Göttingen. In Göttingen wurde der Mordprozess gegen einen 29-Jährigen fortgesetzt. Diesmal sagte ein Rechtsmediziner aus.

Im Prozess um eine zerstückelte Leiche hat sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Göttingen mit den rechtsmedizinischen Gutachten beschäftigt. Die Leiche war erst acht Monate nach der Tat im August vergangenen Jahres geborgen worden. Zuvor hatte der 29-jährige Angeklagte nach einem Suizidversuch gebeichtet, im Dezember 2017 an seinem damaligen Wohnort in Lindau einen 37-jährigen Hausnachbarn getötet zu haben.

Die Bergung war ein aufwändiges Unterfangen: Um die vergrabenen Leichenteile ausfindig machen und ausgraben zu können, hatte die Polizei neben Schaufeln auch einen Minibagger im Einsatz. Erst in 60 Zentimeter Tiefe wurden sie fündig. Als Erstes sei eine rechte Hand mit einem Unterarm zu sehen gewesen, berichtete der Rechtsmediziner Professor Wolfgang Grellner von der Universitätsmedizin Göttingen, der die Bergung begleitete. Nach und nach seien dann bis in einer Tiefe von 95 Zentimetern weitere Leichenteile zum Vorschein gekommen: Erst eine linke Hand samt Unterarm, dann zwei Füße plus Unterschenkel, dann ein rechter Oberschenkel und zuletzt ein Schädel und ein Rumpf. Die Oberarme und der linke Oberschenkel fehlten, sie blieben unauffindbar. Die Leichenteile seien teilweise in Kleidungsstücke und Stoffreste gehüllt gewesen, sagte Grellner.

Die Leiche sei aufgrund der langen Liegezeit bereits einem starken Verwesungsprozess ausgesetzt gewesen. Anhand des Zahnstatus ließ sich die Identität des 37-Jährigen indes sicher verifizieren. Wie genau er zu Tode gekommen war, habe man dagegen bei der Obduktion nicht mehr feststellen können, sagte der Rechtsmediziner. Laut Anklage soll der 29-Jährige dem 37-Jährigen erst einen Schlag gegen den Kopf versetzt und ihn dann mit einem Seil erdrosselt haben. Aus rechtsmedizinischer Sicht spricht nichts dagegen. Es gebe zwar keine direkten Hinweise auf eine Strangulation, es spreche aber auch nichts dagegen. Nach Angaben des Rechtsmediziners wurde bei der Zerlegung der Leiche „vergleichsweise geschickt“ vorgegangen. Insbesondere das Herauslösen des Oberschenkels aus dem Hüftgelenk sei schwierig. Diese anspruchsvolle Sezierarbeit sei gut gelungen.

Insgesamt sind Tötungsdelikte, bei denen die Leiche zerstückelt wird, relativ selten. In Deutschland gebe es durchschnittlich zehn Fälle im Jahr, sagte Grellner. Anders als man vermuten könnte, seien die Täter zumeist keine Fleischer, Jäger oder Ärzte, die entsprechende Vorkenntnisse haben und wissen, wo man das Messer ansetzen muss, um ein Körperteil sauber abzutrennen. Tatsächlich gebe es bei dieser Art von Delikten „keinen Bezug zu beruflicher Tätigkeit“, sagte der Rechtsmediziner. Allerdings seien anatomische Grundkenntnisse hilfreich, außerdem ein sehr scharfes Messer.

Der Angeklagte hatte in seiner Einlassung zugegeben, die Leiche gemeinsam mit einem anderen Mitbewohner zerteilt zu haben. Dies habe einen ganz pragmatischen Grund gehabt: Anders hätten sie die Leiche nicht wegschaffen können, da sie zu schwer gewesen sei.