Göttingen. Der ärztlich behandelte Alkoholkonsum bei Senioren ist laut der Krankenkasse KKH in zehn Jahren um zwei Drittel gestiegen.

Über Rauschtrinken und Komasaufen bei Jugendlichen wird oft berichtet. Ein deutlich geringeres Problembewusstsein in der Öffentlichkeit herrscht hingegen mit Blick auf den Alkoholkonsum im Alter. Doch das riskante Trinken der Generation 65 plus nimmt einer Auswertung der Krankenkasse KKH zufolge deutlich zu: Demnach ist die Zahl der 65- bis 84-Jährigen, die wegen eines akuten Alkoholrauschs oder psychischer Probleme aufgrund von Alkohol ärztlich behandelt werden mussten, von 2007 auf 2017 um zwei Drittel gestiegen.

Die Auswertung zeigt darüber hinaus, dass der Anstieg in bestimmten Altersgruppen erheblich höher ist als im Durchschnitt – vor allem bei den Männern: Bei den 70- bis 74-Jährigen betrug dieser rund 95 Prozent, bei den 80- bis 84-Jährigen sogar weit mehr als das Doppelte. „Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn die Daten erfassen nur ärztlich behandelten Alkoholmissbrauch“, erläutert Bernd Leonhardt vom KKH-Serviceteam in Göttingen. Die Dunkelziffer sei also weitaus höher.

Die Gründe für diesen riskanten Alkoholkonsum seien vielfältig, erklärt die KKH. Viele Senioren lebten einsam und isoliert: Früher seien sie im Job unentbehrlich gewesen, heute fühlten sie sich als Rentner nicht mehr gebraucht. Der Partner ist darüber hinaus vielleicht schon gestorben, die Angehörigen lebten weit entfernt, Freunde und enge Bekannte würden fehlen. Niemand interessiere sich für sie und die Tatsache, dass sie trinken. Senioren würden so in einen Teufelskreis geraten, denn wer langfristig zu viel Alkohol konsumiert, gefährde nicht nur die Gesundheit, sondern hat erst recht keine Möglichkeit mehr, ein selbstständiges, selbstbestimmtes und aktives Leben im Alter zu führen.

Schädliches Trinkverhalten bei Senioren sei nicht leicht festzustellen. „Das Thema ist in Arztpraxen und beim Pflegepersonal oft nicht präsent“, erläutert Bernd Leonhardt, denn häufig würden Folgen von Alkoholproblemen mit Alterserscheinungen verwechselt. Schlafstörungen, Orientierungslosigkeit, undeutliches Sprechen oder Nachlässigkeit bei der Hygiene können altersbedingt sein, aber auch auf einen zu hohen Alkoholkonsum hinweisen. „Senioren müssen deutlich weniger Alkohol trinken als Jüngere, um die Gesundheit nicht zu gefährden“, betont Bernd Leonhardt. Experten empfehlen ab dem 65. Lebensjahr maximal zehn Gramm reinen Alkohols täglich für Männer und Frauen, also ein kleines Glas Bier (0,25 Liter) oder Wein (0,1 Liter). Zwei Tage pro Woche sollten ganz alkoholfrei sein.

Da ältere Menschen häufiger und unter Umständen dauerhaft Medikamente einnehmen müssen, sei besondere Vorsicht mit Alkohol geboten. Die Kombination könne fatale Nebenwirkungen haben. Außerdem kann Alkohol die Wirkung eines Medikaments aufheben, verringern oder unkontrollierbar verstärken. Im schlimmsten Fall ist die Kombination von Alkohol und Medikamenten lebensbedrohlich. nza