Berlin. Die Preise steigen, die Löhne halten kaum Schritt. Folge: Kaufkraftverlust. Starke Lohnzuwächse sind das Gebot der Stunde – am 1. Mai.

Der starke Preisanstieg bei Lebensmitteln und Energie bringt etliche Haushalte in Deutschland an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Um fast sieben Prozent stiegen die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr. Für das laufende Jahr rechnen Experten mit einer Zunahme von rund sechs Prozent. Frühestens 2024 dürfte sich die Lage wieder einigermaßen normalisieren.

Die Gewerkschaften versuchen in ihren Tarifrunden gerade, kräftige Lohnzuwächse für die Beschäftigten durchzusetzen. Das soll den Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer begrenzen, im besten Fall sogar ausgleichen. Wenn an diesem Montag überall im Land die traditionellen Kundgebungen zum Tag der Arbeit stattfinden, wird das Thema Kaufkraft wieder eine bedeutende Rolle spielen.

Zahlen des Statistischen Bundesamts, die unserer Redaktion vorliegen, unterstreichen, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer hierzulande zuletzt mit eher bescheidenen Löhnen auskommen musste: Fast 56 Prozent der Beschäftigten verdienten weniger als 20 Euro brutto in der Woche. Betroffen waren insgesamt rund 22 Millionen Menschen. Fast jeder dritte Arbeitnehmer verdiente sogar weniger als 15 Euro pro Stunde. Hier ging es um rund 12,5 Millionen Personen.

Löhne: Auch die Linke fordert hohe Lohnsteigerungen

Die Verdiensterhebung der Wiesbadener Statistiker bezieht sich auf den April 2022, ist also ein Jahr alt. Lohnsteigerungen, die seitdem vereinbart und in die Praxis umgesetzt sind, flossen noch nicht ein. Das gilt auch für die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro zum Oktober 2022.

Hochlohnland Deutschland? Linken-Politiker Dietmar Bartsch hält das für eine Mär. Wie die Gewerkschaften fordert er jetzt kräftige Lohnzuwächse.
Hochlohnland Deutschland? Linken-Politiker Dietmar Bartsch hält das für eine Mär. Wie die Gewerkschaften fordert er jetzt kräftige Lohnzuwächse. © dpa

Zum Erhebungszeitpunkt lag der durchschnittliche Bruttoverdienst pro Stunde in ganz Deutschland bei 22,02 Euro. Die höchsten Löhne wurden demnach in Hamburg (24,78 Euro), Hessen (23,88 Euro), Berlin (23,44 Euro) und Baden-Württemberg (23,33 Euro) gezahlt. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen lagen mit 21,97 Euro beziehungsweise 20,90 Euro pro Stunde unter dem Bundesdurchschnitt. Das gilt auch für sämtliche ostdeutsche Länder. So lag etwa der durchschnittliche Brutto-Stundenverdienst in Thüringen bei 18,96 Euro und im Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern bei 18,41 Euro.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte unserer Redaktion: „Die Geschichte vom Hochlohnland Deutschland ist eine Mär.“ Wenn die Mehrheit der Arbeitnehmer weniger als 20 Euro brutto in der Stunde verdiene, dann gebe es ein strukturelles Lohnproblem in Deutschland. Bartsch ergänzte: „Nach drei Jahren Reallohn-Einbußen brauchen wir Lohnsteigerungen oberhalb der Inflation. Insbesondere die vielen Millionen Arbeitnehmer, die nicht tarifgebunden sind und für die niemand streikt, brauchen deutlich höhere Löhne.“