Berlin. Die Heizungspläne der Regierung und die Sanierungspflicht bedrohen die Altersvorsorge vieler Menschen – wer mit Verlusten rechnen muss.

  • Die Heizungspläne der Ampel-Koalition lösen hitzige Diskussionen aus: Manche Hausbesitzer würden diese finanziell besonders treffen
  • Vor allem Hausbesitzer mit einer alten Gas- oder Ölheizung würde das geplante Heizungsgesetz treffen
  • Neben den Eigentümern muss aber noch eine ganz andere Gruppe von Verbrauchern mit finanziellen Verlusten rechnen

Katerstimmung am Immobilienmarkt: Nachdem die Preise für Häuser und Wohnungen jahrelang immer neue astronomische Höhen erreicht haben, fallen sie mittlerweile. Die deutschen Gesetzespläne zum Heizungstausch und das EU-Vorhaben zur Sanierungspflicht von Gebäuden mit schlechter Energiebilanz bringen sowohl Käufer als auch Eigentümer ins Schwitzen. Manch einer fürchtet um seine Altersvorsorge oder das Erbe.

Die Sorge vor teuren Investitionen, etwa bei Heizungen oder Modernisierungen, und einem Wertverlust der Immobilie beschäftigen derzeit Eigenheimbesitzer – und verunsichern zugleich potenzielle Käufer. Experten beobachten, dass nicht mehr nur die gestiegenen Zinsen die Menschen umtreiben.

Sollten das deutsche Gebäudeenergiegesetz und das EU-Recht zur Gebäudesanierung so eintreten, prognostiziert Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke sinkende Preise „Jeder, der eine Immobilie kauft, muss einkalkulieren, dass er die Immobilie saniert“, sagt er. „Und das bedeutet, dass die Summen, die man investieren muss, den Kaufpreis mindern.“

Eigenheimbesitzer verkaufen Immobilien, um Pflege zu bezahlen

Warnecke fürchtet, dass sich die sinkenden Immobilienpreise negativ auf die Zukunft von Eigenheimbesitzern auswirken könnten. „Wir sehen im Bereich der selbst genutzten Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen oder Reihenhäuser, dass viele Menschen im Alter, wenn sie pflegebedürftig werden oder in ein Heim umziehen, diese Immobilien verkaufen“, erklärt der Experte. „Das ist das Vermögen der Leute.“ Er warnt: „Wenn da auf einmal ein Wertverlust eintritt, droht den Menschen, dass sie ihren Altersruhesitz oder ihre Pflege nicht mehr bezahlen können.“ Klar sei auch, dass bei den Erben noch weniger ankomme.

Alte Häuser mit schlechter Energiebilanz müssen saniert werden, bevor Wärmepumpen eingebaut werden dürfen. Müssen diese Immobilien verkauft werden, weil die Modernisierung zu teuer ist, bedroht das die Altersvorsorge vieler Menschen.
Alte Häuser mit schlechter Energiebilanz müssen saniert werden, bevor Wärmepumpen eingebaut werden dürfen. Müssen diese Immobilien verkauft werden, weil die Modernisierung zu teuer ist, bedroht das die Altersvorsorge vieler Menschen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Insbesondere Rentner seien gefährdet, sich die Gesetzesvorhaben nicht leisten zu können. Schließlich sei es extrem schwierig für sie, in Deutschland ein Darlehen oder einen Kredit zu bekommen. „Wenn Sie also nicht das Geld haben, die Heizung zu modernisieren oder auszutauschen, dann können Sie entweder die Pflicht nicht erfüllen oder Sie müssen ausziehen“, sagt Warnecke.

Heizung und Sanierung: Das sind die Gesetzesvorhaben

Nach Gesetzesplänen der Bundesregierung soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dann müssen etwa Wärmepumpen, Solarthermieanlagen oder Hybridsysteme aus Wärmepumpe und Gasheizung eingebaut werden. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben werden, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Sollte dies nicht möglich sein, sollen Übergangsfristen den Austausch erleichtern. Der Austausch soll staatlich gefördert werden.

Gleichzeitig hat das EU-Parlament jüngst ein Gesetz erarbeitet, das eine Sanierungspflicht für alte Gebäude vorsieht, die eine schlechte Energiebilanz haben. Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass schon bis 2030 alle Wohnimmobilien die EU-Energieklasse E erreichen müssen, bis 2033 sogar die Klasse D: Das hieße, dass sich der Heizaufwand pro Quadratmeter oft mehr als halbieren müsste, was die bessere Dämmung von Dach und Wänden, neue Fenster oder neue Heizungsanlagen voraussetzt.

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In Deutschland müssten demnach etwa 45 Prozent der Wohngebäude bis 2033 saniert werden, rechnet der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) vor. Das sind acht Millionen Häuser. Ralph Henger, Immobilienexperte im Bereich Klima am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, beobachtet den Markt intensiv. Er erklärt: „Immobilien, von denen man weiß, dass man bald eine Wärmepumpe einbauen oder energetisch sanieren muss, werden auf dem Markt im Moment mit einem Preisabschlag gehandelt.“

Wärmewende: Druck wird insbesondere auf Vermieter steigen

Henger rechnet ein Beispiel vor: „Eine typisches Einfamilienhaus, welches vor zwei Jahren noch 500.000 Euro Wert war – bei niedrigen Zinsen und noch niedrigeren Baukosten – ist jetzt durch die Sanierungspflicht weniger wert, weil man jetzt zum Beispiel 50.000 oder 80.000 Euro investieren muss. Da sinken dann der Wert und die Bewertung auf bis zu 420.000 Euro.“

Werden für ihre Pläne zur Wärmewende und Sanierungspflicht für alte Gebäude kritisiert: Robert Habeck (Grüne) und Klara Geywitz (SPD).
Werden für ihre Pläne zur Wärmewende und Sanierungspflicht für alte Gebäude kritisiert: Robert Habeck (Grüne) und Klara Geywitz (SPD). © dpa | Michael Kappeler

Henger befürchtet, dass mit den neuen Gesetzen insbesondere auf Vermieter der Druck steigen wird. „Es ist vorgesehen, dass man eine Immobilie nicht mehr vermieten darf, wenn sie eine schlechte Energiebilanz hat. Wenn das so kommt, werden nicht alle Eigentümer ihre Immobilie modernisieren können – etwa weil die Kosten zu hoch sind und sich die Mieten vielerorts nicht entsprechend nach oben anpassen lassen.“

Der Immobilienexperte rechnet auch damit, dass einige Vermieter nicht selbst sanieren, sondern lieber verkaufen. „Solange die EU-Gebäuderichtlinie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt wird, herrscht eine große Unsicherheit bei den Eigentümern, da für viele Gebäude noch nicht klar ist, ob sie von der Sanierungspflicht betroffen sein werden“, so Henger.

Haus & Grund kritisiert die Ampel-Regierung scharf

Haus & Grund-Präsident Warnecke hat noch einen anderen Kritikpunkt. „Die bis jetzt versprochene Förderung von Robert Habeck und Klara Geywitz – bis jetzt ist das ja noch kein Gesetz – zielt nur auf die Heizungen, nie auf die Gebäudesanierung.“ Beide Vorhaben dürften ihm zufolge aber nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Warnecke erklärt: „Wenn das Haus energetisch nicht auf dem neuesten Stand ist, explodieren mit einer Wärmepumpe die Betriebskosten. Das heißt im Umkehrschluss: Sie müssen noch energetisch sanieren. Und dafür gibt es schlicht in den Pötten, die die Bundesregierung vorgestellt hat, keine Förderung.“ Diese Zweigleisigkeit führe dazu, dass die Menschen verunsichert und finanziell überfordert seien.

Warnecke spricht von einer Kostenlawine, die über Immobilienbesitzer hereinbreche. „Die Sicherheit: Ich habe fürs Alter vorgesorgt und habe meine Immobilie, geht dahin. Grundfeste geraten ins Wanken.“