Göttingen. In dem Vortrag ging es darum, wie Inklusion unternehmerisch gestaltet werden kann.

„Von Integration sind wir in Deutschland noch weit entfernt“, erklärte Beate Bender von my.worX rund 20 Interessierten beim 4. Social Entrepreneurship Meetup, das der Südniedersachsen Innovations Campus (SNIC), socialstartups.de und Startup Göttingen im Dots ausgerichtet haben. Am Beispiel der Göttinger Müsli Company, einer Abteilung des gemeinnützigen Unternehmens my.worX, zeigte Bender, wie die unternehmerische Integration von psychisch kranken Menschen nachhaltig funktionieren kann.

Psychische Krankheiten sind der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit. Lag der Anteil 1978 noch bei zwei Prozent, erreichte er 2018 knapp 17 Prozent. Mit 43 Prozent führenpsychische Störungen auch die Statistik krankheitsbedingter Frühberentungen an.

Bedürfnisse der Rehabilitanten

my.worX nimmt sich dieser Menschen an. „Wir stellen uns die Frage, was jemand benötigt, um arbeiten zu können. Wenn es ein sechseckiger Schreibtisch ist, ist es eben einsechseckiger Schreibtisch“, verdeutlichte Bender. Da die Rehabilitanten oft nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten können und im Schnitt 30 Prozent der Zeit ausfallen, seien die vielen kleinen Produktionsschritte in der Müsli-Manufaktur optimal geeignet für die berufliche Wiedereingliederung. Das Müsli wird dabei tagesfrisch gefertigt, sobald die Bestellung eingeht. Diese Kombination ist einmalig in Deutschland.

Derzeit verfügt my.worX über 120 Rehabilitationsplätze für Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar sind – 21 davon in der Göttinger Müsli Company. „Seit der Gründung haben wir die Plätze ständigausgeweitet. Das zeigt, dass die Nachfrage nach einem geschützten Raum für Arbeit besteht und wächst“, so Bender. Das Göttinger Unternehmen bietet dabei – neben der Müsli-Manufaktur – Tätigkeiten in den Bereichen Büroservice, Digitalisierung, Catering, Montage und Logistik an.

„Bei uns finden psychisch kranke Menschen eine Arbeit, die ihnen Sinn und Struktur gibt, ihr Selbstbewusstsein steigert und Spaß macht“, erklärte Bender. Mit der Zusammenarbeit im Team und dem Verkauf auf Märkten würden die Rehabilitanten nicht nur beruflich integriert, sondern auch gesellschaftlich. Denn die Abkapselung von Menschen mit psychischer Erkrankung vom alltäglichen Leben ist aufgrund von Stigmatisierung und Ausgrenzung noch immer hoch.

Akademiker und Lernbehinderte

Die Rehabilitanten kommen aus allen Schichten und Bildungsständen, etwa 70 Prozent haben eine abgeschlossene Ausbildung. Und doch arbeiten sie bei my.worX alle zusammen in einer wertschätzenden Atmosphäre – Akademiker mit Lernbehinderten. „Man muss sich klarmachen, dass es jeden treffen kann“, machte Bender klar.

Ihr Zukunftswunsch ist eine größere Öffnung der konventionellen Unternehmen gegenüber Integrationsmöglichkeiten. my.worX arbeite daran, die Mauer zwischen Rehabilitationseinrichtungen und dem Arbeitsmarkt durchlässiger zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat my.worX eine Jobcoachin eingestellt, die Unternehmen informiert und dabei unterstützt, mit den jeweiligen Erkrankungen und Besonderheiten der Rehabilitanten, die sich bei ihnen im Praktikum befinden, umzugehen und zu erkennen, dass die Zusammenarbeit Vorteile für beide Seiten mit sich bringt.

„Bei my.worX geht es nicht um Profitmaximierung, es geht um Entschleunigung, um gegenseitige Wertschätzung, um individuelle Fähigkeiten und berufliche Sinnfindung, schloss Bender.