Osterode. Umweltverbände fordern in Deutschland mittelfristigen Ausstieg aus Naturgipsabbau in Deutschland bis 2045 und keine Genehmigung neuer Abbauflächen.

Umweltverbände fordern in Deutschland einen mittelfristigen Ausstieg aus dem Naturgipsabbau in Deutschland bis 2045 und keine Genehmigung neuer Abbauflächen. In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sich die Bundesverbände GRÜNE LIGA, Naturschutzbund (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sowie der Verband deutscher Karst- und Höhlenforscher (VdHK) und die Initiative Architects for Future (A4F) für ein grundsätzliches Umdenken im Baubereich aus.

Aktuell lande der Großteil der hergestellten Gipsprodukte als Abfall auf Deponien. Vierzig Prozent der deutschen CO2-Emissionen entstehen im Bausektor, trotzdem werde an einem Bauboom mit hochpreisigem Neubau festgehalten während sich die Wohnfläche pro Kopf weiter erhöht. Die Prinzipien des nachhaltigen ressourcensparenden Bauens und die Anforderungen an den sozial-gerechten Wohnraum müssen zukünftig die baupolitischen Rahmenbedingungen bestimmen, damit sich der Rohstoffbedarf insgesamt auf in der Kreislaufwirtschaft umsetzbare Mengen reduziert, fordern die Verfasser des Papiers.

Scharfe Kritik richtet die GRÜNE LIGA als Initiator des Papiers an die Gipsförderer Knauf. Der Chef des Branchenmulti Alexander Knauf habe unlängst erklärt, man schaffe sich seine Märkte selbst, wie beispielsweise in Afrika: „Wir schulen die Menschen mit dem für sie meist neuen Baustoff Gips, wir bauen dann einen Brückenkopf, exportieren zunächst und ziehen mit der Produktion nach“, wird Knauf in einem Interview mit dem Handelsblatt zitiert.

Scharfe Kritik an der Gewinnmaximierung der Konzerne

Farina Hoffmann, Leiterin des Gipsprojektes bei der GRÜNEN LIGA, kritisiert „Die Gipsindustrie lässt die Katze aus dem Sack. Ihr geht es nur um Gewinnmaximierung. Im Südharz sollen wertvolle Landschaften weggebaggert werden um die Profite der Gipsunternehmen zu steigern. Das ist genau das Gegenteil von einer klimaschonenden Bauwende mit insgesamt weniger Ressourcen und einheimischen Rohstoffen.“ Es brauche in Deutschland dringend eine politische Neuausrichtung durch eine Änderung des Bundesbergrechts und die Einführung von Recyclingquoten im Baubereich. Wenn Firmenchef Knauf meint, „Wir renaturieren so, dass Flora und Fauna besser sind als vorher“ sei das eine „glatte Lüge“, sagt Hoffmann.

Gips ist in der Baubranche ein viel genutzter Rohstoff für den Trockeninnenausbau (Gipskartonplatten, Estriche, Putze) und als Beimischung für die Herstellung von Zement. Jährlich werden in Deutschland rund zehn Millionen Tonnen Gips produziert, wovon 45 Prozent aus dem Naturgipsabbau in Steinbrüchen und 55 Prozent aus REA-Gips stammen, heißt es im Papier. REA-Gips entsteht als Nebenprodukt in Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) von Kohlekraftwerken. Mit dem vom Bundestag beschlossenen Kohleausstieg fällt langfristig REA-Gips weg.

Dadurch steige der Druck auf die Naturgipsreserven durch die Gipsindustrie. Behördlicher und verbandlicher Naturschutz, ebenso renommierte nationale und internationale Wissenschaftler/innen, sehen im Abbau von Naturgips allerdings eine große Bedrohung für einzigartige Ökosysteme. Der Hydrogeologe und Experte für Karstlandschaften und Höhlen Dr. George Veni kritisierte unlängst die Pläne für neue Abbauflächen unter Verweis auf die weltweite Einzigartigkeit der Südharzer Gipskarstlandschaft scharf.

Beseitigung aller Lebensräume, Arten und Böden durch Tagebau

Weltweit einzigartig: Der grüne, bewaldete Karst auf Gips im Südharz. Er gehört zu den Biodiverstitäts-Hotspots Deutschlands.
Weltweit einzigartig: Der grüne, bewaldete Karst auf Gips im Südharz. Er gehört zu den Biodiverstitäts-Hotspots Deutschlands. © BUND | Stephan Roehl

Ungefähr die Hälfte des Naturgipses in Deutschland werde im Südharz abgebaut – fast ausschließlich im Tagebau unter Beseitigung aller Lebensräume, Arten und Böden. Diese Landschaft, die sich über Sachsen-Anhalt,Thüringen und Niedersachsen erstreckt, ist eines der artenreichsten Gebiete Deutschlands und damit Nummer 18 der 30 vom Bundesamt für Naturschutz ausgewählten Biodiverstitäts-Hotspots Deutschlands. Der Südharz ist Teil des UNESCO Global Geoparks Harz · Braunschweiger Land · Ostfalen und weltweit der einzige grüne, bewaldete Karst auf Gips. Diese Landschaft ist durch den Gipsabbau bereits in erheblichem Maße zerstört. Aktuell werden auch im sachsen-anhaltischen Südharz, im dortigen weltweit einzigen Biosphärenreservat mitgrünem Karst, Explorationen für den Gipsabbau durchgeführt.

Die andere Hälfte der Abbauflächen von Gips befindet sich als Steinbrüche (oberirdisch) und Bergwerke(unterirdisch) in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Auch der Abbau in diesen Bundesländern ist von Konflikten zwischen Gipsabbau und dem Erhalt der Natur geprägt. Erstkürzlich habe in der Region um Würzburg der unterirdische Gipsabbau für das Versiegen der Aischquelle gesorgt und er führe weiterhin zu katastrophalen Problemen des Wasserhaushalts in der Region.

Aktuell lande der Großteil der hergestellten Gipsprodukte als Abfall auf Deponien. Weniger als ein Prozent der Gipskartonplatten werde recycelt, obwohl sich Gips unendlich oft recyceln lässt. Lehm, Holz, Stroh und andere nachwachsende Rohstoffe, ebenso wie Chemiegipse, Sekundärgipse und Recyclinggips, eignen sich als Alternativen im Baubereich. Gips müsse im Rahmen der Kreislaufwirtschaft aus Bestandsrückbauzurückgewonnen, recycelt und im Kreislauf geführt werden. Diese Aspekte würden im aktuellen Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) noch nicht adäquat berücksichtigt. Sie müssten zudem auch auf EU-Ebene für alle Mitgliedsstaaten verbindlich festgelegt werden.

Es brauche ein grundsätzliches Umdenken im Baubereich, so die Verbände: „Als Bündnis von Umweltverbänden positionieren wir uns klar und eindeutig gegen die Forderung von Gipsindustrie und Politik, den wegfallenden REA-Gips durch Naturgips zu ersetzen. Wir fordern: Deutschlandweit keine Genehmigung neuer Abbauflächen oder neuer Vorrangflächen für Gipsabbau und ein Ausstieg aus dem Naturgipsabbau in Deutschland bis 2045.“