Göttingen. Die Staatsanwaltschaft überprüft, ob anonyme E-Mail im Kontext mit einer bundesweiten Welle ähnlicher Taten steht. Ein Täter wurde noch nicht gefasst.

Nach der Bombendrohung am Dienstag laufen die Ermittlungen weiter, ein Täter wurde noch nicht gefasst. Zuständig ist seit Mittwoch die Staatsanwaltschaft in Berlin. Dort wird geprüft, ob die Drohung einen rechtsextremen Hintergrund hat. In sechs Städten waren am Dienstagmorgen Bombendrohungen eingegangen, darunter auch in Göttingen. Rund 800 Mitarbeiter mussten das Neue Rathaus in Göttingen verlassen. Per E-Mail war in der Nacht zuvor eine anonyme Drohung eingegangen.

Bereits in den ersten Märzwochen waren bundesweit ähnliche Drohmails in Rathäusern, öffentlichen Einrichtungen und bei der Linken Bundestagspolitikerin Martina Renner eingegangen. Unterzeichner war eine „Nationalsozialistische Offensive“. Ob die auch der Absender der Göttinger Drohmail war, will die Göttinger Polizei nicht bestätigen. Sie verweist auf die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin, die seit Mittwoch für die Ermittlungen und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sei. „Der Vorgang liegt bei uns und es wird geprüft, ob die Mail in diesen Kontext gehört“, sagt Martin Steltner, Pressesprecher der Berliner Behörde. Bundesweit seien es mittlerweile mehr als 100 solcher Drohungen, die teils zu Evakuierungen geführt haben und in denen auch mit Mord gedroht wird. „Im Einzeln können wir derzeit noch nicht zu jedem Vorgang eine Aussage machen“, so Steltner.

„Es war das erste Mal, dass eine solche Drohung in Göttingen eingegangen ist – und hoffentlich auch das letzte Mal“, sagt Jasmin Kaatz von der Göttinger Polizei. Aber wie unterscheidet die Polizei vermeintliche Scherze von ernsten Gefährdungen? „Die Beurteilung der Ernsthaftigkeit einer solchen Androhung basiert maßgeblich auf kriminalistischen Erfahrungen aus vorangegangenen Anschlägen“, erklärt Thomas Reuter, Inspektionsleitung Sachbereich Einsatz der Polizei. „Dafür gibt es keine Checkliste, die zu einem automatischen Ergebnis führt“, so der Polizeioberrat. Kriterien, die in die polizeilichen Entscheidungen einfließen, seien beispielsweise die Gefährdung eines Betriebes, das mögliche Motiv eines Täters, Form und Zeitpunkt der Drohung und der politische Kontext. Wichtig sei auch, wie konkret die Drohung ist.

„Wenn wir von einer ernsten Drohung ausgehen, muss alles unternommen werden, um die Gefährdung von Menschen auszuschließen“, so Reuter weiter. Auch die Einsatzstelle werde, wie am Dienstag, dann für Autofahrer und Fußgänger abgesperrt. „Außerdem gilt es, mögliche Gefahrenquellen aufzuspüren und ungefährlich zu machen.“ Bei der Absuche des Rathauses kamen dafür auch fünf Spezialhunde zum Einsatz. Gefunden haben sie nichts.

„Noch während der Durchsuchungsmaßnahmen im Rathausturm wurde durch Ermittlungen und Informationsaustausch mit anderen Dienststellen bekannt, dass eine inhaltlich identische Drohmail in mindestens fünf weiteren Städten im Bundesgebiet eingegangen war“, so Kaatz. Dank dieser und weiterer Informationen konnten die Göttinger Polizisten dann davon ausgehen, dass kein Sprengstoff im Rathaus war. Denn: „Bestehen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit, ist ein genanntes Ultimatum verstrichen oder sind alle Absuchungen ergebnislos, können dies Indizien dafür sein, dass ein angedrohter Anschlag ausgeschlossen werden kann“, so Reuter.

„Sämtliche Termine und Sitzungen im Neuen Rathaus mussten ausfallen“, so Verwaltungssprecher Dominik Kimyon. Die Arbeiten, die nicht ausgeführt werden konnten, würden nachgeholt. „Menschen, die am Rathaus vor verschlossenen Türen standen und denen ich die Sachlage geschildert habe, haben durchweg verständnisvoll reagiert“, sagt er. Die Mitarbeiter erhalten eine Zeit-Gutschrift. Im Vorfeld seien keine anderen Drohmails im Rathaus angekommen. Generell, so Kimyon, werde im Fall von Drohungen in jedem Einzelfall das Risiko bewertet. Bei Bedarf schalte man Polizei und Staatsanwaltschaft ein.