Harz. Im Harz bewegt das Thema Totholz. Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze zweifelte gar am gemeinsamen Nationalpark – und weist Kritik nun zurück.

In der Debatte um die Konsequenzen aus den Waldbränden im Harz hat sich Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze (CDU) zum Nationalpark Harz bekannt. „Mir geht es um – und das möchte ich betonen – den Erhalt des Nationalparks“, sagte der Minister am Mittwoch im Landtag von Sachsen-Anhalt. Zuletzt hatte Schulze Zweifel am Modell eines gemeinsamen Nationalparks Harz mit dem Land Niedersachsen geäußert. Dafür war er scharf kritisiert worden.

Die Fraktion Die Linke attackierte Schulze (CDU) am Mittwoch erneut. Es sei erschreckend und unverständlich, dass der Minister den gemeinsamen Nationalpark mit Niedersachsen in Frage gestellt habe, sagte Umweltpolitiker Hendrik Lange. „Er hat mit dieser Hauruckaktion gezeigt, dass er vom Forst, von Wirtschaft und sogar vom Tourismus wenig Ahnung hat.“ Eine Entschuldigung wäre angebracht, der Minister habe eine sinnlose Debatte vom Zaun gebrochen, so Lange.

Totholz stelle eine „Riesengefahr“ dar

Schulze hatte im September gesagt, wenn man keine gemeinsamen Lösungen finde, müsse man den Nationalpark grundsätzlich in Frage stellen. Er wolle das nicht, so Schulze. Doch das Totholz stelle eine „Riesengefahr“ dar.

Der Forstminister verteidigte seinen Kurs am Mittwoch. Es gehe ihm darum, den Nationalpark zukunftsfähig zu machen. Die Natur sich selbst zu überlassen, könne zwar grundsätzlich richtig sein. Wenn aber das Leben von Menschen gefährdet werde, müsse man reagieren. Dabei wolle er alles überprüfen. „Und ich habe auch geschaut: Kann der Nationalpark als Status ein Problem dabei sein, dass wir die Dinge, die ich umsetzen will, umsetzen können?“

Nun habe man Lösungen gefunden, sagte Schulze mit Verweis auf die „Wernigeröder Erklärung“. Darin ist festgehalten, dass insbesondere rund um den Ort Schierke am Fuß des Brocken vermehrt abgestorbene Bäume beseitigt werden sollen. Der Nationalpark Harz will zudem mehr Brandschneisen schaffen, damit die Feuerwehr Brandorte besser erreichen könne.

Die CDU im sachsen-anhaltischen Landtag möchte derweil auch legislativ tätig werden: „Die CDU-Fraktion fordert eine Anpassung des Nationalparkgesetzes und der -konzeption eben vor dem Hintergrund der veränderten Klima- und Umweltbedingungen zur Erhaltung der Artenvielfalt und Biodiversität“, so der forstpolitische Sprecher Olaf Feuerborn.

Rückendeckung aus der Koalition

Aus den Reihen der schwarz-rot-gelben Koalition erhielt Schulze Rückendeckung. „Es gibt nichts zu bemängeln. Endlich wurde gehandelt“, sagte Johannes Hauser (FDP). Feuerborn lobte den „Diskussionsanstoß“ des Ministers. Elrid Pasbrig (SPD) bezeichnete die „Wernigeröder Erklärung“ als konstruktiven Ansatz. Der Brandschutz müsse in bestimmten Bereichen verstärkt werden.

Die AfD nahm die Grünen ins Visier, die in der schwarz-rot-grünen Vorgängerregierung für den Forstbereich zuständig waren. Diese seien für nicht wenige Menschen die „Waldvernichtungspartei Nummer Eins“, es sei nicht gehandelt worden, kritisierte der Abgeordnete Daniel Roi. Er forderte ein Aufforstungsprogramm.

Wolfgang Aldag (Grüne) würdigte den Nationalpark dagegen als erfolgreiches, länderübergreifendes Naturschutzprojekt, welches es zu schützen gelte. Die Aussagen von Schulze würden nun als „politisches Geplänkel“ abgetan, sie hätten aber zu Unsicherheit geführt, sagte er.

Mit Forsttechnik wird aus einem Waldstück bei Schierke im Harz sogenanntes Totholz entfernt.
Mit Forsttechnik wird aus einem Waldstück bei Schierke im Harz sogenanntes Totholz entfernt. © dpa | Matthias Bein

Experte: Dringendes Handeln notwendig

Nicht nur der Harz, große Teile Europas wurde in diesem Jahr von zahlreichen Waldbränden heimgesucht. Anders als früher sind inzwischen auch Gebirgsregionen betroffen. Mit Blick auf Klimaprognosen ist entschlossenes Handeln dringend nötig.

Europa muss sich nach Einschätzung von Experten künftig auf eine Zunahme von Waldbränden vorbereiten und die Vorsorge und Bekämpfung verbessern. „Die Entwicklung zwingt dazu, Dinge nicht im Kleinen zu regeln, sondern mit nationalen Strategien und einem europäischen Brandmanagement zu reagieren“, sagte der Forscher Matthias Forkel von der Technischen Universität Dresden der Deutschen Presse-Agentur. Unter seiner Leitung hatten in den vergangenen Tagen 70 Fachleute aus mehreren Ländern über eine ganzheitliche Strategie für das Brandmanagement beraten. Die Teilnehmer kamen unter anderem aus Griechenland, Portugal, Spanien und Österreich.

Brandbekämpfung in Europa sehr verschieden geregelt

Forkel zufolge gibt es bereits Ansätze für ein gemeinsames Agieren, beispielsweise über den sogenannten European Civil Protection Mechanism. Er regelt gegenseitige Hilfe auch bei verheerenden Waldbränden. Allerdings sei die Brandbekämpfung in Europa sehr verschieden geregelt, in Deutschland sind etwa zunächst die Kommunen mit ihren Feuerwehren zuständig. Erst wenn der Katastrophenfall eintrete, komme der Landkreis, das Land oder später der Bund zum Zuge. Dann bestehe die Möglichkeit, Hilfe aus anderen EU-Ländern anzufordern. „Tschechien hat das bei dem Waldbrand in der Böhmischen Schweiz im Sommer gemacht und bekam Hilfe aus Schweden und Italien.“

Auch ein Monitoring-System zur Abschätzung von Waldbrandgefahren existiert bereits, sagte Forkel. Das European Forest Fire Information System gebe Informationen zur Waldbrandgefahr. „Es ist aber nicht sehr genau.“ Es gehe darum, die Gefahr von Waldbränden kleinräumig zu erkennen. Anders als früher seien bei den Bränden dieses Jahres auch Gebirgsregionen betroffen gewesen, darunter die Alpen, der Harz und die Sächsische Schweiz. „In solchen Gebieten gibt es bislang kein ausreichendes Monitoring. Da sind wir tatsächlich unvorbereitet.“

Von Mittelmeerländern lernen

Forkel ist überzeugt, dass Nord- und Mitteleuropa von Erfahrungen der Mittelmeerländer lernen können – vor allem in praktischen Dingen. Da gehe es weniger um das Anpflanzen von robusteren Baumarten, weil die Ökosysteme zu unterschiedlich sind. Entscheidend sei, wie man Brandbekämpfung auf einem höheren Level koordinieren kann. „Portugal ist aus leidvoller Erfahrung heraus ein Vorbild geworden. 2017 starben dort bei Waldbränden mehr als 60 Menschen. Das hat viel im Umgang mit den Bränden geändert“, betonte der Forscher. Selbst die Ausbildung von Feuerwehrleuten für die Waldbrandbekämpfung werde dort national organisiert.

„Vom Mittelmeerraum kann man zudem das Konzept des Wildland Urban Interface lernen – die Schnittstelle zwischen Wildnis und Wohnbebauung. Das ist auch ein großes Themen in Australien und den USA“, erklärte Forkel. Heute seien Siedlungen oft stark mit dem Wald verwachsen, Gärten und Häuser grenzten häufig direkt an die Natur. Wenn dann ein Waldbrand entstehe, könne er schnell auf Wohngebäude übergreifen. „In Portugal entwickelt man Konzepte, wie das verhindert werden kann – beispielsweise indem der Garten als natürliche Brandschneise dient oder Sprinkleranlagen die Gefahr minimieren.“

„Es gibt in Portugal auch Modellstudien, in gefährdeten Dörfern Schutzräume mit Küchen und der Möglichkeit zu medizinischer Versorgung zu etablieren. Im Falle eines Waldbrandes können sich die Bewohner dorthin zurückziehen, weil dieser Raum etwa durch einen Wassergraben geschützt ist.“ Inzwischen ließen sich in Mittel- und Nordeuropa Parallelen zum Mittelmeerraum ziehen. „Wir müssen uns darauf einstellen. Besser wird es in Zukunft nicht.“ Technik könne zwar helfen, Waldbrände früher zu erkennen: „Viel wichtiger ist aber, sie gar nicht erst entstehen zu lassen.“