Osterode/Göttingen. „Rassismus-Tatorte“ – Die neue RasTat-Broschüre des Landkreises Göttingen macht die Geschichten Betroffener sichtbar und gibt Handlungsempfehlungen.

Er begegnet Menschen manchmal im Kleinen und kaum wahrnehmbar als subtile Anspielung oder versteckt in einem vermeintlich harmlosen Witz. Oder er äußert sich in Form von Diskriminierung bei der Job- oder Wohnungssuche, am Arbeitsplatz oder in der Schule, im Sportverein, im Supermarkt oder überall sonst. Nicht selten nimmt er extreme Formen an: als Anfeindungen oder offene Gewalt. Fakt ist: auch in der Region werden Menschen täglich Opfer von Rassismus.

Um sich ausführlich mit Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen im Landkreis Göttingen auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse nach außen zu transportieren, hat das Integrationsbüro des Landkreises im Januar eine Broschüre veröffentlicht. „Mit Hilfe dieser Broschüre wollen wir vor allem die Perspektive beziehungsweise den emotionalen und sozialen Leidensdruck von Betroffenen der Mehrheitsgesellschaft sichtbar und zugänglich machen, sodass wir unsere Bürgerinnen und Bürger für das Thema sensibilisieren und sie gegebenenfalls für Anti-Rassismus-Arbeit gewinnen“, erklärt der Landkreis den Zweck des Hefts.

39 Interviews mit Betroffenen

Zwar gebe es in der Region nach Wahrnehmung der Verwaltung im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands keine besonderen Probleme mit Rassismus. „Trotzdem haben wir ab und zu belastende Berichte zu Erscheinungsformen des Alltagsrassismus erzählt bekommen, diese Broschüre dient dazu diese Berichte soweit es geht gebündelt zu visualisieren und für Betroffene und Unterstützerinnen und Unterstützer Lösungswege beziehungsweise. Handlungsalternativen aufzuzeigen.“

Neben einer Einordnung und Auseinandersetzung mit den verschiedenen Erscheinungsformen von Alltagsrassismus – was ist das eigentlich und welche Formen kann er annehmen? – enthält das Heft „RasTat“ so auch einen Handlungsleitfaden mit Empfehlungen für Betroffene und Menschen, die ihr eigenes Verhalten prüfen oder Diskriminierte unterstützen wollen. Im Kern jedoch stehen 39 Interviews, in denen Betroffene alltägliche rassistische Diskriminierungen aus ihrer Perspektive beschreiben.

„Du kannst halt schnell rennen“

„Rassistisch im Sport hatte ich mal, du bist Schwarz, du kannst halt schnell rennen, solche Sachen“, erzählt eine betroffene Person. Denn auch, was zunächst wie ein Kompliment klingen soll, kann Rassismus sein. Doch auch von Anfeindungen erzählen die Interviews: „Die Beleidigungen haben teilweise schon im Kindergarten angefangen, und auch in der Schule, manchmal auf dem Pausenhof.“

Die Abkürzung „RasTat“ steht für „Rassismus-Tatorte“ und ist auch der Name eines Rahmenprojektes vom Integrationsbüro des Landkreises. Ziel ist es, die Orte sichtbar zu machen, an denen Menschen rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Broschüre thematisiert allerdings nicht nur Tatorte, sondern auch Folgen von Rassismus: „Ich gehe nicht mehr raus allein. Ich versuche nicht mehr allein rauszugehen,weil ich mache mir immer Sorgen, dass ich etwas erlebe“, berichtet zum Beispiel eine weitere betroffene Person.

„Die Anti-Rassismus-Broschüre ist mit der Absicht entstanden, dass von Bürgerinnen und Bürgern und Akteurinnen und Akteuren berichtete Rassismus Fälle anonymisiert dokumentiert und evaluiert werden“, erklärt das Integrationsbüro. „Damit wird unsere Entschlossenheit gezeigt, dass wir uns mit jedweder Form des Rassismus im Kreisgebiet kritisch beschäftigen wollen, das soll aber auf keinen Fall bedeuten, dass wir es tun, weil wir ein großes Rassismus-Problem im Kreisgebiet erkannt hätten. Es ist vielmehr ein Phänomen-Monitoring mit proaktiven und kurativen Elementen nach Bedarf.“

Bundesweite Aktionswoche

In der aktuell laufenden Woche steht das Thema besonders im Fokus: Nach dem „Internationalen Tag gegen Rassismus“ am Dienstag steht die ganze Woche bundesweit im Zeichen des Kampfes gegen rassistische Diskriminierung. „Dem Landkreis Göttingen ist es bewusst, dass wir hier nur im Konzert etwas bewirken können. Nur wenn wir als Gesamtgesellschaft zum Beispiel als Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung, Schule, Zivilgesellschaft und Betriebe unseren alltäglichen Beitrag für eine rassismusfreie Gesellschaft leisten und alle Erscheinungsformen des Rassismus vehement bekämpfen, werden wir unser Ziel eher erreichen können“, heißt es vom Landkreis. Dortsein man bereit seinen Beitrag, zu leisten.

So äußert sich Landrat Marcel Riethig im Vorwort des rund 46 Seiten umfassenden Heftes: „Ein freies, selbstbestimmtes Leben ohne Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Doch leider gibt es immer noch rassistisches und diskriminierendes Gedankengut in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Dagegen wollen wir mutig vorgehen und auf keinen Fall wegschauen. Jede Form von Diskriminierung oder Herabsetzung von Menschen darf bei uns keinen Platz haben.“

Die „RasTat“-Broschüre ist unter www.landkreisgoettingen.de/rastat erhältlich. Sie kann weiterhin über den Integrationsbeauftragten des Landkreises Göttingen unter Telefon 0551 525-2726 oder per Mail unter angefragt werden. Gefördert wird sie unter anderem von der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung.

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