Harz. Die Biker starten in die Herbstsaison. Das Institut für Zweiradsicherheit gibt zahlreiche Tipps für sicheres Fahren in der neuen Jahreszeit.

Es war ein Sommer, der für Motorradfahrer kaum Wünsche offen ließ. Viele Sonnentage und Wärme lockten, immer geeignet für eine muntere Tour durch Harz, Solling oder Weserbergland. Begleitet wurde die Sommersaison allerdings wieder von einem umfangreichen Unfallgeschehen mit toten und verletzten Motorradfahrern. Jetzt kündigt sich so langsam der Hebst an, die Tage werden kürzer, die Schatten länger, Zeit, das Fahrverhalten an die sich ändernden und schwierigeren Gegebenheiten anzupassen.

Das Institut für Zweiradsicherheit (ifz) aus Essen hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und liefert die wichtigsten Tipps für die kommende Herbstsaison. „Defensiv fahren und offensiv erleben“, bringen die Experten des ifz den herbstlichen Fahrspaß auf einen griffigen Nenner. Denn auch an lauen Herbsttagen kann es im Schatten schnell mal frischer und rutschig werden. Umso angenehmer wird es, wenn die Sonne wieder rauskommt und für wohlige Wärme sorgt.

Bekleidung muss passen

Der Herbst bietet für Motorrad- und Rollerfahrer noch immer gute Gelegenheiten für spannende Ausfahrten mit dem Genuss bunter Wälder und schöner Landschaften. Einstellen aber sollte man sich bewusst auf das Wechselspiel der Temperaturen. Dazu gehört natürlich die entsprechende Bekleidung, damit der Biker klimatechnisch flexibel bleibt.

Jeder Motorradfahrer kennt das, wenn der Fahrtwind dann doch frischer ausfällt als gedacht oder die Sonne stärker brennt als erwartet. Jacken und Hosen mit herausnehmbarem Innenfutter oder Kombinationen mit Außenjacken können, so rät das Institut, bei diesen gegensätzlichen Witterungsverhältnissen hilfreich sein. „Ebenso unterwegs schnell einsetzbar sind kleine Helfer wie Sturmhauben, Hals- und Kniewärmer oder wind- und wasserabweisende Überzieher, um der Witterung zu trotzen und stets für maximalen Komfort zu sorgen“, erklären die Fachleute.

Durch ein Unwetter brach im August ein großer Ast aus der Krone eines Straßenbaums. Er traf einen Motorradfahrer am Helm. Gerade jetzt im Herbst kann es kräftig stürmen.
Durch ein Unwetter brach im August ein großer Ast aus der Krone eines Straßenbaums. Er traf einen Motorradfahrer am Helm. Gerade jetzt im Herbst kann es kräftig stürmen. © Kreisfeuerwehr Northeim | Horst Lange

Ein zuweilen massiver Störfaktor des entspannten Cruisens ist die tieferstehende Sonne, denn die Blendgefahr wird jetzt größer und andere Verkehrsteilnehmer können beim temporären Blindflug nicht mehr richtig wahrgenommen werden. Entgegenwirken kann man dem mit getönten Visieren, im Helm integrierten Sonnenvisieren oder einer Sonnenbrille. Besteht freie Sicht, mit der Sonne im Rücken sollte allerdings berücksichtigt werden, dass gerade jetzt die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer eventuell von der Blendung betroffen sind und man deshalb jetzt noch leichter übersehen werden kann. Das Helmvisier darf keine Kratzer aufweisen, da sonst bei Gegenlicht die tiefstehende Sonne oder bei Dämmerung und Dunkelheit die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge eine „Blindfahrt“ durch Streulicht verursachen. „Daher ist es sinnvoll, das Helmvisier schon vor der Fahrt auf Kratzer und Beschädigungen zu prüfen und gegebenenfalls auszutauschen“, rät das ifz. Gegen Sichtverlust durch das Beschlagen des Visiers können beschlaghemmende Mittel helfen.

Die Sichtverhältnisse werden auch durch andere Komponenten erschwert, beispielsweise durch Nebel, der nicht flächendeckend auftreten muss. Auch die früher einsetzende Dämmerung kann zu Problemen führen, weil der Motorradfahrer einfach schlechter wahrgenommen wird, gerade wenn er schwarze Schutzkleidung trägt. Nicht jeder steht auf die gelben Warnwesten, die manche aus Gründen der Sicherheit tragen und einige Diskussion ausgelöst haben. Cool oder uncool: Fest steht, dass auffällige Bekleidung mit reflektierenden Zonen hier gute Dienste in der Unfallprävention leistet. Entscheiden muss den Umgang damit letztlich jeder für sich.

Bodenhaftung

Eigentlich weiß es jeder Motorradfahrer: Aufgrund niedrigerer Temperaturen im Herbst geht der Grip der Reifen teilweise verloren, die Bodenhaftung wird schlechter. Auch die Fachleute des Instituts weisen auf den Umstand hin: „Je kälter es wird, desto später erreichen die Reifen ihre normale Betriebstemperatur. Reifen und Asphalt verzahnen sich dann nicht mehr so gut wie im Sommer.“ Dementsprechend sollte auch die Fahrweise angepasst werden. „Sanfte“ Kurvenfahrten statt extremer Schräglage gehören ebenso dazu, wie ein vergrößerter Sicherheitsabstand und eine erhöhte Bremsbereitschaft. Der Herbst hält eben so einige Überraschungen bereit, und die sind nicht immer erfreulich. Früchte der Bäume auf der Fahrbahn wie Eicheln oder Kastanien und rutschige Laubschichten erschweren die Fahrt. Besonders tückisch: Raureif in beschatteten Kurven, der, kommt er unvermutet, gerne für eine Schrecksekunde sorgt. In ländlichen Gegenden ist wegen des Ernteverkehrs zudem mit verschmutzten Straßen zu rechnen, wer den Zuckerrüben nicht rechtzeitig ausweicht, hat ein Problem. „Machen Sie sich auf Erntefahrzeuge gefasst, beispielsweise nach einer Kurve. Fahren Sie also besonders umsichtig, wenn Erntefahrzeuge in Sicht sind und kalkulieren Sie ein, übersehen zu werden, insbesondere im Bereich der Ein- und Ausfahrten von Feldern“, warnen die Experten. Für ein unangenehmes Zusammentreffen von Mensch und Tier kann der im Herbst zunehmende Wildwechsel sorgen. Erhöhte Aufmerksamkeit, ein vergrößerter Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden und besondere Vorsicht an Feldern und Wäldern tragen zu einem sicheren Ankommen bei.

Herbst noch einmal genießen

Nimmt man all die guten Ratschläge und Warnungen zusammen, erscheint das „Mopedfahren“ im Herbst besonders gefährlich. Wer allerdings aufmerksam und mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs ist, für den ist die Jahreszeit willkommener Anlass, den Fahrspaß noch einmal nach Herzenslust zu genießen, bevor die Maschine winterfit gemacht wird und für einige Monate in die wohlverdiente Winterruhe geht. „Wer für seine Herbstfahrten die genannten Aspekte im Hinterkopf behält und defensiv unterwegs ist, kann den offensiven Fahrspaß noch einmal genießen“, befinden die Experten für Zweiradsicherheit.

Kann zu einem herrlichen Erlebnis werden: Eine Motorradtour durch die herbstliche Landschaft.
Kann zu einem herrlichen Erlebnis werden: Eine Motorradtour durch die herbstliche Landschaft. © IFZ | Institut für Zweiradsicherheit

Die Polizei organisiert regelmäßig länderübergreifende Präventionsveranstaltung zur Erhöhung der Motorradsicherheit und Reduzierung der Motorradunfälle im Harz und Kyffhäuser. Im Rahmen der zwischen den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen vereinbarten Kooperation „Sicher durch den Harz“ werden seit 2008 die Probleme des ständig steigenden Motorradverkehrs im Harz gemeinsam angegangen. Hauptzielrichtung ist dabei die Senkung der Unfallzahlen unter Beteiligung von Motorradfahrern.

In diesem Projekt arbeitet die Polizei mit den zuständigen Landes- und Ortsverkehrswachten sowie zahlreichen weiteren Netzwerkpartnern zusammen.

Info: Herbst-Check

Vor der Fahrt warme Kleidung („temperaturflexibel“) anlegen, für ein sauberes Visier ohne Kratzer (ggf. Sonnenschutz) sorgen.

Unterwegs ist auf feuchte, rutschige und verschmutzte Straßen, glitschiges Laub und weniger Grip durch Kälte sowie Blendung durch tiefstehende Sonne ebenso zu achten, wie auf ein schnelleres Übersehenwerden und landwirtschaftliche Fahrzeuge und Erntemaschinen. Dazu kommen vermehrter Wildwechsel und sichterschwerender Nebel.

Unter www.ifz.de finden Motorrad- und Rollerfahrer alles zum Thema „Motorrad-Herbst“. Eigens der „Herbst-Clip“ des ifz bringt die zentralen Punkte für die nächste Herbstausfahrt in 90 Sekunden auf den Punkt.