Vechelde. Im Interview mit unserer Zeitung äußert sich Tobias Grünert (CDU) unter anderem zu seiner neuen Rolle in der Gemeinde, zum Sparen und zur SPD.

Seit fast eineinhalb Jahren ist Tobias Grünert(CDU) im Amt, leitet nach seinem überraschenden Wahlsieg gegen Olaf Marotz (SPD) die Geschicke der Gemeinde Vecheldeals Bürgermeister. In seinem Büro im Rathaus hat der 34-Jährige nicht viel verändert: Der Teppich ist neu, und ein Gemälde mit Segelbooten des Vechelder Künstlers Bernward Orlobhängt nun in seinem Amtszimmer. Trotz seiner vielen Termine nimmt sich Grünert fast zwei Stunden Zeit für das Interview mit der Zeitung – leger ohne Krawatte oder Fliege.

Herr Grünert, als Polizeibeamter waren Sie in der Polizeidirektion Braunschweig tätig – was ist der Unterschied im Vergleich mit dem Vechelder Rathaus?

Im Prinzip ist der Unterschied allzu nicht groß. In einer Gemeindeverwaltung gibt es aber den Umgang mit den politischen Gremien. Und als Bürgermeister habe ich nun die Verantwortung für das ganze Haus. Neu ist auch, dass man als Bürgermeister in der Öffentlichkeit steht. Ich habe mich allerdings schon als Polizeibeamter im täglichen Dienst, aber auch in einigen Seminaren mit der Pressearbeit und dem Umgang mit der Öffentlichkeit befasst.

Was zeichnet einen guten Bürgermeister aus, sind Sie ein guter Bürgermeister?

Einen guten Bürgermeister zeichnet meines Erachtens der respektvolle Umgang mit den Menschen aus, die Kompromissbereitschaft und Identifizierung mit seiner Gemeinde. Und ein guter Bürgermeister sollte verwaltungstechnisches Fingerspitzengefühl haben. Sich selbst zu beurteilen, finde ich aber schwierig: Das überlasse ich der Bevölkerung und meinen Mitarbeitern.

Kann ein Bürgermeister im Home-Office arbeiten, wie Sie es teilweise tun? Oder muss er ständig buchstäblich präsent sein im Rathaus – für die Mitarbeiter, für die Bevölkerung?

Überwiegend sollte ein Bürgermeister präsent sein im Rathaus, aber das bin ich auch. Dann und wann ist Home-Office auch gut, um Vorlagen durchzuarbeiten, um sich konzeptionelle oder strategische Gedanken zu machen. Im Rathaus haben alle Mitarbeiter in den Verwaltungsbereichen die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten: Dadurch sind die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsergebnisse besser geworden, die Mitarbeiter können konzentrierter arbeiten. Nur mit Home-Office-Möglichkeiten können wir als Arbeitgeber auch weiterhin attraktiv sein.

Energiekosten, Baukosten – alles wird teurer, auch für Kommunen wie Vechelde. Trotzdem haben Sie als Bürgermeister in den ersten 17 Monaten ihrer Amtszeit zusätzliches Personal eingestellt, also die Personalausgaben erhöht? Passt das in diese (unsicheren) Zeiten?

Ja, das passt, weil wir als Verwaltung stetig Aufgabenzuwächse haben, einhergehend mit dem starken Bevölkerungswachstum. Eingestellt haben wir unter anderem: einen Fachdienstleiter Umwelt/Bauen, eine erste Stelle im Bereich Klima/Umweltschutz, eine Stelle im Liegenschaftsmanagement sowie zwei Stellen im Ratsbüro. Geplant sind zudem je eine Stelle im Bereich EDV/Digitalisierung und in der Hochbauverwaltung. Also insgesamt sieben Stellen, wobei wir als Gemeindeverwaltung allein investiv 25 Millionen Euro umsetzen müssen: Darunter sind nicht abgeschlossene Projekte aus den vergangenen zehn Jahren, aber auch der Bau einer weiteren Grundschule sowie Ratsbeschlüsse wie das Erlangen der Klimaneutralität bis 2032.

Aber wo will die Gemeinde sparen, damit es haushaltsmäßig nicht aus dem Ruder läuft? Schließlich gibt es auch freiwillige Aufgaben einer Kommune wie die Jugendpflege und Sportförderung?

Wir als Verwaltung nehmen permanent eine Kostenkontrolle vor, doch bis auf Weiteres sehe ich keinen Grund für Streichungen etwa bei der Jugendpflege und Sportförderung, die von elementarer Bedeutung für die Gemeinde sind. Obwohl wir zurzeit keine Neubaugebiete ausweisen, wachsen wir nach den Prognosen von etwa 18.100 auf 19.760 Einwohner in 2030. Das geschieht, weil wir viele Zuzüge von Menschen haben, die bei uns in Altbauten ziehen. Aber das bedeutet, dass wir unsere Kapazitäten in Kindertagesstätten und Grundschulen, jedoch auch in der Verwaltung ausbauen müssen.

Immerhin haben Sie in den Haushalten 2022 und 2023 immer einen Griff in die Rücklagen eingeplant, um den Etat auszugleichen – wie lange geht das noch gut?

Bislang haben wir noch nicht in die Rücklage greifen müssen, also warten wir erst mal die Jahresabschlüsse ab – zum Teil stehen dabei auch Überschüsse in Aussicht. Ich gehe davon aus, dass wir in beiden Jahren die Rücklage nicht brauchen – und das, anders als andere Kommunen, ohne eine Erhöhung der Grundsteuer. Und das auch, obwohl wir in diesem Jahr bei den Energiekosten Mehrausgaben von mehr als einer Million Euro haben gegenüber 2022. Aber Sie haben Recht: Wir müssen die Ausgaben im Blick haben, und wir haben sie im Blick.

Trotzdem nachgefragt: Warum ist es so schwierig, Dorfgemeinschaftshäuser zu schließen und sie – angesichts der hohen Unterhaltungskosten (Energiekosten) – zu verkaufen?

Dorfgemeinschaftshäuser sind – wie Feuerwehrhäuser – die letzten verbliebenen Orte in den Dörfern für soziale Kontakte, denn Bäcker und Fleischer sind fast überall verschwunden. Sie zu erhalten, sehe ich als ganz wichtige Aufgabe für das Gemeinwohl an.

Zu Ihrem Amtseintritt haben Sie erklärt: „Ich bin ein Freund ausgeglichener Haushalte.“ Können Sie garantieren, dass es künftig und auch bis zur Bürgermeisterwahl 2026 in Vechelde ausgeglichene Haushalte gibt?

Nein, in dieser Krisensituation lässt sich keine sichere Prognose abgeben. Aber ich halte unsere Haushaltsituation immer noch für vorbildlich – und das ohne Grundsteuerhöhung und trotz der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge. Ob es bis zum Ende meiner Amtszeit im Oktober 2026 keine Grundsteuererhöhung geben wird, weiß ich nicht. Aber wir machen eine ständige Ausgabenkritik/Kostenüberprüfung. Das, was für die Gemeinde am besten ist, tun wir – unabhängig von der Wahl 2026.

Der Radweg an der Landesstraße 473 von der Landesstraße 475 über Wierthe und Sonnenberg in Richtung Groß Gleidingen, der Bau der Geschäftshäuser an der Köchinger Straße/Hildesheimer Straße in Vechelde, der Umbau des Güterschuppens in Vechelde zur Sportstätte – all dies wurde vor Ihrer Amtszeit angeschoben. Täuscht der Eindruck, dass sie diese Projekte nicht mit letztem Feuereifer verfolgen?

Der Eindruck täuscht. Beim Radweg von Sonnenberg in Richtung Groß Gleidingen sind wir so weit, wie nie zuvor – er könnte 2025/2026 gebaut werden. Die Neubauten an der Kreuzung in Vechelde sind ein privates Investorenprojekt, aber auch hier sind wir auf einem guten Weg. Beim Umbau des Güterschuppens zur Sportstätte hat es eine rechtliche Auseinandersetzung gegeben, aber die Sportstätte soll, wenn alles gut läuft, Ende diesen Jahres eröffnet werden. Meine Vehemenz ist da – ich stehe zu all diesen Vorhaben, zu denen es auch Ratsbeschlüsse gibt.

Zum Ende Ihrer Amtszeit sollten Sie aber auch ein eigenes „Leuchtturmprojekt“ vorweisen können, oder?

Wichtig ist mir, dass wir unsere Gemeinde insgesamt – etwa bei Grundschulen und Kindertagesstätten – voranbringen. Ein „Leuchtturmprojekt“ im klassischen Sinne ist mir an dieser Stelle nicht so wichtig.

Alle gegen die SPD – das ist das Bild, das sich im Gemeinderat aufdrängt. Sollten Sie als Bürgermeister mit allen gut zusammenarbeiten – auch mit der SPD – und in der Lage sein zu Kompromissen?

Ich spreche im Vorfeld mit allen, um gemeinsame Wege für die Gemeinde zu finden – auch mit der SPD. Am Ende entscheidet jedoch der Gemeinderat seiner Mehrheit. Die 17 Hektargroße Fläche westlich der Ortschaft Vechelde (gegen die Stimmen der SPD im Rat beschlossen, Anmerkung der Redaktion) ist die letzte Gelegenheit für den Kernort und auch für die Gemeinde insgesamt, sich zu entwickeln. Die politischen Gremien werden darüber beraten und abschließend entscheiden, wie wir diese Fläche nachhaltig nutzen können – eine angemessene Wohnbebauung im Zuge einer nachhaltigen Quartiersbildung steht hier sicherlich auch im Raum. Als Verwaltung haben wir auch unsere Überlegungen zu den 17 Hektar, aber die bleibt den politischen Beratungen vorbehalten (im Gespräch ist diese Ackerfläche auch als Standort für die neue Grundschule – Anmerkung der Redaktion).

In Gemeinderatssitzungen beklagen Bürger mangelnde Transparenz und Bürgernähe der Verwaltung, der Ton in den politischen Diskussionen wird rauer – beunruhigt Sie das?

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, Entscheidungen zu hinterfragen und zu kritisieren – das ist auch in Ordnung so. Ich versuche immer, auf die Menschen zuzugehen, um eine gemeinsame und tragfähige Lösung zu finden – das gelingt, wenn auch nicht immer. Die sprichwörtliche rote Linie – und darüber bin ich sehr froh – wird im Gemeinderat jedoch nicht überschritten, auch nicht in den Diskussionen unter den Ratsparteien.

Werden Sie 2026 erneut als Bürgermeister kandidieren?

Was 2026 passiert, bleibt abzuwarten. Ich bin gerne Bürgermeister der Gemeinde Vechelde und habe Freude an der Ausübung meines Amts.

Tobias Grünert (CDU) ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder – er wohnt in Vechelade.