochter der 83-Jährigen ist ebenfalls schon gestorben.

Anders als das Rentnerehepaar schweigen andere zu dieser „reinen Polizeilage“. So erklärt auch der Vechelder Bürgermeister Tobias Grünert, die Gemeinde beziehe in dieser „Angelegenheit keine Stellung, da die Hintergründe des Vorfalls derzeit noch unbekannt sind und eine Zuständigkeit der Kommune nicht ersichtlich ist“.

„Keine Beteiligung Dritter“

Allerdings hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach der Obduktion der beiden Leichen weitere Details zum Hergang bekanntgegeben. „Wir können eine Beteiligung Dritter komplett ausschließen“, bestätigt Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft, noch einmal den Bericht unserer Zeitung: „Vieles deutet auf eine Kurzschlussreaktion.“

In einem Auto zwischen Bettmar und Sierße wurde am Dienstagmorgen ein toter Mann (55) gefunden worden. In einem Haus unweit der Unfallstelle stießen Polizisten auf die Leiche seiner Mutter (83).
In einem Auto zwischen Bettmar und Sierße wurde am Dienstagmorgen ein toter Mann (55) gefunden worden. In einem Haus unweit der Unfallstelle stießen Polizisten auf die Leiche seiner Mutter (83). © Salzgitterinfos | Rudolf Karliczek

Die Obduktion zeige demnach, dass der 55 Jahre alte Mann am Dienstag erst seine 83 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet hat. „Das Motiv ist nicht ganz klar“, sagte der Sprecher. Der Mann hinterließ keinen Abschiedsbrief.

Einiges deute jedoch darauf hin, dass der Sohn mit der Versorgung seiner schwer pflegebedürftigen Mutter überfordert war. Die 83-Jährige war seit Jahren bettlägerig, ihr Sohn war zu ihr gezogen, um sie zu pflegen.

Der rechtsmedizinischen Untersuchung zufolge hat der 55-Jährige mit einer Axt auf die 83-Jährige eingeschlagen. Ob die Frau an dem ersten Axthieb gestorben ist oder bereits zuvor eines natürlichen Todes, sei nicht mehr zu ermitteln gewesen. Ihr Gesundheitszustand war sehr schlecht. „Das ist eine wirkliche Tragödie“, sagt der Staatsanwalt.

Die Polizei war zunächst am Dienstagmorgen gegen 3 Uhr zu einem Unfall auf der Kreisstraße 71 gerufen worden. Zwischen den Vechelder Ortschaften Bettmar und Sierße war ein Auto von der Fahrbahn abgekommen. Darin fanden die Beamten die Leiche des 55-Jährigen.

Peiner soll erst Mutter und sich dann selbst getötet haben

Die Obduktion ergab, dass sich der Mann selbst Schnittverletzungen zugefügt hatte, die aber nicht zum Tode führten. Er starb demnach an einer Rauchgasvergiftung, da er mit Benzin ein Feuer in dem Wagen gelegt hatte. Als die Polizisten die Anschrift des Mannes überprüften, fanden sie in einem Haus die Leiche der Mutter.

In der verwahrlosten Wohnung rund um das Bett der Frau fanden sich ebenfalls Brandspuren. Das alles spreche für ein ungeplantes, spontanes Vorgehen, meint Wolters. Die Gründe für die Handlungen des 55-Jährigen werden sich nicht mehr aufklären lassen.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Fall nahezu abgeschlossen, „die Ermittlungen werden eingestellt“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Hinweis der Redaktion:

Normalerweise berichten wir nicht über Suizide, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wer unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leidet oder jemanden kennt, der daran leidet, kann sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie ist erreichbar unter der Telefonnummer 0800/1110111 und 0800/1110222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.

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