Königskrug. Die vom Borkenkäfer großflächig zerstörten Fichtenwälder im Harz sind kein schöner Anblick. Naturschützer sind trotzdem nicht traurig.

Kein schöner Anblick: Während der Bulli der Nationalparkverwaltung auf holprigen Wegen dem Gipfel des 925 Meter hohen Bergs Achtermann entgegen rumpelt, überall nur tote Bäume. Die abgestorbenen, alten Fichten ragen zu Tausenden gen Himmel. Hier, auf dem dritthöchsten Berg des Harzes mitten im Nationalpark hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet. „Im vergangenen Jahr waren rund 800 Hektar Fichtenwald betroffen“, sagt der Leiter des zu Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gehörenden rund 25.000 Hektar großen Schutzgebiets, Andreas Pusch. In diesem Jahr, so schätzt er, könnte die Fläche sogar noch größer werden. „Denn der Wald ist durch den Klimawandel extrem gestresst“, sagt Pusch.

Der Grund: „Hitze, Stürme und Trockenheit haben die Vermehrung der Borkenkäfer extrem begünstigt“, sagt auch der Bundesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Olaf Tschimpke. Zusammen mit Hubert Weiger, seinem Amtskollegen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund), besucht er an diesem Nachmittag den Nationalpark, um sich ein Bild von den Folgen des Borkenkäferbefalls zu machen.

Der Wald ist nicht tot – im Gegenteil

Wegen der vielen toten Bäume sind die Naturschützer aber nicht besonders traurig. Es sei zwar verständlich, dass der Anblick in der Bevölkerung Unverständnis und Angst auslöse, sagt Weiger. Aber der Wald sei nicht tot. Im Gegenteil. Der massenhafte Borkenkäferbefall der Fichten bietet nach Überzeugung der Naturschutzverbände eine große Chance für eine schnelle, dynamische Naturverjüngung ohne menschliche Eingriffe. „Was hier abläuft, ist spektakulär“, findet Weiger. Denn zwischen den großflächig abgestorbenen Fichten rege sich überall vielfältiges neues Leben. „Der Umbau von artenarmen Monokulturen zu artenreichen Mischwäldern wird stark beschleunigt“, befindet auch Nabu-Chef Tschimpke. „Wo vorher nur Fichten standen, wachsen jetzt junge Ebereschen, Weiden, Aspen oder Birken“, sagt Nationalparkleiter Andreas Pusch. Auch die Zahl der Vogelarten am Achtermann sei deutlich gestiegen. Neu hinzu gekommen sind einem Monitoring des Nabu zufolge unter anderem Fichtenkreuzschnabel, Baumpieper, Gimpel und Wendehals.

Die auf natürliche Weise nachwachsenden artenreicheren Wälder können nach Überzeugung der Naturschützer dem Klimawandel sehr viel besser widerstehen als Monokulturen. „Wir werden immer mehr zu naturnahen Mischwäldern kommen müssen, weil sie stabiler sind“, sagt Nabu-Chef Tschimpke.

Die nach dem Borkenkäferbefall naturnah nachwachsenden Wälder im Nationalpark können eine Art Laborversuch für die vom Klimawandel gleichermaßen betroffenen Wirtschaftswälder in Deutschland sein, meint der Bund-Vorsitzende Weiger.

Wie stark sich der mit dem Klimawandel einhergehende massive Borkenkäferbefall auswirken kann, bekommen gegenwärtig auch die Niedersächsischen Landesforsten zu spüren. Das landeseigene Unternehmen befindet sich nach den Worten seines Präsidenten Klaus Merker wegen des Borkenkäfers im Krisenmodus. Um den Borkenkäfer zu bekämpfen und die von ihm verursachten Schäden schnellstmöglich zu beseitigen, wurden Überstunden angeordnet, Einstellungen vorgezogen und Beschäftigte in die am schlimmsten betroffenen Gebiete delegiert. dpa