Goslar . Ein Beispiel, das Betroffenen Mut macht: Ein 90-jähriger Landwirt musste amputiert werden – und kann mit neuer Beinprothese jetzt schon wieder gehen.

Es ist eine bewegende menschliche Geschichte, ein Erfolg für das interdisziplinäre Team aus Pflegekräften, Ärzten, Therapeuten und einem Sanitätshaus – zugleich Ansporn für andere Betroffene, ob junge Menschen oder Senioren: Dem 90 Jahre alten ehemaligen Landwirt Friedel F. musste Ende November 2018 nach einem Arterienverschluss das linke Bein am Oberschenkel amputiert werden – der Patient aus Mechtshausen, eine Ortschaft, die zur Stadt Seesen am Harz gehört, bekam eine Prothese, wurde therapiert und kann schon nach nur knapp sechs Wochen wieder eigenständig damit gehen.

Erfolg für das ganze Team

„Dass ein so hochbetagter Mensch eine Prothese bekommt, damit zurecht kommt und schon nach so kurzer Zeit damit wieder gehen kann, ist selten und ein Erfolg für das ganze Team, wir freuen uns sehr darüber“, sagt Hauke Lorenz, Leiter der Physiotherapie der Asklepios Harzkliniken in Goslar und Clausthal-Zellerfeld. „Es ist auch ein gutes Beispiel, das anderen Betroffenen, egal, wie alt, Mut machen könnte.“ Friedel F. lebte bisher allein in seiner Wohnung, seine zwei erwachsenen Kinder versorgen ihn. Wie vor der Operation wollte er gerne wieder zu Hause eigenständig leben. Der Rentner ist dankbar: „Ich muss mich natürlich erst an die Prothese gewöhnen, aber ohne Prothese hätte ich jetzt in ein Altersheim ziehen müssen, nur so kann ich nun weiter selbstständig leben, und das möchte ich unbedingt“, sagt er, es sei natürlich auch für seine Kinder eine Erleichterung und Entlastung. „Ich danke dem ganzen Team.“

„Ohne die eindrucksvolle Mitwirkung des Patienten hätte das bestimmt nicht so gut funktioniert“, sagt Kerstin Bolluck, Physiotherapeutin und speziell weitergebildete „Gehschul-Therapeutin“ der Harzkliniken. „Prothesen sollen keine Last sein, sondern sind eine Chance.“ Die Entscheidung für eine Prothese fällt vielen Betroffenen, egal wie alt sie sind, nicht leicht, weiß die Gehtrainerin für Prothesenanwender.

Denn die Nachricht, dass eine Amputation notwendig ist, ist für viele erst mal „ein Schock, ein Eingriff ins Leben, den man erst mal verarbeiten und mit dem man psychisch zurechtkommen muss“, sagt Kerstin Bolluck. Die Geschichte von Friedel F. ist laut Klinik zugleich ein positives Beispiel für andere Betroffene, Kraft und Energie zu entwickeln, um mit dem Schicksal zurechtzukommen. Unerwartet und sehr schnell sei es medizinisch notwendig gewesen, die Amputation bei Friedl F. vorzunehmen. Viele Fragen und Ängste tauchen auf: Wie geht es weiter? Nie wieder stehen? Kann ich wieder nach Hause? Man möchte niemandem zur Last fallen! Und vieles mehr.

Für die Angehörigen sei es oft schwer, sie stehen dieser Situation hilflos gegenüber, dazu kommen oft noch die Berührungsängste, die so eine prothetische Versorgung im Detail mit sich bringt, wissen die Fachleute. Da ist interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt.

Prothese aus Gießharz

Ralf Koch, Chefarzt der Klinik für Gefäß- und endovaskuläre Gefäßchirurgie, Phlebologie, Dr. med Sabine Reuter, Chefärztin der Geriatrie, und Patrick Werner vom Sanitätshaus Werner & Habermalz haben sich zusammengesetzt, um für betroffene Patienten eine patientenorientierte Versorgung von der Amputation bis in die Reha zu planen. So wurden sofort nach der Amputation von Friedel F. Fotos gemacht, Maße genommen, und Sanitätshaus-Mitarbeiter Christoph Thal hatte danach die individuelle Prothese aus „Gießharz“ angefertigt. Der Stumpf verheilte unter fachmännischer Aufsicht gut, die Prothese wurde fast täglich angepasst. Der Patient wurde ebenfalls jeden Tag therapiert und übte fleißig mit, so Kerstin Bolluck: „Nach kurzer Zeit war er in der Lage, die Prothese selbstständig anzuziehen. Nun heißt es für den 90-Jährigen trainieren, gehen üben, Kraft aufbauen.“